Hagen. . Wegen der Folgen der Energiewende ist ein Restrukturierungsprogramm geplant. Betriebsvereinbarungen wurden gekündigt. Neue Geschäftsfelder sollen gefunden werden.
Vergangenen Montag versuchte die Geschäftsführung auf parallelen Mitarbeiterversammlungen in Hagen, Lüdenscheid und Werdohl zu erklären, was seit Ende Juni für Aufregung bei den 1400 Beschäftigten der Enervie-Gruppe sorgt: Der Vorstand hat zum Jahresende alle 34 Betriebsvereinbarungen gekündigt, die derzeit bei Mark E, den Stadtwerken Lüdenscheid und Enervie Asset Network gelten. Das könnte zu spürbaren Einnahmeverlusten führen.
Verhandlungen im Herbst
Vorstandssprecher Ivo Grünhagen nennt für diesen Schritt zwei Gründe: Kurzfristig ging es um die Ausgliederung der 70 Mitarbeiter einer Bädergesellschaft, die bei den Stadtwerken Lüdenscheid angesiedelt war. Das sei aus steuerlichen Gründen sofort nötig, weil Verluste aus dem Bäderbetrieb nicht mehr mit Gewinnen der Stadtwerke verrechnet werden dürften. Die Kündigung der freiwilligen Zulagen und Sonderkonditionen für alle Mitarbeiter dagegen sei Teil eines konsequenten Kostenmanagements. In Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern sollten im Herbst die teilweise unterschiedlichen Betriebsvereinbarungen „harmonisiert und aktualisiert“ werden.
Grünhagen betont, die Hälfte der Vereinbarungen gelte trotz der Kündigungen weiter, bis eine neue Regelung gefunden sei. Dies betreffe beispielsweise die Erschwerniszuschläge. Daneben geht es um Deputate oder um die Zuteilung betriebseigener Wohnungen - die gar nicht mehr existieren. Und um die anteilige leistungsbezogene Vergütung. Zu der sagt Grünhagen: „Ich bin für ein Anreizsystem. Aber momentan können wir uns das nicht leisten.“
Insgesamt erwartet der Vorstandssprecher ein Sparpotenzial von deutlich über 15 Millionen Euro. Das beinhaltet Posten wie den Verzicht auf Jubilar- und Weihnachtsfeiern, Synergieeffekte durch die neue Firmenzentrale in Hagen-Haßley, die acht Standorte ersetzt, schnellere Entscheidungen und eine verstärkte Fokussierung auf das Wesentliche. Aber das werde nicht reichen, um die erwarteten Verluste von 30 Millionen Euro aus der Energieerzeugung aufzufangen. „Deshalb müssen wir neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln, um zusätzliche Marktpotenziale zu erschließen“, sagt Grünhagen. Daran arbeite ein internes Team. Ein Restrukturierungsprogramm mit bis zu 200 Einzelmaßnahmen soll am 5. September dem Aufsichtsrat vorgestellt werden.
Ursache der schwierigen Ertragslage ist die Energiewende: Durch stark subventionierten Solar- und Windstrom lassen sich viele für die Versorgungssicherheit notwendige konventionelle Kraftwerke kaum wirtschaftlich betreiben. Ein Beispiel: Die erst 2007 in Betrieb genommene Gas- und Dampfturbinenanlage in Herdecke wird 2013 wohl nur 500 Stunden laufen, statt 5000 wie geplant. „Uns war frühzeitig klar, dass 2013 schwierig wird“, erklärt Grünhagen. Das hänge damit zusammen, dass Kraftwerke drei bis vier Jahre im Voraus vermarktet würden. Man habe gehofft, die Politik werde Fehlsteuerungen korrigieren und Impulse setzen, um die notwendige Bereithaltung von Kapazitäten honorieren. Dies sei nicht geschehen und nun müsse man reagieren.
Mit einer Verschärfung bereits eingeleiteter Maßnahmen: „Wir sind vorbereitet und tun alles, um zu verhindern, dass das Unternehmen in eine Krise gerät. Auch die Anteils- eigner erwarten eine Dividende.“ Dies bestätigt - „insbesondere aufgrund der aktuellen Haushaltlage“ - für die Aktionärsseite Jörg Dehm (CDU), Oberbürgermeister der Stadt Hagen und Enervie-Aufsichtsratsvorsitzender.
Größter Wandlungsprozess
„Wir sind mitten im größten Wandlungsprozess der über hundertjährigen Unternehmensgeschichte“, betont Grünhagen. Man habe bereits Erfolge mit regenerativer Energie erzielt und 40 Megawatt Windkraft aufgebaut. „Aber mit neuen Projekten verdienen derzeit nur noch Windbauern und Projekteure Geld.“
Zu in anderen Branchen üblichen Marktmethoden könnten die Energieversorger nicht greifen: „Wenn wir den Strom verknappen, gehen in Südwestfalen die Lichter aus.“ Enervie wartet deshalb weiter auf eine Neudefinition des Marktes durch die Politik. Aber handelt unterdessen.