Hagen. . Bevor Edda Moser zum Weltstar avancierte, war sie zwei Spielzeiten lang am Theater in Hagen engagiert. 50 Jahre ist das mittlerweile her. Das intrigante Gehabe hinter den Kulissen habe ihr zu schaffen gemacht, erinnert sie sich. Diese bittere Erfahrung und vieles mehr hat die Sopranistin (74) in ihrer Biografie „Ersungenes Glück“ aufgeschrieben.
Sie hat mit Luciano Pavarotti, Placido Domingo und Nicolai Gedda auf der Bühne gesungen. Sie ist eine lebende Legende. Und doch wäre ihre Karriere beinahe gescheitert. Denn als Edda Moser Mitte der 60er Jahre ein Engagement am Hagener Theater hatte, wollte sie aufgeben. Ständig sei sie von den Alteingesessenen des Ensembles gekränkt und brüskiert worden: „Damals dachte ich: Ich bin dem Ganzen einfach nicht gewachsen. Also sagte ich mir: Ich lasse das Ganze, ich höre auf.“
Das schreibt Edda Moser (74), eine der größten Sopranistinnen und gewiss auch eine der größten Diven des 20. Jahrhunderts, in ihrer Biografie „Ersungenes Glück“. Mit ihrer Paraderolle, der „Königin der Nacht“ aus Mozarts Zauberflöte, wurde sie weltberühmt, sie sang an der Met in New York, der Scala in Mailand und der Staatsoper in Wien. Aber ihre Anfängerjahre führten sie von 1963 bis 1965 mit einem 800-Mark-Vertrag eben auch nach Hagen, wo sie wichtige Erfahrungen sammelte und den Theateralltag kennen lernte.
Schlechte Erfahrungen mit dem damaligen Kapellmeister
Die „Latrinen-Callas“ wurde sie damals genannt, weil sie sogar auf dem Klo übte, denn Edda Moser war auf eine außergewöhnliche Weise demütig, diszipliniert, ehrgeizig und fleißig. Das mag auch der Grund dafür gewesen sein, dass sie ihren Entschluss widerrief und ihre Karriere trotz der schlechten Erfahrungen, die sie mit dem damaligen Ersten Kapellmeister Heinz Rockstroh in Hagen gemacht hatte, fortsetzte.
Und als es drauf ankam, war sie da. In den entscheidenden Momenten ihres Lebens, beim Vorsingen vor Hans Werner Henze, Herbert von Karajan oder Met-Manager Rudolf Bing, bewies sie heiligen Mut und eiserne Nerven. „Das ist deine Chance, nutze sie“, habe sie sich stets vorgehalten, erinnert sich Edda Moser. Mittelmaß akzeptierte sie nicht, mit unbeirrbarer Geradlinigkeit feilte sie an ihrer Stimme und ihrer Laufbahn und erfuhr „diese beglückende Einsamkeit, diese Gnade, auf der Bühne zu stehen und zu singen. Wenn ich ganz eins wurde mit der Musik und dem darzustellenden Charakter – das war reine Seligkeit.“ Zum beruflichen gesellte sich allerdings kein privates Glück, sie habe eine verkorkste Ehe geführt, gestand die heutige Gesangsprofessorin erst kürzlich während einer Lesung aus ihrem Buch.
Schwere Zeit für Edda Moser nach dem Abtritt von der Bühne
Als Edda Moser 1994 von der Bühne abtrat, stürzte sie in ein Loch: „Die Leere, die mich nach 36 Berufsjahren befiel, war manchmal kaum auszuhalten. Ich ertappte mich dabei, wie ich abends beim Einschlafen dachte, ich würde am liebsten gar nicht mehr aufwachen.“ Heute ist die gebürtige Berlinerin Dozentin für Gesang an der Musikhochschule in Köln und versucht, bei ihren Studenten die gleiche Hingabe an den Beruf zu wecken, die sie selber auszeichnete. Die jungen Leute müssten eine Menge aushalten bei ihr, gibt Edda Moser zu, mit den Faulen und Arroganten habe sie keine Geduld. Es gebe Menschen, die behaupten, sie habe den Charme eines Dobermanns: „Was übrigens stimmt.“
Edda Moser mag keinen Widerspruch
Nein, Edda Moser mag keinen Widerspruch. Dass es seit sieben Jahren ein Festspiel der deutschen Sprache gibt, hat womöglich mit diesem Charakterzug zu tun. Einst forderte sie Nike Wagner, Leiterin des Kunstfestes Weimar, auf, große Schauspieler im Nationaltheater deutsche Klassiker lesen zu lassen. Und erhielt eine Absage: „Wenn sie sich sperrt, mache ich es selbst“, sagte sich Edda Moser. Und gründete das Festspiel der deutschen Sprache, auf dem jährlich im Goethe-Theater Bad Lauchstädt (Sachsen-Anhalt) bekannte Schauspieler wie Corinna Harfouch oder Sebastian Koch in Lesungen Ästhetik und Eigenart der deutschen Sprache präsentieren. Selbst für ihre einwandfreie Diktion berühmt, will Edda Moser ein Zeichen gegen den Sprachverfall setzen: „Unsere große deutsche Sprache ist in Gefahr.“
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Am liebsten würde sie wohl auch das Musiktheater reformieren. Sie geht nicht mehr hin, sie will sich ihre schönen Erinnerungen aus der Glanzzeit der Oper nicht von Regisseuren kaputt machen lassen, die meinen, mit Gewalt etwas Neues in einem hunderte Jahre alten Werk entdecken zu müssen. Manchmal seien die Stücke nicht mehr wiederzuerkennen, bedauert sie, die Inszenierungen passten häufig weder zur Musik noch zum Text: „Dabei liegt die Wahrheit doch in der Musik“, beschwört Edda Moser die Wirkung von Melodie und Klang und spricht damit vielen Opernliebhabern aus dem Herzen: „Und der Regisseur sollte der Musik dienen. Aber diese Zeiten sind wohl vorbei. Nein, das tue ich mir nicht mehr an.“
Intrigen hinter den Kulissen im Hagener Theater
Vor 50 Jahren, als sie in Hagen lebte und sang, war das Theater noch so, wie sie es mochte. Mit dem damaligen Geiger Ernst Wirkner und dessen Frau Christa etwa verbindet sie lebenslange Freundschaft und unverbrüchliche Treue. Aber das intrigante Gehabe hinter den Kulissen machte der aufstrebenden Künstlerin doch zu schaffen. Was das angeht, sei sie an der Volme erzogen worden, erinnert sich Edda Moser. Nach irgendeiner Premierenfeier sei sie in einer Bar von der damaligen Hagener Operettendiva Rita Zorn angefahren worden: „Was wollen Sie denn hier, wir wollen doch unter uns sein.“ Edda Moser blickt heute aus der Distanz von fünf Jahrzehnten auf jene Situationen zurück: „Ich ging meinen Weg. Frau Zorn blieb in Hagen.“