Hagen. Der Cargobeamer ist nach der Überzeugung vieler Techniker die Zukunft des Güterverkehrs - auch am Hagener Hengsteysee. Ein 700-Meter-Zug soll so innerhalb von 15 Minuten beladen sein. Einer Rechnung des Magazins “Der Spiegel“ zufolge lohnt sich der Umrüstungs-Aufwand aber finanziell nicht.
In Hagen hat so ziemlich jedes Argument mindestens drei Runden über die Stammtische gedreht. Der Rat der Stadt hat dem Cargobeamer-Konsortium die Schranke zum Hengsteysee derweil im vergangenen Jahr geöffnet. Während die Stadt und die Genehmigungsbehörde, der Regionalverband Ruhr (RVR), in Abstimmungsgesprächen stecken, hat das Nachrichtenmagazin Spiegel einen Blick über den lokalen Tellerrand hinaus geworfen. Hagen spielt bei dem Stück aus dem Ressort „Technik“ eine nicht ganz unwichtige Rolle. Die große internationale Vision, ihre lokalen Schönheitsfehler und eine heftig diskutierte Studie.
In Wolfsburg steht Pilotanlage
In Wolfsburg ist die Cargobeamer-Idee kein Diskussionsgegenstand bei Versammlungen in Gemeindehäusern, sondern vorzeigbare Pilotanlage. An ihrem Gleisanschluss betreiben die Logistiker von VW die Verladestation für Lkw-Auflieger. Der Chef der Cargobeamer AG und Erfinder des „Schubladenprinzips“, Hans-Jürgen Weidemann, preist gegenüber dem Spiegel seine Idee als die Zukunft des Güterverkehrs an. „Die Krananlagen sind teuer, oft überlastet und sie können nicht einmal zehn Prozent des Trailerbestands bedienen.“ Cargobeamer allerdings funktioniere schneller und günstiger und könne alle Aufliegertypen mitnehmen.
Während Weidemanns Argumente einen Kreis von Anteilseignern seit elf Jahren überzeugen, Geld in das Unternehmen zu buttern, pfeift man in Bathey, Boele und Hengstey auf die großen Visionen am Logistikhimmel. Cargobeamer schön und gut, aber am besten nicht in Hagen. Zu viel Lastverkehr, zu viel Lärm, insgesamt von allem zu viel Frequenz. Statt Auflieger auf Züge zu hieven, sollte das Freizeitgelände am Hengsteysee in den Augen vieler Bürger des Hagener Nordens lieber eine Aufwertung erfahren.
Die erwähnten Investoren der Beamer-Idee dürfte der lokale Gegenwind wenig jucken. Ihnen wehte dafür jüngst eine Studie kräftig um die Ohren. Die Frankfurter Beratungsgesellschaft Kombiconsult hat laut Spiegel den Cargobeamer und ein artverwandtes französisches System am Beispiel des Alpenverkehrs durch die Schweiz untersucht. Ergebnis: Das kranlose Beamen klappt zwar, ist aber zu teuer. Besondere Kostentreiber: die Spezialwaggons von Cargobeamer. Für sie müssten 140.000 Euro pro Stück aufgewendet werden.
Kran-Methode ist günstiger
Bei der alten Kran-Methode, so schreibt der Spiegel, gebe es für den Preis einen Doppeltaschenwagen, der direkt zwei Trailer aufnimmt. Die Studie rechnet vor: 810 Euro pro Auflieger im Cargobeamer-System auf der Strecke Köln-Mailand. Per Kran kostet es nur 580 Euro.
Cargobeamer-Chef Weidemann hat daraufhin protestiert und eine Unterlassung angemahnt. Er leugne nicht, dass seine Waggons teurer sind, wirft der Studie aber vor, die Kosten für Kranterminals stark untertrieben zu haben.
Anwaltskanzleien streiten sich
Nehme man die realen Werte, werde die Studie auf den Kopf gestellt. Die Studie ist jetzt Streitgegenstand zweier Anwaltskanzleien. Beide, so schreibt es der Spiegel, wirken auf einen außergerichtlichen Gesprächstermin hin, in dem geklärt werden soll, ob zentrale Aussagen der Studie korrigiert werden müssen.
Kombiconsult sei laut Spiegel kein unparteiisches Institut, sondern eine hundertprozentige Tochter und Interessenvertreterin des Kranverladers Kombiverkehr. Neutraler könnte die Berliner Studiengesellschaft für den kombinierten Verkehr die Sache bewerten. Problem nur: Beide Streitgegner sind Fördermitglieder des Vereins.
Debatte in der Sommerpause
Die Hagener Debatte macht derweil ein Sommerpäuschen. Die geplante Großanlage soll für Cargobeamer den Beweis erbringen, dass das System im großen Stil funktionieren und einen 700-Meter-Zug im Rekordtempo von 15 Minuten startklar machen kann. Eine politische Jamaika-Mehrheit im Rat hatte dem Cargobeamer-Konsortium die Schranke auf dem Weg zum Hengsteysee im vergangenen Jahr geöffnet und beantragt, den Regionalplan entsprechend zu ändern. Die vom RVR benötigten Unterlagen sind aber noch nicht vollständig. „Die Gespräche zwischen Stadt und uns gehen nach den Ferien weiter“, sagt RVR-Sprecherin Barbara Klask.