Hagen. Es gibt mehr Radwege, es gibt mehr Busspuren, es gibt Car-Sharing und E-Scooter: Warum die Verkehrswende in Hagen trotzdem Zeit braucht.
Thomas Köhler erzählt sein eigenes Beispiel. Wenn er sich auf Emst auf sein E-Bike setzt und sich auf den Weg ins Rathaus in der Innenstadt von Hagen macht, dann ist er nur sieben Minuten unterwegs. Was er aber braucht, sind starke Nerven. Spätestens in jenem Moment, in dem er mit seinem Fahrrad auf den Innenstadtring fährt. Da fehlt die eigene Spur für Radfahrer und Autos und Lastwagen drücken von hinten und von der Seite.
Thomas Köhler befasst sich von Berufswegen mit dem, was er selbst des Morgens auf dem Rad voranbringen möchte: der Verkehrswende in Hagen. Und weil er in einer finanziell gebeutelten Kommune, in der sich schon aus pekuniären Gründen nicht massenweise Straßen umgestalten und Radwege neu bauen lassen, zu einem Experten geworden ist, ist er einer von jenen, die im Ratssaal auf dem Podium sitzen. Da lädt die Fernuniversität für den 6. Juni (17 Uhr) zu einer sogenannten Ringvorlesung Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit, an der jeder teilnehmen kann und die von WP-Redakteur Jens Helmecke moderiert wird. Thema: „Verkehrswende in der Stadt – aber wie?“.
Verkehrswende lässt auf sich warten
Dabei geht es nicht nur um Hagen. Aber Hagen liefert ein gutes Beispiel dafür, dass die Verkehrswende zwar gewollt ist, eine Umsetzung sich aber zeitweise zäh gestalten kann. „Selbst wenn wir das Geld hätten, Verkehrsflächen alle sofort umzugestalten, wie es vielleicht notwendig wäre“, sagt Köhler, „so haben wir in den letzten Jahren immer wieder gesehen, welche große Rolle das Thema Akzeptanz spielt. Es geht eben auch darum, dass wir die Köpfe der Menschen erreichen, dass wir ein Umdenken bewirken.“
Eine Sicht, die Jessica Bönn, eine der Initiatorinnen der Bewegung Hatopia, die unter anderem den Parking-Day in Wehringhausen organisiert hat und von Beruf Psychologin ist, unterstreicht: „Verhaltensänderungen zu bewirken, ist das Allerschwerste. Das sehen wir nicht nur im Verkehrsbereich. Die Bedingungen müssen so einfach wie möglich sein. Die Themen Sicherheit und Zeitersparnis spielen immer eine Rolle.“
Das Auto als Statussymbol
Ein Beispiel dafür: eine Umfrage zu ihrem Mobilitätsverhalten unter Auszubildenden im Märkischen Kreis. „Dabei ist herausgekommen, dass ein vergleichsweise großer Teil zunächst das Fahrrad nutzt“, sagt Dr. Katharina Ebner, Wissenschaftlerin an der Fernuniversität, „sobald sie es sich leisten können, steigen sie allerdings um auf das Auto. Dahinter stehen Aspekte wie Status, Wohlstand und aber auch Bequemlichkeit. Ein Auto ist aber auch ein Beispiel für das berufliche Vorankommen.“ Auch Studenten der Fernuni selbst - so habe eine Umfrage ergeben - sähen im Fahrrad keinen „Nachhaltigkeitstreiber“.
Dabei geht es bei der Veranstaltung in Hagen auch um Positivbeispiele: „In Wien, Berlin und Stockholm gibt es gelungene Mobilitäts-Experimente“, sagt Prof. Alfred Endres, Forschungsschwerpunkt „Energie, Umwelt & Nachhaltigkeit“. „Davon kann man lernen: Es geht um Attraktivität, darum, was man ändern muss, damit Menschen alternative Verkehrsmittel auch nutzen. Nichts davon wird man eins zu eins übertragen können - aber der Blick auf Andere ist immer anregend.“
Kritiker sind willkommen
Dabei brauche es - so die Experten - gute Argumente für diejenigen, die umsteigen sollen. „Menschen benötigen einen Impuls“, sagt Katharina Ebner, „und wenn der des Umweltschutzes zu weit weg ist, weil man überlegt, welch geringen Beitrag man doch nur durch eine Änderung des eigenen Verhaltens erzielen kann, dann ist im Fall eines Umstiegs aufs Fahrrad auch die Förderung der eigenen Gesundheit ein guter Grund.“
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Letztlich sollen mit der Ringvorlesung auch Kritiker erreicht werden. „Ich würde mich freuen, wenn auch viele kämen, die noch nicht von der Verkehrswende überzeugt sind“, so Thomas Köhler, „das macht doch den Reiz einer solchen Veranstaltung aus.“