Attendorn. Seit Jahrzehnten wird um das Gewerbegebiet in Attendorn gestritten. Doch nun rücken die Bagger an. Was nun geschieht.
Auf diesen Tag hat die Stadt Attendorn um Bürgermeister Christian Pospischil (SPD) sehr lange warten müssen: Am Montag, 4. September, war nun offizieller Baubeginn im neuen Industriegebiet Fernholte, um dessen Realisierung seit etlichen Jahren juristisch gerungen wird. „Es ist ein großartiger Tag für unsere Stadt. Jetzt geht es endlich weiter und wir werden absehbar mehr Gewerbeflächen zur Verfügung stellen“, freut sich der Erste Bürger der Stadt. Insgesamt steht nach Fertigstellung rund 26 Hektar Netto-Baufläche für Unternehmen im Eckenbachtal zur Verfügung. Die Stadt wird nicht müde zu betonen, wie dringend sie diese Fläche benötigt, um den Firmen Erweiterungsflächen anzubieten, bevor diese entnervt den Rückzug aus der Hansestadt antreten.
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In einem ersten Schritt wird der kleine, namenlose Bach, der zurzeit quer durch das Plangebiet verläuft, verlegt und dabei um rund 200 Meter vergrößert – von derzeit rund 550 auf später 750 Meter. Dieses Gewässer wird an den Rand verlegt und dabei ökologisch aufgewertet, verspricht Tiefbauamtsleiter Manuel Vogt. So werden unter anderem mehr als 300 neue Bäume gepflanzt.
Planmäßig in der kommenden Woche wird zunächst eine geschotterte Baustraße in das Baufeld gelegt, die an die bereits bestehende asphaltierte Straße andockt. Rund anderthalb bis zwei Wochen wird dies dauern, sofern das Wetter mitspielt. Anschließend startet die eigentliche Gewässerverlegung, die wiederum in den Wintermonaten abgeschlossen werden soll. Das Fachbüro Wagu aus Kassel hat für diese Arbeiten den Auftrag von der Stadt erhalten.
Eilantrag doppelt abgelehnt
Die Landesgemeinschaft Natur- und Umweltschutz (LNU) geht seit Jahren, gemeinsam mit der hiesigen Initiative zur Erhaltung des Eckenbachtals, gegen die Gewässerverlegung vor. Ihr grundsätzliches Ziel: das Eckenbachtal solle in seiner ganzen Schönheit erhalten bleiben und nicht einem Industriegebiet zum Opfer fallen, schreibt die Bürgerinitiative aus Attendorn auf ihrer Homepage. Allerdings mussten die Umweltschützer bereits zwei Niederlagen hinnehmen, nachdem der Kreis Olpe als Genehmigungsbehörde Ende 2020 den Daumen für die Gewässerverlegung hob.
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Zunächst lehnte das Verwaltungsgericht in Arnsberg im Sommer 2021 einen Eilantrag der LNU ab – und zwar grob gesprochen mit der Begründung, dass die Stadt Attendorn und der Kreis Olpe keine planerischen Fehler gemacht hätten und es ein „erhebliches öffentliches Interesse an der Realisierung eines neuen Gewerbe- und Industriegebietes im Stadtgebiet von Attendorn“ gebe. Das Oberverwaltungsgericht in Münster teilte diese Sichtweise und wies eine erneute Beschwerde im Februar dieses Jahres zurück.
Nun werden sich die Richter erneut mit der beklagten Gewässerverlegung befassen, dieses Mal nicht im Eilverfahren, sondern im Hauptsacheverfahren. Dies geschieht am Dienstag, 19. September, vor dem Arnsberger Verwaltungsgericht. Rainer Fischer, Geschäftsführer der Landesgemeinschaft Natur- und Umweltschutz aus NRW, will zunächst abwarten, welche Entscheidung das Verwaltungsgericht fällt. Sollten die Richter von ihrer Entscheidung im Eilverfahren nicht abrücken und die Klage auch im Hauptverfahren zurückweisen, hält sich Fischer die Option offen, erneut Beschwerde vor dem OVG in Münster einzulegen. „Wir schauen jetzt erst einmal, wie die juristischen Erwägungen aussehen und werden uns mit unserem Fachanwalt und der Initiative austauschen. Danach wissen wir, wie es für uns weitergeht.“
Garra: Klimaneutralität wird gefährdet
Marion Garra, 1. Vorsitzende der Bürgerinitiative, sieht mehrere Gründe, die gegen den Bau des Gewerbegebietes unweit der JVA sprechen. In einem Schreiben an diese Redaktion führt sie beispielsweise aus, dass besagter Bau mit dem Ziel der Stadt, bis 2030 klimaneutral zu werden, nicht kompatibel sei: „Man muss keine Naturwissenschaftlerin sein, um zu erkennen, dass das geplante Gewerbegebiet das Ziel der Klimaneutralität in weite Ferne rückt.“ Sie fürchtet eine erhebliche Verschlechterung der CO2-Bilanz in Attendorn, die schon heute katastrophal sei. Darüber hinaus sei die Versiegelung weiterer großer Flächen vor dem Hintergrund des Klimawandels schädlich. Schließlich sieht sie auch nicht den von der Stadt immer wieder genannten Bedarf zusätzlicher Gewerbeflächen.
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Garra: „Attendorn bietet bereits jetzt mehr Arbeitsplätze als Attendorner, die diese Arbeitsplätze ausfüllen können. Täglich kommen mehrere tausend auswärtige Arbeitnehmer in die Stadt. (...). Im Ergebnis wird Natur geopfert, damit Unternehmen Arbeitsplätze schaffen, die von auswärtigen Arbeitskräften besetzt werden müssen.