Hagen. Die Produktion von Batterien bei Hawker, Varta oder der Accu hat Hagen geprägt. Jetzt ist damit Schluss – eine Einordnung.
Was im Dezember 1887 mit der ersten Produktionsstätte für Batterien seinen Anfang nahm, wird voraussichtlich im Sommer 2021 sein Ende finden: Die einstige Accumulatorenfabrik in Wehringhausen, die heute unter dem Dach des Mutterkonzerns Enersys mit dem Label Hawker Batterien herstellt, wird 200 Arbeitsplätze abbauen. Die Produktion von Batterien in Hagen wird eingestellt.
„Das ist schockierend“, sagt der Historiker Dr. Ralf Blank, Leiter des Fachdienstes Wissenschaft, Museen und Archive der Stadt Hagen. Er steht kurz vor der Fertigstellung eines Buches („800 Seiten, ein bisschen muss ich noch kürzen“) über das Unternehmen. Allein das unterstreicht die Bedeutung, die die Firma für die Entwicklung der Stadt Hagen gehabt hat.
Stilllegung der Produktion bei Hawker ist ein harter Einschnitt
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Aber auch mit dieser Bedeutung ist nun ausgerechet in jenem Jahr, in dem die Stadt Hagen ihr 275-jähriges Jubiläum feiert, Schluss. „Das ist ein ganz harter Schnitt“, sagt Blank, „ein richtiger Cut – wirtschaftlich natürlich, aber auch historisch betrachtet.“
Denn die junge Accumulatorenfabrik, die Adolph Müller gegründet hatte („Eine Wette auf die Zukunft“), entwickelte sich rasant. „Schon um die Wende zum 20, Jahrhundert war Hagen die Electric-City“, sagt Ralf Blank, „elektrische Straßenbahnen, eine elektrische Beleuchtung, das erste Elektroauto, das je gebaut wurde – all das hat seinen Ursprung in Wehringhausen. Ohne die Accumulatorenfabrik hätte sich dieser Stadtteil niemals so entwickelt.“
Produktion von U-Boot-Batterien hat Standort Hagen geprägt
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Hinzu kommt die U-Boot-Batterien-Produktion, die nach der Jahrhundertwende begann und die Hawker in Hagen bis heute prägt. „Ohne die Forschung in Hagen, ohne das Wissen der Ingenieure , ohne die Produktion wären die deutschen U-Boote im Zweiten Weltkrieg unter Wasser keinen einzigen Meter gefahren“, sagt Ralf Blank.
Hawker beendet lange Tradition in Hagen
Aber bereits im Ersten Weltkrieg waren Boote mit Technik aus Hagen an Bord unterwegs. „U-Boote waren in beiden Kriegen die Hauptwaffe der deutschen Marine“, so Blank. „Die Ausrufung des ,uneingeschränkten U-Boot-Kriegs’ war der Grund für den Kriegsbeitritt der USA.“ Ab 1904, so Blank, seien in Hagen entsprechende Batterien hergestellt worden. „Das hat letztlich dazu geführt, dass es bereits im Ersten Weltkrieg Pläne für Luftangriffe auf Hagen gab“, so Blank. Umgesetzt worden sind sie jedoch nicht.
Hagen und Accumulatorenfabrik Ziel von Bombenangriffen
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Anders jedoch nicht einmal drei Jahrzehnte später. Denn da war diese so kriegswichtige Produktion in Wehringhausen - die nicht unumstrittene Unternehmerfamilie Quandt hatte 1923 die Fabrik übernommen - einer der Gründe für die drei großen Bombenangriffe der Alliierten im Zweiten Weltkrieg, bei denen tausende Hagener ums Leben kamen. „Wenngleich man im Nachhinein sagen muss“, so Blank, „ dass der Standort Hagen von den Engländern und Amerikanern falsch eingeschätzt worden ist , sonst wären die Folgen für die Stadt wohl noch viel dramatischer gewesen.“ Von einer „Hamburgisierung“ spricht der Historiker in Anlehnung an die Hansestadt, in der nach den Angriffen kein Stein mehr auf dem anderen stand.
Mehr als 6000 Menschen arbeiteten in den Kriegstagen in der Accumulatorenfabrik. „ Darunter waren allerdings auch viele Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene “, sagt Ralf Blank. „Diese Zeit zählt eher zu den düsteren Kapiteln der Firmengeschichte .“ Vertrieb und Entwicklung von U-Boot-Batterien sind bis heute in Hagen angesiedelt. „Die Produktion von U-Boot-Batterien“, so Blank, „ist bereits im Jahre 2011 zu großen Teilen nach Bulgarien verlagert worden.“
Gute Arbeitsplätze für tausende Hagener
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Große Bedeutung hatte die Produktionsstätte, gleich ob als Accumulatorenfabrik, als Accu, als Varta, als Enersys oder zuletzt als Hawker, aber auch als Arbeitgeber für die Hagener. „Hier gab es immer schon gute Arbeitsplätze“, sagt Blank, „die Mitarbeiter sind qualifiziert worden, waren Spezialisten auf ihrem Gebiet. Hinzu kommt, dass man sich schon sehr früh mit der Thematik Gesundheit befasst hat, was auch damit zusammenhing, dass viele mit giftigen Stoffen umgehen mussten.“ So hätten die Mitarbeiter beispielsweise gratis Milch erhalten, weil das die Bleibelastung kompensiere.
Die Stadt Hagen hat zuletzt immer wieder Batterien (teilweise menschengroß) sowie historische Dokumente übernommen. Die Geschichte des Unternehmens wird fortleben – zumindest im Stadtmuseum.