Hagen-Delstern.

Selbstbewusst lächelt sie in die Kamera und zieht dabei frech an den eigenen Zöpfen, während im zarten Nieselregen Fahrzeuge die Delsterner Straße passieren. Die Figur auf dem Hof der Astrid-Lindgren-Schule, die möglicherweise nicht ganz zufällig an Pippi Langstrumpf erinnert, bekommt von ihrem Podest aus ganz gewiss viel mit vom Leben aber auch vom Verkehr im Viertel.

Letzteren erlebt auch Heide Zyche hautnah. Seit 1979 lebt und arbeitet sie gemeinsam mit ihrem Mann im Quartier. „Delstern ist immer ein Ort gewesen, an dem es ein enges Miteinander von Wohnen und Arbeiten gab“, so die 66-Jährige. Hier stehen Wohnhäuser in direkter Nachbarschaft zu Gewerbeflächen bzw. -betrieben. Dass es eine Umgehungsstraße gibt und die Delsterner Straße keine Bundesstraße mehr ist, bewertet sie positiv. Allerdings sei die Strecke für manche zur Rennstrecke geworden. „Das Aufkommen an Schwerlastverkehr hat zugenommen und wird möglicherweise noch zunehmen“, so ihre Wahrnehmung. Aus ihrer Sicht wäre hier eine Veränderung des Verkehrsverlaufes daher wünschenswert, insbesondere um die Nachtruhe der Anwohner zu gewährleisten.

Schritt für Schritt Änderungen

Ein anderes Bild ergibt die Szenerie im kleinen Wohngebiet unten an der Staplackstraße. Umgeben von Grün liegen neuere Bauten, die in den vergangenen Jahren an dieser Stelle entstanden sind, etwas abseits und nicht direkt an der Hauptverkehrsader. Folgt man der Seitenstraße hinauf, mündet sie direkt in die freie Natur.

Unser Spaziergang führt heute weiter entlang der Delsterner Straße. Hier stehen Gebäude, an denen die Zeit deutlich ihre Spuren hinterlassen hat und denen nur frische Farbe oder eventuell Renovierungen zu neuem Glanz verhelfen könnten. An anderer Stelle hingegen haben Eigentümer ihren Wohnhäusern zum Beispiel einen frischen Anstrich gegeben. Auch Wohnraum wurde in der Vergangenheit neu gestaltet. Das Gesicht des Viertels insgesamt verändert sich scheinbar nur Schritt für Schritt. Heide Zyche hat zudem einen Wechsel der Besitzer bzw. Mieter einiger Immobilien bemerkt: „Früher wusste man noch, wer in welchem Haus wohnte.“ Heute sei das oftmals anders.

Jugendliche halten zusammen

Was sich in den vergangenen Jahren allerdings nicht gewandelt hat, ist die Versorgung in Delstern. Gaststätten oder Lebensmittelgeschäfte sucht man hier seit Langem schon vergebens. Es gibt lediglich einen einzigen Kiosk. In ihrem kleinen Verkaufsraum verköstigen Zeynel und Murat Ceyhan die Bewohner nicht nur beispielsweise mit Backwaren oder Süßigkeiten. Dieser Ort hat eine weitere Funktion: Er fungiert als Treffpunkt und in gewisser Weise auch als Kommunikationszentrum. „Es kommen viele Menschen hierher, die mit uns auch über ihre privaten Probleme sprechen“, sagt Zeynel Ceyhan hinter seiner Ladentheke.

„Das Zusammenleben funktioniert sehr gut“, bemerkt der 46-Jährige. Insbesondere die Jugendlichen hielten gut zusammen. „Wir sind Sponsor der ‚Delsterner Kicker’“, sagt er und präsentiert stolz ein Foto der seit kurzem bestehenden Hobby-Fußballmannschaft. Einen Pokal haben die jungen Sportler auch schon bekommen, der nun im Kiosk seinen Ehrenplatz gefunden hat. Ihn haben sie für ihren Erfolg bei einem Fußball-Cup erhalten. Die beiden Brüder unterstützen aber nicht nur junge Fußballer, sondern sehen sich auch als Anlaufstelle für die Kinder des Bezirks. Mehr noch: „Wir werfen ein Auge auf das, was vor unserem Kiosk auf der Straße so passiert.“

Mehr Miteinander gewünscht

Mit ihrer Familie ist Melanie Born vor mehr als einem Jahr von Priorei nach Delstern gezogen. „Was die Umgebung betrifft, ist es natürlich auf dem Land schöner“, sagt die 37-Jährige und lässt ihren Blick an den Häuserfronten hinaufklettern. Ruhiger sei es aber in ihrer alten Wohnung auch nicht gewesen. „Ich finde positiver, dass wir nicht mehr so lange Wege haben, beispielsweise zum Sport, zur Arbeit oder zum Einkaufen.“ Schön finde sie auch, dass Sohn Marvin hier schnell Kontakt zu anderen Kindern in seinem Alter bekommen habe.

Mehr Miteinander und nachbarschaftlichen Zusammenhalt wünscht sich hingegen Heide Zyche im Viertel. „Es wäre schön, wenn es hier eine Bürgergemeinschaft gäbe.“ Auch hat sie Ideen, wie das Quartier attraktiver gestaltet werden könnte. So könne sie sich entlang der Volme einen Spazier- und Wanderweg – ausgehend von der Volmebrücke im oberen Bereich der Delsterner Straße bis ins Volmetal – vorstellen, an der beispielsweise kleine Skulpturen oder Stationen mit Informationen den Weg säumten. Vorbild könnte ihrer Meinung nach der so genannte „Berkelspaziergang“, ein Spazierweg in Billerbeck sein, den engagierte Bürger der Stadt dort ehrenamtlich geplant haben und der vor Ort durch Fördergelder und Spenden realisiert worden ist. Zudem vermisst sie auch ein Café oder einen Imbiss in ihrem Wohnquartier.

Konstruktive Verbesserungsvorschläge dieser Art dürften der Delsterner Version der Pippi Langstrumpf auf dem Schulhof der Astrid-Lindgren-Schule sicherlich ebenfalls gut gefallen. Welche Zukunft ihr und damit auch der Bildungseinrichtung blüht, die geschlossen werden soll? „Vielleicht gibt es ja dann Ideen, wie das Gebäude sozialen Zwecken zur Verfügung gestellt werden kann“, hofft zumindest Heide Zyche auf eine mögliche, zukünftige Nutzung.