Hagen. Licht aus, Spots an – aus dem Nebel laufen die Basketball-Gladiatoren in die Ischeland-Halle ein. 3145 Besucher erheben sich wie eine Wand und machen sich und das Team rhythmisch applaudierend heiß für den nächsten Abend im emotionalen Schnellkochtopf Enervie-Arena. Aber haben auch alle bezahlt?

Ausverkauft – wie fast immer. Aber haben auch alle bezahlt? Eine Frage, die unsere Leser wiederholt an die Redaktion herangetragen haben – vor allem mit Blick auf stadtbekannte Politik-Größen.

Im VIP-Block tummeln sich vor allem Gäste von Sponsoren, die einer höflich gemeinten Einladung gefolgt sind. Unter Geschäftsleuten überhaupt kein Problem, solange nicht der Anschein einer unlauteren Beeinflussung des wirtschaftlichen Miteinanders besteht.

Neuer Leitfaden gibt die Regeln vor

Der künftige „Leitfaden der Stadt Hagen zur Korruptionsprävention für Mandatsträger“ sagt unter anderem: „Die Annahme von Geld, Sachgeschenken sowie immateriellen Vorteilen, bei denen auch nur ansatzweise ein Bezug zur Mandatsträgereigenschaft hergestellt werden kann, ist nicht zulässig.“

Zu Einladungen und Freikarten heißt es zudem: „Bei der Annahme von Einladungen ist stets zu prüfen, ob sich daraus Abhängigkeiten ergeben können. Im Zweifel ist Zurückhaltung zu üben. (...) Freikarten, deren Wert pro Karte einen Betrag von 50 Euro überschreitet, sind dem Oberbürgermeister anzuzeigen.“

Aber was ist beispielsweise mit dem Ratsherren oder Aufsichtsratsmitglied, das sich mit Gattin über Gratis-Business-Club-Tickets eines städtischen Tochterunternehmens freut? Hier beginnt eine juristische und damit auch strafrechtliche Grauzone zwischen Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme bzw. Bestechung und Bestechlichkeit. In diesem Grenzbereich sitzen zu einem launigen Phoenix-Sportabend eingeladene politische Amtsträger mit einem Bein auf dem VIP-Sitz und mit dem anderen beinah schon auf der Anklagebank.

Sensibilität nicht erst seit Wulff

Deutscher Olympischer Sportbund, Bundesinnenministerium und diverse deutsche Großsponsoren haben zu diesem nicht erst seit der Wulff-Affäre kritisch beäugten Themenfeld einen Leitfaden „Hospitality und Strafrecht“ entwickelt. Er soll abseits des mahnenden Korruptionszeigefingers wichtige Handlungsempfehlungen und Hilfestellungen zur korrekten Einladungspraxis von Unternehmen beispielsweise bei Sport-Events geben.

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Ziel ist es, durch verbesserte Rechtssicherheit den Rückzug von Sponsoren und somit eine damit einher gehende fatale Auswirkung auf den Sport zu verhindern. Schließlich fördert es keineswegs den Sportgenuss, wenn man als Eingeladener sich permanent sorgen muss, dass der Herr im Nebenblock mit dem knallbunten Fan-Schal im wirklichen Leben Staatsanwalt ist und lästige Fragen stellen könnte. Und auch der Einlader legt gewöhnlich keinerlei Wert darauf, im Zusammenhang mit Korruptionsermittlungen genannt zu werden.

Denn ohne die engagierte Unterstützung aus der heimischen Wirtschaft wäre das Phoenix-Projekt Basketball-Bundesliga kaum zu realisieren. Unternehmen wie die Hagener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (HVG) oder auch die Enervie-Gruppe sowie die Hagener Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft (HGW) betrachten es als Teil ihres Selbstverständnisses, sich am Ort ihres wirtschaftlichen Wirkens für Projekte im Sport- oder Kulturbereich zu engagieren, um dort Lebensqualität zu sichern.

Verflechtungen mit Phoenix - Kein bloßes Mäzenatentum 

Dabei geht es keineswegs um bloßes Mäzenatentum, sondern die Verflechtungen mit Phoenix Hagen fußen auf sauber ausverhandelten Werbe- und Kooperationsverträgen, die von Banden- und Trikotwerbung über Aktionstage und Testimonial-Kampagnen mit Profi-Spielern bis hin zu Business-Ticket-Paketen im Wert von etwa 2300 Euro pro Karte reichen.

„Es ist zutreffend, dass auf die vier Plätze der HVG auch Mitglieder unseres Aufsichtsrates mit Begleitung eingeladen wurden“, macht Geschäftsführer Christoph Köther keinen Hehl daraus, dass damit auch Vertreter aller Ratsfraktionen sowie der Oberbürgermeister als Aufsichtsratsvorsitzender bereits in den Genuss dieses Privilegs gekommen seien. „Niemand von denen ist von mir jedoch mehrfach eingeladen worden“, bezeichnet er jegliche Verdächtigung, dass damit auch wohlwollende Entscheidungen in dem HVG-Kontrollgremium herbeigeführt werden könnten, als „absurd“.

Neuer Leitfaden gibt die Regeln vor

Der künftige „Leitfaden der Stadt Hagen zur Korruptionsprävention für Mandatsträger“ sagt unter anderem: „Die Annahme von Geld, Sachgeschenken sowie immateriellen Vorteilen, bei denen auch nur ansatzweise ein Bezug zur Mandatsträgereigenschaft hergestellt werden kann, ist nicht zulässig.“

Zu Einladungen und Freikarten heißt es zudem: „Bei der Annahme von Einladungen ist stets zu prüfen, ob sich daraus Abhängigkeiten ergeben können. Im Zweifel ist Zurückhaltung zu üben. (...) Freikarten, deren Wert pro Karte einen Betrag von 50 Euro überschreitet, sind dem Oberbürgermeister anzuzeigen.“

Und geradezu „abwegig“ sei es zu unterstellen, dass er auf diesem Wege versuche, Entscheidungen zugunsten seiner Unternehmensführung zu beeinflussen. „Integrität ist mir ein sehr hohes Gut.“ Entsprechend vermisst der HVG-Chef bislang eine für alle Beteiligten Klarheit schaffende Compliance-Richtlinie in Hagen. Eine solche, die endgültige Klarheit auch für Politiker schafft, soll in den nächsten Tagen vom Rat verabschiedet werden (siehe Info-Box).

Leitfaden "Hospitality und Strafrecht"

Denn es bleibt allemal ein Geschmäckle, wenn Aufsichtsräte und Ratspolitiker, die unter anderem auch über den Arbeitsvertrag des Geschäftsführers entscheiden, sich von diesem im Gegenwert von deutlich mehr als 100 Euro einladen lassen. Müssten Politiker und Aufsichtsräte im Rahmen ihrer eigenen Sensibilität und Selbstverpflichtung nicht jeden Anschein vermeiden, dass damit berufliches Miteinander beeinflusst werden könnte? Und warum ein Basketball-Abend mit Begleitung?

Der „Hospitality-und-Strafrecht“-Leitfaden sagt dazu eindeutig, dass Einladungen grundsätzlich nicht für Partner und Familienangehörige des Eingeladenen gelten sollten. Es sei denn, es ist sozial üblich – beispielsweise bei einem Ball. Damit drängt sich aber auch die Frage auf, warum die VIP-Tribüne beim Seegeflüster in Hengstey regelmäßig mit Ratsmitgliedern und ihren Begleitungen prall gefüllt ist, die dort aus exponierter Perspektive nicht nur die Konzert-Acts verfolgen, sondern auch noch verköstigt werden? Gratis, versteht sich…

Unternehmen wird repräsentiert

HGW-Geschäftsführer Marco Boksteen nutzt die vier VIP-Tickets seiner Wohnungsgesellschaft ebenfalls, um sein Unternehmen zu repräsentieren und im Phoenix-Glanz in ein positives Licht zu rücken. „Natürlich sehen wir es auch als eine zentrale Aufgabe, uns für den Standort Hagen und das gesellschaftliche Leben in dieser Stadt einzubringen.“ Dabei würden die Karten seines Hauses nur äußerst selten an Aufsichtsräte vergeben, und auch er persönlich nutze sie nur sporadisch: „Diese Flanke möchte ich gar nicht aufmachen.“

Besonders professionell wird die Vergabe der acht Business-Tickets aus dem Sponsoring-Paket bei der Enervie-Gruppe betreut. Die Vorstandsassistenz achtet akribisch darauf, dass in den Genuss der Karten ausschließlich Geschäftspartner geraten. Und bei besonders kritischen Fällen blickt der Compliance-Beauftragte der Rechtsabteilung mal auf die Einladung.

Korruptionsrichtlinie bei Enervie

Grundsätzlich gilt: keine VIP-Karten für Amtsträger, Bürgermeister oder Vertreter der Finanzbehörden. „Die entsprechende Korruptionsrichtlinie ist bei uns Teil des Konzernhandbuches“, erläutert Unternehmenssprecher Uwe Reuter. „Die Funktion des Gastes darf nicht Grundlage des Besuches sein. Und unsere Aufsichtsräte sind ohnehin geschult. Die kennen ihre Rechte und Pflichten und wissen, dass ihr Handeln nicht mit Vorteilnahme verbunden sein darf.“