Hagen. Seit Freitag wird die Familientragödie am Graf-von-Galen-Ring in Hagen juristisch aufgearbeitet. Vor dem Schwurgericht ist Osman Ö. angeklagt – ein Mann mit stechend scharfen Augen, der viel älter wirkt, als er ist: 40 Jahre. Er soll im Dezember seine Frau ermordet haben.

Die linke Wange von einer Kugel zerfetzt, aus dem Mund läuft Blut: Serdar Ö. (20) droht umzukippen, er stützt sich an der Hauswand ab: „Mein Vater hat geschossen, das Schwein.“ Der junge Mann hatte soeben die Hinrichtung seiner Mutter Elif (37) mit ansehen müssen – und war der eigenen Tötung nur knapp entkommen.

Seit Freitag wird die Familientragödie am Graf-von-Galen-Ring juristisch aufgearbeitet. Vor dem Schwurgericht ist Osman Ö. angeklagt – ein Mann mit stechend scharfen Augen, der viel älter wirkt, als er ist: 40 Jahre. Das mag an dem langen, weißgrauen Kinnbart liegen, der sein Gesicht wie eine wuschelige Halskrause umgibt.

Angeklagter schweigt am ersten Prozesstag

Am ersten Prozesstag ist zum Mordvorwurf kein Wort von ihm zu hören. Nur einmal, um 9.53 Uhr, unterbricht plötzlich die Dolmetscherin die Verhandlung, entschuldigt sich und übersetzt für den Angeklagten die Worte: „Er sagt, er möchte seinen Verteidiger nicht.“

Dabei hatte sich Anwalt Lutz Mollenkott bereits auf dem Gerichtsflur für seinen Mandanten ins Zeug gelegt und vor laufender ZDF-Kamera kritisiert, dass bis jetzt, zum Prozessbeginn, noch immer kein psychiatrisches Gutachten vorliege und er deshalb dem Angeklagten aus prozesstaktischen Gründen nur anraten könne, zu schweigen.

Nach einer einstündigen Unterbrechung und einem Vier-Augen-Gespräch sind alle Missverständnisse ausgeräumt und ist das Vertrauen zum Verteidiger zurück. Osman Ö. hält weiterhin artig den Mund.

Deshalb tritt Polizeibeamtin Susanne Kellner (44) in den Zeugenstand. Sie erinnert sich noch gut an den Vorfall, „weil er mich emotional mitgenommen hat“.

Die Anklageliste ist lang

Mit einem Kollegen befand sie sich an der Fußgängerampel gegenüber dem Hauptbahnhof, als sie vor dem griechischen Café Bato einen „Menschenauflauf“ entdeckte. Ein Junge kam ihnen entgegen, barfuß, an diesem eiskalten Dezembermittag. Es war der 13-jährige Sohn, der nur noch apathisch stammeln konnte: „Mein Vater hat geschossen.“

Mord, versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung und unerlaubter Waffenbesitz, listet Oberstaatsanwalt Wolfgang Rahmer auf. Dem sechsfachen Vater Osman Ö. wird vorgeworfen, am 7. Dezember in der Wohnung in der sechsten Etage seine Ehefrau durch zwei Pistolenschüsse tödlich verletzt zu haben. Ein Projektil drang in ihren Hinterkopf ein. Danach soll Osman Ö. die Kurzwaffe auf Sohn Serdar gerichtet haben. Zwei Schüsse trafen den 20-Jährigen an Hand, Ohr und Wange.

Osman Ö. sei ein Tyrann und massiv gewalttätig gewesen. Er hätte Ehefrau und Kinder willkürlich mit Gegenständen geschlagen. Wenn ihm das Essen nicht schmeckte oder zu spät serviert wurde, wäre er ausgerastet. Zu der Bluttat soll es gekommen sein, weil das Badezimmer angeblich nicht sauber genug war.

In der kommenden Woche müssen die Kinder in den Zeugenstand.