Hagen. Mit dem drohenden Wegfall der Enervie-Dividende werden aus der Politik erste Stimmen laut, dass dafür die Stadttöchter Sparkasse und HVG in die Bresche springen sollten, um den kommunalen Haushalt zu entlasten. Doch beide Unternehmen sehen hierfür keinerlei wirtschaftliche Spielräume.

Mit der Ankündigung der Enervie-Gruppe, zumindest in den nächsten beiden Jahren keine Dividende an die vorzugsweise kommunalen Anteilseigner ausschütten zu können, hat sich die Haushaltssituation für die Stadt Hagen erneut dramatisch verschärft. Damit dürfte das aktuelle Haushaltsloch sich rund um die 30-Millionen-Euro-Marke bewegen.

Eine Zuspitzung der Lage, die zumindest in der Politik verzweifelte Fantasien beflügelt. Denn plötzlich gewinnt die alte Idee, der Hagener Sparkasse statt sechs Millionen Euro Gewinnausschüttung kurzerhand mal zehn Millionen Euro als Zielerwartung in die Bücher zu soufflieren, bei einigen Vordenkern neuen Charme. „Das ist völlig unmöglich“, warnt Sparkassen-Vorstandsvorsitzender Frank Walter vor solchen Hasardeurs-Gedanken. „Um zehn Millionen Euro nach Steuern ausschütten zu können, bräuchte man vor dem Hintergrund von Belastungen wie zum Beispiel Basel III ein Betriebsergebnis von fast 40 Millionen Euro.“ Solche Betriebsergebnisse seien nicht zu erzielen.

Haus belege im Verband Platz 1

Walter verweist darauf, dass sein Haus bei den Ausschüttungen – gemessen an der Größe – schon heute im Verband Westfalen-Lippe Platz 1 belege. Dies sei das Ergebnis eines bereits in den 90er-Jahren eingefädelten Restrukturierungsprozesses: „Wir brauchen uns also nicht zu verstecken, aber eine Verdoppelung der Gewinnausschüttung ist wirtschaftlich nicht darstellbar.“

Gleichzeitig sicherte der Sparkassen-Chef für sein Haus trotz zu erwartender Zinssteigerungen zu, zumindest bis 2018 eine Ausschüttung von sechs Millionen Euro an die Stadtkasse zu planen. Für weitreichendere Forderungen bleibe jedoch keine Luft. Zumal sein Haus für die WestLB-Pleite noch bis in das Jahr 2028 alljährlich mit 1,5 Millionen Euro – insgesamt 42 Millionen Euro – geradestehen müsse.

„Bis 2018“, so Walter weiter, „erwartet die Branche für Tagesgeld und somit kurzfristige Finanzierungen einen Zinsanstieg von etwa zwei Prozent.“ Eine Entwicklung, die selbstverständlich dann auch den Etat der Stadt Hagen trifft: Angesichts eines Minus von gut 1,2 Milliarden Euro bedeutet jeder Prozentpunkt Zinssteigerung 12 Millionen Euro höheren Schuldendienst für den Kämmerer.

Parallel wird aktuell aber noch ein anderes städtisches Tochterunternehmen als potenzielle Melkkuh ins Gespräch gebracht: So mehren sich im Rathaus jene Stimmen, die die wegbrechenden Enervie-Millionen durch einen Griff in die Rücklagen der Hagener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft decken möchten.

Versuchung HVG-Rücklage

Immerhin verfügt das Verkehrs- und Bäderunternehmen – trotz bereits dramatischen Kapitalverzehrs in den Jahren 2002 bis 2007 in dreistelliger Millionenhöhe – noch immer über respektable Einnahmereste aus dem einstigen Stadtwerke-Verkauf an die Mark-E. Die Zinserlöse aus diesem Kapital sollten dazu dienen, das Straßenbahn-Defizit auszugleichen – ein Plan, der sich als blanke Illusion entpuppte. Dennoch dienen die verbliebenen Erträge bis heute dazu, das Defizit des Unternehmens abzumildern. Würde hier erneut die Kapitalbasis um zweistellige Millionenbeträge dezimiert, müssten künftige Generationen den Verlust teuer kompensieren.

HVG-Chef macht in einer Stellungnahme die Position seines Hauses deutlich: „Die HVG geht auf Basis einer früheren Vereinbarung mit der Stadt Hagen bislang davon aus, dass ein etwaiger Dividendenausfall der Enervie mit bis zu 6 Millionen Euro pro Jahr durch die Stadt Hagen ausgeglichen wird. Dies ist auch Basis der langfristigen Planungen. Sofern ein solcher Ausgleich nicht erfolgen sollte, würde dies bedeuten, dass das Risiko der wirtschaftlichen Entwicklung der am Markt agierenden Enervie auf die in der Daseinsvorsorge tätige HVG verlagert wird. Aus Unternehmenssicht wären solche Überlegungen klar abzulehnen, da die HVG eine Kompensation in dieser Größenordnung bei Aufrechterhaltung des heutigen Aufgabenspektrums nicht leisten könnte. Es käme zwingend zu einem erneuten Substanzverzehr. Das heutige Problem würde somit nicht gelöst, sondern in die Zukunft verschoben und die dann auf die Stadt Hagen zukommenden Belastungen wären noch höher als heute.“