Hagen. Sie sind behindert. Und sie haben die volle Akzeptanz ihrer Chefs. Lisa Dressel, Uwe Radola, Benjamin Henning und Christiane Urbanski füllen den vielerorts nicht in die Wirklichkeit verpflanzten Begriff der Inklusion mit Leben. Beim „Branchengespräch Gesundheit und Pflege“ im Lukaspark saßen die vier mit am Tisch.

Experten der Arbeitsagentur und Verantwortliche des Hagener Pflegeunternehmens Haus Wohlbehagen auf der einen, Pflegefachkräfte auf der anderen Seite des Tisches. Viele Köpfe, ein Konsens: Der Pflegebereich muss sich der Integration behinderter Arbeitnehmer noch stärker öffnen. Speziell vor dem Hintergrund des immer tiefere Lücken aufreißenden Fachkräftemangels.

Rund acht Prozent der Arbeitslosen in Hagen sind schwerbehindert. Unter ihnen befinden sich jede Menge arbeitswillige, gut ausgebildete Fachkräfte, die vielerorts nicht die Chance erhalten, die der Gesetzgeber sich von der Pflichtquote versprochen hatte. Das Resultat: Viele Arbeitgeber zahlen immer noch lieber bis zu 290 Euro Ausgleichsabgabe monatlich pro nicht (schwerbehindert) besetztem Arbeitsplatz.

Sorge vor akademischen Anforderungen an den Pflegeberuf

Das Haus Wohlbehagen gehört zu den wachsenden Privatunternehmen im Pflegebereich. Seit 1992 wurde es systematisch ausgebaut und weiterentwickelt. In sieben verzahnten Unternehmungen arbeiten – Hilfskräfte inklusive – rund 300 Menschen. 35 davon haben eine Behinderung. „Durch die ständige Expansion können wir auch solchen Mitarbeitern immer neue Perspektiven bieten“, ist Willi Strüwer, Betriebsleitung Dienstleistungen für Gesundheitswesen, stolz. „Bei uns haben behinderte Menschen die Chance, in allen Bereichen, von der Haustechnik bis zur sozialen Betreuung, tätig zu werden.“ Strüwer blickt allerdings mit Sorge auf die akademischen Anforderungen, die künftig an den Pflegeberuf gestellt werden sollen. „Das lässt viele gute und für diesen Beruf geeignete Menschen außen vor.“

"Einstellung behinderter Menschen für alle ein Vorteil"

Damit Arbeitsplätze wie die von Lisa Dressel (Hauswirtschaftsbereich, erkrankt an Diabetes mellitus Typ 1), Uwe Radola (Hausmeisterei, Neueinstieg nach schwerem Unfall), Benjamin Henning (Verwaltung und Koordination, Rollstuhlfahrer) und Christiane Urbanski (Soziale Betreuerin, stark hörbehindert) geschaffen werden können, brauche es die Flexibilität der Arbeitgeber. Ihr Tipp: „Hören sie auf die behinderten Bewerber. Sie wissen am besten, was sie brauchen, um ihre Arbeit gut zu machen.“

Carsten Kunz, Personalleiter bei Wohlbehagen: „Wir müssen alle noch mehr Überzeugungsarbeit leisten. Es muss deutlich werden, dass die Einstellung eines behinderten Menschen für alle Beteiligten ein Vorteil ist.“