Hagen. . Striktes Stillschweigen der Polizei war angesagt, denn sie wussten von einem Verbrechen, das in der Bevölkerung für Unruhe sorgen kann: Supermarkterpresser, die drohen, Lebensmittel zu vergiften. Im Oktober gab es einen verheimlichten Fall in Hagen – mit Ermittlungskommission und Lösegeldübergabe.

Im Prozess kam am Montag alles heraus, denn Frank B. (61) aus Wuppertal stand vor dem Schöffengericht. Er wurde zu zwei Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Richter Michael Brass sprach von einer „hässlichen, perfiden Straftat“.

Das dreiseitige Erpresserschreiben datiert vom 8. Oktober 2012. Es ist an die Zentrale einer Hagener Supermarktkette mit mehr als 130 Geschäften in ganz NRW gerichtet. Im scharfen Tonfall werden 63.000 Euro verlangt, ansonsten würde „das gesamte Sortiment von Molkereiprodukten mit Hydoxybutansäure (K.o.-Tropfen) vergiftet“. Und: „Sicher wissen Sie, was dieses Teufelszeug so anrichtet.“

Chemikalie sollte in Milchprodukte gespritzt werden

„Auch wenn Ihnen die geforderte Summe ungewöhnlich niedrig erscheint, sollten Sie nicht den Fehler begehen zu glauben, wir wären Dilettanten.“ In Tetrapackungen von H-Milch, Kondensmilch oder Sahne würde die Chemikalie eingespritzt, drohen die Täter zynisch an: „Leider ist der Einstich der Injektionsnadel an der entsprechenden Ware nicht sichtbar.“ Amtsgerichtsdirektor Oliver Hoffmann hat sich das Erpresserschreiben ganz genau angeschaut: „Wenn ich als Geschäftsführer diesen Brief erhalten hätte, wäre ich auch in großer Sorge um meine Angestellten und meine Kunden gewesen.“

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Die Geschäftsleitung der Supermarktkette reagierte auf den Drohbrief erfreulicherweise besonnen – und schaltete umgehend die Polizei ein. Im Präsidium an der Hoheleye wurde eine Ermittlungskommission gegründet, in der zehn Beamte Spuren auswerteten und die Geldübergabe vorbereiteten.

Geldübergabe war in Wuppertal geplant

Insbesondere ging man auf die Forderung der Erpresser ein, am 13. Oktober 2012 in einer Tagezeitung im Rheinland eine Annonce zu schalten. Darin wurde wie gewünscht die Handynummer veröffentlicht, unter der die Geldboten der Supermarktkette zu erreichen waren. Fünf Tage später, am 18. Oktober, kam um 13.59 Uhr tatsächlich eine SMS der Täter unter dieser Handynummer an: Die Geldübergabe solle sofort in Wuppertal erfolgen.

Frank B. sitzt schon wegen versuchter Tötung in Untersuchungshaft

Ein Mann und eine Frau machten sich umgehend mit der Geldtasche und den verlangten 63.000 Euro auf den Weg. Es waren aber keine Supermarktchefs, sondern zivile Ermittler der Polizei. Am Übergabeort erreichte sie bereits die nächste SMS der Erpresser: Die Geldtasche solle über eine Brüstung auf ein tieferliegendes Gartengelände geworfen werden. Die 63.000 Euro blieben jedoch im Rhabarber liegen. Sie wurden von den Erpressern nicht abgeholt. Gegen 18.30 Uhr sammelte das SEK die Scheine wieder ein.

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Erpresser Frank B., in Wahrheit ein Einzeltäter, beobachtete alles von seinem Schlafzimmer aus. Er wohnt in einem Wuppertaler Mehrfamilienhaus direkt neben der Geldübergabestelle, lugte während der Aktion ängstlich hinter der Gardine hervor. Im letzten Augenblick hatte der hoch verschuldete ehemalige Unternehmer noch weiche Knie bekommen.

Dem 61-jährigen droht Mordanklage

Sein Fall wurde aufwändig ermittelt, er selbst blieb aber auf freiem Fuß. Doch seit 12. März sitzt Frank B.. wegen eines versuchten Tötungsdelikts in Untersuchungshaft. Er soll seine Ehefrau mit einem Elektroschocker angegriffen und mit einem Holzknüppel niedergeprügelt haben. Dann habe er sie mit Klebeband gefesselt, ins Badezimmer geschleift, die Tür luftdicht verklebt und eine Gasflasche geöffnet, um sie und sich selbst zu töten. Hier droht dem 61-Jährigen eine Mordanklage.