Hagen. Die Spende der Familie Quandt an die Bundes-CDU sorgt nicht nur in Berlin für Gesprächsstoff. Auch in Hagen kommen Erinnerungen hoch, weil Günther Quandt vor allem während der Jahre des Zweiten Weltkrieges mit der „Accumulatoren Fabrik AG“ in Wehringhausen seinen Reichtum mehrte.

Die jüngste Großspende der Unternehmerfamilie Quandt an die Bundes-CDU in Höhe von 690.000 Euro ließ nicht nur das politische Berlin aufhorchen. Es meldete sich mit ausdrücklichem Blick auf Hagen auch die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) zu Wort: In einem Leserbrief in der „Süddeutschen Zeitung“ erinnert der Sprecher der Geschichtskommission, Ulrich Sander, unter der Überschrift „Geld gehört den Zwangsarbeitern“ daran, dass Vorfahr Günther Quandt das Vermögen des Clans einst in Hagen mit der „Accumulatoren Fabrik Aktiengesellschaft Berlin Hagen“ (AFA) als Partner der Nazis auf dem Rücken von Zwangsarbeitern entscheidend gemehrt und in Hagen auch residiert habe.

Dennoch scheiterten die VVN-Aktivisten vor drei Jahren mit einem Vorstoß bei der Stadt Hagen, eine entsprechende Mahntafel am Hagener Varta-Verwaltungsgebäude anbringen zu wollen. Im Rathaus steht man auf dem Standpunkt, dass eine solch plakative Aktion an einem Privatgebäude (Dieckstraße) angesichts der historischen Fakten gar nicht zu rechtfertigen sei.

Im Dunstkreis von Hitler

Hintergrund der VVN-Initiative war seinerzeit eine sogenannte NRW-Rallye „Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“, mit der über die Untaten der Wirtschaft während der Nazi-Diktatur aufgeklärt werden sollte. Ziele der VVN waren unter anderem Bielefeld (Oetker), Essen (Krupp), Mülheim (Thyssen), Kreuztal (Flick) und eben auch Hagen (Quandt). „Er hat durch Arisierung jüdische Kaufleute beraubt und einen der größten Rüstungskonzerne aufgebaut, die im Zweiten Weltkrieg Zwangsarbeiter ausbeuteten“, so die Einschätzung Sanders, der das heutige Vermögen der Familie Quandt auf diese „Verbrechen“ zurückführt.

Günther Quandt bewegte sich schon frühzeitig im Dunstkreis von Adolf Hitler und war nach der Machtergreifung nicht nur in die NSDAP eingetreten, sondern hatte die Nationalsozialisten auch mit AFA-Spenden finanziell unterstützt. Als dekorierter „Wehrwirtschaftsführer“ produzierte er in den AFA-Werken in Hagen, Hannover, Posen und Wien neben U-Boot- und Torpedobatterien auch Akkumulatoren für die deutsche Luftwaffe sowie die Feuerleitgeräte der Artillerie.

Nur fünf Quandt-Besuche

Dabei kamen neben den deutschen Beschäftigten, so Dr. Ralf Blank, Historiker des Historischen Centrums in Hagen, auch ausländische Arbeitskräfte, Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und Insassen von Konzentrationslagern zum Einsatz – letztere in Hannover und Wien. „Die monatliche Produktion von U-Boot- und Torpedobatterien im AFA-Werk Hagen war zwischen 1939 und 1945 unterschiedlich“, schreibt Blank. „1943 betrug sie durchschnittlich 17 U-Boot- und 500 Torpedobatterien verschiedener Baumuster.“

In Hagen selbst hinterließ Günther Quandt persönlich kaum Spuren. Zwischen 1939 und 1945, so die Forschungen von Blank, seien lediglich fünf Quandt-Besuche an der Ennepe belegbar. Der Unternehmer habe – wie viele andere Wirtschaftsführer auch – damals aus rein opportunistischen Gründen mit den Nazis kooperiert, genauso aber auch geschäftliche Kontakte in die Sowjetunion geflochten. In den Augen der Rathausverwaltung genießt VVN-Sprecher Sander den zweifelhaften Ruf, Historie einseitig im Geiste einer linksradikalen Gesinnung zu betrachten, so Karsten-Thilo Raab, Sprecher der Stadt Hagen.

Der Einsatz von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen sei im Hagener AFA-Werk im Vergleich zu vielen anderen Betrieben in der Stadt eher unterdurchschnittlich gewesen. Umgekehrt erinnere aber in Hannover ein Denkmal an den Einsatz von KZ-Häftlingen im dortigen AFA-Werk. Eine symbolische Mahntafel ausgerechnet in Wehringhausen, so der Stand der Hagener Geschichtsforschung, würde angesichts der historischen Fakten den geschichtlichen Realitäten nicht gerecht.