Wehringhausen. . Kriegsgefangene mussten während der NS-Zeit in der Accumulatorenfabrik in Wehringhausen arbeiten. Davon profitierte der Groß-Industrielle Günther Quandt, der das Werk in den 20er Jahren gekauft hatte. Über die Familie und ihre Vergangenheit referiert Prof. Joachim Scholtyseck am Donnerstag, 19. Januar, 19.30 Uhr.
Ein Konzentrationslager wurde neben ihrer Fabrik in Hannover-Stöcken errichtet. Kriegsgefangene mussten in ihren Werken unter härtesten Bedingungen schuften. Auch in der Accumulatoren Fabrik in Wehringhausen kamen sie zum Einsatz. Im Dritten Reich haben Günther und Herbert Quandt das Familienvermögen vergrößert. Darüber spricht der Historiker Prof. Joachim Scholtyseck am Donnerstag, 19. Januar, 19.30 Uhr, im Historischen Centrum.
Jahrzehnte haben Quandts Erben über diese dunklen Seiten der Familiengeschichte geschwiegen. Jetzt haben Mitglieder einer der reichsten Familien Deutschlands (geschätztes Vermögen: 20 Milliarden Euro) ihr Schweigen gebrochen.
Zwangsarbeiter beschäftigt
In einem Interview mit der Wochenzeitschrift Die Zeit haben Ende September Gabriele und Stefan Quandt (Großaktionär bei BMW) über ihren Großvater Günther gesprochen. Er war es, der die Unternehmensgruppe - darunter auch die Accumulatoren Fabrik (AFA) in Wehringhausen - in NS-Zeit ausbaute und Zwangsarbeiter in seinen Werken beschäftigte.
Maßgeblichen Anteil an den Erkenntnissen über Quandt und das im Volksmund nur Accu genannte Werk haben auch die Forschungen des Hagener Historikers Dr. Ralf Blank, der die Abteilung Geschichte, Archäologie und Geologie des Historischen Centrums leitet. „Das Schweigen der Quandts“ hieß eine preisgekrönte ARD-Dokumentation, die das Verhalten von Günther Quandt und Sohn Herbert im Dritten Reich anklagte und die die Autoren auch nach Hagen führte. Ein Film, für den auch Blank interviewt wurde, und der die Familie nach der Aussage ihres Sprechers so sehr bewegte, dass sie selbst den Bonner Historiker Prof. Scholtyseck mit einem Forschungsprojekt beauftragten. Ihm öffneten sie die Archive.
„Der Aufstieg der Quandts“
Das Ergebnis ist das 1200 Seiten umfassende Buch „Der Aufstieg der Quandts“, das auch das Stammwerk der Accumulatoren Fabrik (später Varta) ausführlich thematisiert. Die AFA gehörte Günther Quandt seit 1922.
„Die Ergebnisse meiner Forschung werden dadurch in einen größeren Zusammenhang gestellt“, so Dr. Ralf Blank, dessen Arbeiten (unter anderem das Buch „Hagen im Zweiten Weltkrieg“) für Scholtyseck zu den wichtigsten Quellen gehören. „Nämlich in den der Geschichte der Familie und der umfangreichen Firmengruppe.“
„Geschickter Opportunist“
Scholtyseck und Blank sind sich in ihrem Urteil über Günther Quandt einig. „Er war ein geschickter Opportunist“, so Scholtyseck in einem Interview der Wirtschaftswoche. „Skrupellos nutzte er alle Möglichkeiten, die ihm das nationalsozialistische Regime bot.“
Dabei spielte der Standort Hagen eine zentrale Rolle. „Das AFA-Werk war im Dritten Reich und auch schon vorher der wichtigste Arbeitgeber der Stadt“, so Ralf Blank, „zeitweise wurden hier mehr als 6000 Arbeitskräfte beschäftigt. Schon vor dem ersten Weltkrieg wurden hier Batterien für U-Boote gebaut. Im Dritten Reich knüpfte man an diese Tradition an. Schon vor der eigentlichen Wiederaufrüstungen gingen 1934 die ersten U-Boot- und Torpedobatterien nach Kiel und Hamburg.“
Buch über Geschichte der Accu
Im Krieg wurden Gefangene als Arbeitskräfte eingesetzt, um die Produktion aufrechtzuerhalten. In anderen Werken wie Hannover-Stöcken kamen auch KZ-Häftlinge zum Einsatz.
Blank arbeitet derzeit an einem Buch über die 125-jährige Geschichte der „Accu“. Hierfür sucht der Historiker noch Zeitzeugen und Mitarbeiter, die mit Aufzeichnungen, Fotos und Erinnerungen einen Beitrag zur Forschung leisten wollen.