Hagen. Die Enersys-Zentrale sieht keine Zukunft mehr für die Hawker-Batterie-Produktion in Hagen. Hier die Hintergründe zur Entscheidung aus den USA.
Die traditionsreiche Batterieproduktion in Hagen , die bis ins 19. Jahrhundert zurückgreift, steht vor dem Aus.
Die Enersys-Konzernzentrale in den USA hat der Hawker-Belegschaft in Hagen eröffnet, dass die Produktion am Standort Wehringhausen zum 30. Juni 2021 eingestellt werde. Es soll lediglich ein kleinerer Montagebereich erhalten bleiben. Die Mitarbeiter wurden bereits am Mittwoch in kleinen Meetings entsprechend informiert. Davon betroffen sind zunächst einmal 200 Arbeitsplätze in der Produktion . Die 180 Kollegen im Bereich der Administration, bei Service, Vertrieb, Controlling, IT, Sicherheitsdienst und Verwaltung, deren Außendienstkräfte zum Teil weltweit unterwegs sind, können derweil auf eine Weiterbeschäftigung hoffen.
Massive Verluste am Standort Hagen
Auch interessant
„Nachdem in den letzten 12 Monaten am Produktionsstandort Hagen massive Verluste generiert worden sind und die Auslastung des Werkes dieses Jahr unter 50 Prozent lag, hat sich der Enersys-Konzern entschieden, die Produktion am Standort Hagen zu schließen“, heißt es in einer am Mittag von Geschäftsführer Magnus Becker verbreiteten Erklärung. „Die Erwartungshaltung des Konzerns ist, dass der Markt im Bereich der klassischen Bleibatterien nicht wieder gesteigert wird und somit Überkapazitäten abgebaut werden müssen.“
Enersys werde das Unternehmen Hawker in Hagen als Vertriebsgesellschaft fortführen, „so dass ein Teil der heutigen Verwaltung und die Arbeitsplätze der Vertriebsmitarbeiter erhalten bleiben“, heißt es in dem Hawker Statement. „Zudem sitzen weiterhin zahlreiche Mitarbeiter, die Funktionen auf europäischer oder weltweiter Ebene ausführen, am Standort in Hagen. Die Schließung der Produktion ist ein massiver Schlag für die betroffenen Mitarbeiter und das Hagener Unternehmen , in welchem in den letzten fünf Jahren noch einige Investitionen durchgeführt worden sind. Die signifikante Marktveränderung führte dann zu dieser Konzernentscheidung“, so die von Becker verbreitete Erklärung.
Rückendeckung der IG Metall
Der IG-Metall-Bevollmächtige Jens Mütze hat in einer ersten Reaktion die überraschende Nachricht im Austausch mit der örtlichen Geschäftsführung zunächst einmal schockiert, aber inhaltlich unkommentiert zur Kenntnis genommen. „Natürlich werden wir versuchen, Alternativen zu erarbeiten“, kündigte er im Gespräch mit der Stadtredaktion an.
Dazu werde die Gewerkschaft in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat auch externen Sachverstand heranholen, um alternative Strategien aufzuzeigen. Andernfalls gehe es darum, das Ende möglichst sozialverträglich zu gestalten und den Abschied aus Hagen dem Konzern „so teuer wie möglich zu machen“, sicherte Mütze die volle gewerkschaftliche Unterstützung zu.
Spekulationen im Unternehmen
Auch interessant
Im Unternehmen selbst wird derweil spekuliert, ob Hawker am Standort Hagen den fortschreitenden Wechsel von der Blei- zur Lithium-Technologie verpasst habe. Die Kapazitäten in Wehringhausen könnten in eine Produktionsstätte in Polen verlagert werden, die dann entsprechend besser ausgelastet wäre.
Der US-amerikanische Mutterkonzern hatte gegenüber Aktionären angekündigt, durch die Schließung der Hagener Produktion jährlich rund 17 Millionen Euro (20 Millonen US-Dollar) Kosten einsparen zu können.
Standort mit großer Tradition
Der Enersys-Konzern mit Fertigungs- und Vertriebsstandorten rund um den Globus, zu denen auch die Hawker-Dependance in Hagen zählt, gilt als weltweit führender Anbieter von Energiespeicherlösungen für industrielle Anwendungen mit Sitz in Pennsylvania. Das Unternehmen fertigt und vertreibt Fahrzeugantriebsbatterien, Batterien für stationäre Anwendungen, Ladegeräte, Stromerzeuger und Batteriezubehör. Fahrzeugantriebsbatterien aus Hagen werden beispielsweise in elektrischen Gabelstaplern oder auch in den ICEs der Bahn sowie in anderen kommerziellen Fahrzeugen mit elektrischem Antrieb verwendet.
Auch interessant
Hawker selbst ist Nachfolger des Stammwerks des ältesten deutschen Batterieherstellers, der Varta AG. Varta (Akronym für Vertrieb, Aufladung, Reparatur transportabler Akkumulatoren) produzierte in Hagen Akkumulatoren und Batterien. Das heutige Werk wurde am 27. Dezember 1887 in Wehringhausen von Adolph Müller gegründet . Der Standort gilt bis heute als besonders erfahren im Bereich der herkömmlichen Bleibatterien und fertig neben explosionsgeschützten Batterien für Mühlen und die chemische Industrie vorzugsweise auch spezielle Sonderprodukte in eher geringen Auflagen.
Blütezeit nach dem Zweiten Weltkrieg
Das im Zweiten Weltkrieg erheblich zerstörte Werk wuchs prächtig in Zeiten der Hochkonjunktur, die AFA wurde 1962 in VARTA umbenannt und erlebte eine lange Phase der Stabilität. Doch die Zeichen der Zeit wurden nicht immer rechtzeitig erkannt und der hochdefizitäre Unternehmensbereich „Industriebatterien“ 1995 von der VARTA veräußert. Nach zwei Eigentümerwechseln stand das Unternehmen um die Jahrtausendwende bereits kurz vor der Schließung und damit auch der Standort Hagen.
Gerettet wurde der Standort letztendlich durch den amerikanischen Enersys-Konzern, der das Werk kaufte. Die Amerikaner investierten Millionen in Fertigung und Produktion und sorgten für eine Fokussierung der Produktion auf den Markt für Gabelstaplerbatterien. Auf Vertriebsebene wurde weiterhin in den drei Sparten Traktion, Stationär und Sonderbatterien gearbeitet.