Hagen-Haspe. Nach jahrelanger Suche hat Filomena Maria Frutuso Santos wieder eine Stelle gefunden. Das Jobcenter Hagen hat die taubstumme Frau an die Firma Proment in Haspe vermittelt..
Das Radio übertönt die Nähmaschine. Das Tackern der Nadel hört Filomena Maria Frutuso Santos nicht. Auch nicht das spezielle Rappeln des Gerätes, wenn die Spule des unteren Fadens leergelaufen ist. Dafür nimmt sie die Bässe wahr, die aus den Boxen dröhnen. So laut, dass ihr Chef Tim Rutenbeck manchmal in die Werkstatt kommt und den Regler etwas herunterdreht.
Filomena ist taubstumm. Sie hört fast nichts. Jeden Tag begrüßen sie die Kollegen in der Gebärdensprache. Mit der Hand zeichnen sie den Weg einer aufgehenden Sonne vor dem Körper in die Luft. Das bedeutet: „Guten Morgen.“ Wenn sie an ihrem Arbeitsplatz sitzt, geht die Sonne für die 46-jährige Mutter auf. Filomena, die neun Jahre lang verzweifelt eine Arbeitsstelle gesucht hat, kann wieder strahlen. „Seitdem sie diese Stelle hat, ist sie wie ausgewechselt“, sagt ihr Mann Ralf Frutuso Santos (49). „Wir haben in all der Zeit so viele Bewerbungen geschrieben. Immer wieder kamen Absagen. Das war sehr belastend. Die Behinderung war für viele Arbeitgeber ein Totschlagargument.“
„Ganz anderes Arbeitsgefühl“
Nicht so für Tim Rutenbeck, Inhaber der Firma Proment in Haspe. Fünf Mitarbeiter zählt sein kleines Unternehmen, das sich auf die Herstellung von Zurrgurten spezialisiert hat und daneben Antirutschmatten und Zurrketten vertreibt. „Ich telefonieren regelmäßig mit dem Arbeitgeberservice des Jobcenters“, sagt Rutenbeck, „wir haben guten Kontakt. Es war in der Woche der Schwerbehinderung, als man mich gefragt hat, ob ich mir vorstellen könnte, einen Menschen mit Behinderung anzustellen.“
Rutenbeck zögert nicht und bereut seinen Entschluss in keiner Sekunde. „Filomena hat ein ganz anderes Arbeitsgefühl“, sagt er über die gelernte Schneiderin, „man hat gespürt, welche Lust sie auf den Job hatte. Sie ist hochmotiviert, bringt ihre eigenen Ideen ein und belebt den Betrieb.“ Die Kommunikation funktioniert anfangs mit Händen und Füßen und mit Zettel und Stift. „Sie sitzt meist mit dem Rücken zu ihrem Kollegen“, sagt Tim Rutenbeck, „der spricht beharrlich auf sie ein. Ich weiß nicht genau wie: Aber die beiden verstehen sich.“ Manchmal reicht eines Geste, manchmal ein Blick, manchmal ein Handzeichen. Damit die Verständigung noch besser funktioniert, will Ralf Frutuso Santos alle Mitarbeiter in Gebärdensprache schulen.
LWL finanziert neue Nähmaschine
Der Landschaftsverband Westfalen Lippe (LWL) finanziert die Anschaffung einer Nähmaschine, die optische Signale gibt. Die Jobagentur unterstützt die Eingliederung von Schwerbehinderten je nach Fall mit bis zu 70 Prozent der Lohnkosten, die bis zu 96 Monate lang übernommen werden.
Filomena Maria Frutuso Santos und die Firma Proment geben ein Paradebeispiel für gelungene Eingliederung. Gleichwohl ist es schwierig, Menschen mit Behinderung zu vermitteln, weiß Anja Spiecker-Kondritz, Teamleiterin Schwerbehinderte beim Jobcenter. Insbesondere, wenn die Einschränkungen vielfältig sind. „Bis Ende November haben wir in 2012 70 Kunden wieder integriert. 482 schwerbehinderte Arbeitslose sind allein bei uns gemeldet. Aber darunter sind eben auch viele Goldstücke.“
Wie Filomena Maria Frutoso Santos. „Wenn sie etwas besonders gut gemacht hat“, erklärt Tim Rutenbeck, „dann sagen wir ihr, das sei ,filomenal’ gewesen. Das ist bei uns mittlerweile zum geflügelten Wort geworden. . .“