Hagen. . Für das Hagener Theater geht es in eine Schlüsselwoche. Oberbürgermeister Erik O. Schulz erwartet konstruktive Sparvorschläge. Doch die Spitze des Hauses sieht keine Spielräume.

  • Für das Hagener Theater geht es in eine Schlüsselwoche
  • Der OB will konstruktive Sparvorschläge sehen
  • Doch die Spitze des Hauses sieht keine Spielräume

Es ist der Beginn einer entscheidenden Woche für das Theater Hagen: Bis kommenden Donnerstag erwartet Oberbürgermeister Erik O. Schulz von der Leitung konkrete und umsetzbare Sparvorschläge in Höhe von 1,5 Millionen Euro. Intendant Norbert Hilchenbach, Generalmusikdirektor (GMD) Florian Ludwig und Michael Fuchs, Geschäftsführer der gemeinnützigen Theater GmbH, beziehen im Gespräch mit unserer Redaktion Stellung.

Die Uhr läuft ab, schon in wenigen Tagen, am 15. Oktober, müssen Sie dem Oberbürgermeister ein Zahlenwerk liefern. Und bis Ende November muss klar sein, wie das Theater 1,5 Millionen Euro einsparen will. Herr Hilchenbach, Herr Ludwig, Herr Fuchs, lieben Sie das Drama?

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Florian Ludwig: Ja, allerdings nur auf der Bühne. Wir haben sofort gesagt, dass die Reduzierung des Budgets um weitere 1,5 Millionen Euro ab 2018 nicht möglich sein wird.

Aber das Sparvolumen ist bereits beschlossen. Die Bezirksregierung in Arnsberg besteht auf der Umsetzung. Glauben Sie, dass das Theater als mit Abstand größte Einrichtung im Kulturbetrieb in dem Prozess ungeschoren davon kommt?

Norbert Hilchenbach: Als oft geschorenes Schaf sind wir natürlich nicht diesem Irrglauben verfallen. Wir werden allein von 2007 bis 2016 mindestens 3,2 Millionen Euro eingespart haben. Zurzeit sind wir dabei, die mit der Rechtsformänderung beschlossene Einsparung von 1,25 Millionen Euro zu erbringen. Auf dieser Basis und angesichts rechtlicher und tariflicher Fakten haben wir bereits 2013 dargestellt, dass wir nicht in der Lage sein werden, ab 2018 weitere Budgetreduzierungen in der geforderten Höhe umzusetzen. Einsparungen in dieser Größenordnung ziehen unweigerlich erhebliche Einnahmeverluste nach sich – und natürlich auch die Reduzierung des Landeszuschusses. Obwohl wir den niedrigsten Pro-Kopf-Zuschuss in NRW erhalten, erfreuen wir uns immer noch eines großen Publikumszuspruchs – worum uns viele andere Theater beneiden. An Fantasie, Kreativität und planvollem Management mangelt es also nicht.

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Michael Fuchs: Man muss das ganz klar sagen, es geht hier nicht mehr um Optimierungen im Betrieb. Den Prozess haben wir lange hinter uns. Wir haben in den vergangenen Sparrunden, insbesondere noch einmal mit der Überführung in die neue Rechtsform, das gesamte Optimierungspotenzial ausgeschöpft. Wir hätten nach der Gründung der Gesellschaft drei Jahre Zeit haben sollen, um das erwähnte Einsparvolumen in Höhe von 1,25 Millionen Euro umsetzen zu können. Wir müssen jetzt erst sehen, wie wir diese Einsparung realisieren können und wo wir dann stehen werden. Zudem: Wir können nur das vorschlagen, was wir auch halten können. Es nützt nichts, wenn wir jetzt Dinge aufschreiben, die wir nicht erfüllen werden können. Aber natürlich sehe ich auch den Druck, den der Kämmerer hat. Ich beneide ihn nicht. Unsere Rolle ist es hingegen, die Konsequenzen aufzuzeigen. Wir müssen mit dem Thema sorgfältig umgehen, denn alles, was arbeitsrechtlich passiert, passiert bei uns.

Drahtseilakt, die bereits beschlossene Einsparung umzusetzen 

Sie sehen also keine Möglichkeit, die Summe aufzubringen?

Hilchenbach: Der Rat hat beschlossen, dass das Theater mit all seinen Sparten erhalten bleiben soll und dass es im Konzern Stadt Hagen keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird. Unter diesen Bedingungen ist es schon jetzt ein Drahtseilakt, die bereits beschlossene Einsparung umzusetzen.

Ludwig: Dieser Drahtseilakt funktioniert nicht, wenn andernorts mit der Metallsäge hantiert wird.

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Es bedürfte also des politischen Mutes, die Rahmenbedingungen zu ändern, sprich: die Politik müsste betriebsbedingte Kündigungen zulassen, und Sparten des Theaters (Philharmonisches Orchester, Musik Theater, Ballett) in Frage stellen?

Hilchenbach: Selbstverständlich fühlen wir uns in der sozialen Verantwortung unseren Mitarbeitern gegenüber und werden daher auch nicht die Politik auffordern, die Theaterbeschäftigten anders zu behandeln als alle anderen Stadtangestellten. Zudem haben wir in allen Abteilungen unkündbare Mitarbeiter. Und auch bei theoretisch betriebsbedingt kündbaren Mitarbeitern fallen Abfindungszahlungen an, die jegliche Einsparung zunichtemachen werden. Und wenn Mitarbeiter zur Stadtverwaltung zurückkehren, dann gibt es gesamtstädtisch auch nicht den gewünschten Spareffekt. Zum Thema Spartenabbau hat bereits vor Jahren das Actori-Gutachten eindeutig und nachvollziehbar dargelegt, dass nur die Schließung des Musiktheaters und der Wegfall des Orchesters die gewünschte Einsparung erbringen können. So wie wir niemals vor der Haushaltssituation der Stadt Hagen die Augen verschlossen haben, sollte auch die Politik diesen folgenreichen Tatsachen ins Auge schauen.

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Aber liegt es nicht auch daran, dass sie aus künstlerischer Sicht keine Abstriche machen wollen? Würde das Publikum es wirklich merken, wenn Hagen kein B-Orchester mehr hätte sondern ein C-Orchester?

Ludwig: Auch dadurch werden Sie keine kurzfristigen Einsparungen realisieren können. Die angesichts der geforderten 1,5 Millionen Euro minimale Einsparung von vier Orchesterstellen ist verbunden mit einer maximalen Rufschädigung und Einnahmeverlusten. Die Rahmenbedingungen in Hagen erfordern ein Orchester der aktuellen Größe. Wir brauchen einen Plan für langfristige Strukturveränderungen. Wir brauchen die politische Diskussion, wie Theater und Orchester in Zukunft aussehen sollen. Ein langfristig kleiner Etat erfordert die Änderung der Rahmenbedingungen. Das wiederum wird nicht ohne Investitionen möglich sein.

Fuchs: Man muss auch sehen, wie langfristig ein Theaterbetrieb funktioniert. Wir planen doch jetzt bereits die kommenden Spielzeiten.

Fragen des Oberbürgermeisters werden bis 15. Oktober beantwortet 

Aber dennoch muss es verwundern, dass der Oberbürgermeister mit einem „blauen Brief“ erst Zahlen von Ihnen anfordern muss, so dass es eine Datenbasis für die Spardiskussion geben kann. Haben Sie nicht den Überblick über die wirtschaftliche Lage des Theaters?

Fuchs: Natürlich haben wir einen Wirtschaftsplan und auch den Überblick über die wirtschaftliche Lage. Die bisherigen Entscheidungen des Aufsichtsrates sind selbstverständlich auf der Grundlage der Daten des Theaters getroffen worden. Mit der Gründung der gGmbH haben wir begonnen, eine Kostenrechnung aufzubauen, die auf das Theater zugeschnitten ist. Dabei wurden die Buchhaltung und der Wirtschaftsplan angepasst. Auf die Buchhaltung der Stadt, die bis Ende 2014 für das Theater obligatorisch war, haben wir keinen Zugriff mehr. Soweit also Zahlen für die Vergangenheit gefordert sind, müssen wir, um nachvollziehbare Daten zu nennen, einen Abgleich mit der städtischen Buchhaltung herbeiführen, auch weil die Zahlen sensibel sind. Wir werden die Fragen des Oberbürgermeisters bis zum 15. Oktober beantworten und den angebotenen Dialog führen. Man muss aber bei allen Maßnahmen bedenken: Wenn wir einem Entwurf zustimmen, der nicht umsetzbar ist, besteht die Gefahr einer Insolvenz. Das ist anders als beim Regiebetrieb. Als Geschäftsführer bin ich gesetzlich verpflichtet, auf eine solche Entwicklung unverzüglich aufmerksam zu machen. Ich darf mir keine Verschleppung einer Insolvenz vorwerfen lassen.

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Sie werden sich auch dem Vergleich mit anderen Theatern stellen müssen. Warum ist der Zuschuss-Bedarf viel höher als in anderen Städten?

Hilchenbach: Erstens stimmt das nicht und zweitens gibt es zahlreiche – oft sogar kleinere – Städte, in denen der Theaterzuschuss gleich oder gar größer ist als in Hagen.

Ludwig: Es wird immer wieder das Beispiel Pforzheim oder Koblenz angebracht, weil dort der Theater- und Orchesterbetrieb angeblich günstiger sei. Bei genauerer Betrachtung der Haushalte dieser Städte kann man schnell erkennen, dass Kosten, die in Hagen aus dem Theaterbudget bezahlt werden, dort über andere Haushaltsstellen abgedeckt werden. Das schafft natürlich keine Vergleichbarkeit.

Politik und Theater müssen eine verbindliche Absprache finden, mit welchem Budget und welcher Ausgestaltung das Hagener Theater fortgeführt werden soll.
Politik und Theater müssen eine verbindliche Absprache finden, mit welchem Budget und welcher Ausgestaltung das Hagener Theater fortgeführt werden soll. © WP Michael Kleinrensing

Fuchs: Wenn andere Länder und Städte herangezogen werden, die unter gänzlich unterschiedlichen Bedingungen arbeiten, dann ist das nicht vergleichbar. Im vergleichbaren Nordrhein-Westfalen steht das Theater Hagen wirtschaftlich und künstlerisch ganz oben. Landeszuschüsse, bauliche Voraussetzungen, Kosten, die der jeweilige Träger in Rechnung stellt, etwa Mieten, EDV, sonstige Leistungen – da bestehen gravierende Unterschiede gerade bei den zitierten Beispielen.

Hilchenbach: Wir vergleichen uns sehr wohl und versuchen ständig, auch im direkten Kontakt zu anderen Theatern, weitere Verbesserungsmöglichkeiten zu finden.

Aufgabe der Politik, langfristigen Plan für das Theater zu entwerfen 

Herr Hilchenbach, Herr Ludwig, sie sind beide, salopp ausgedrückt, auf dem Absprung. Wäre es da nicht gerade Ihre Aufgabe, jetzt unpopuläre Sparmaßnahmen durchzudrücken, um für die Zukunft vorzusorgen?

Ludwig: Für die Zukunft des Theaters sorgt man nicht vor, indem man die Existenz des Hauses aufs Spiel setzt. Es ist die Aufgabe der Politik, einen langfristigen Plan zu entwerfen, welche Form von Theater sich diese Stadt leisten will.

Haben sie nicht Bedenken, dass das Ganze doch als Verweigerungshaltung interpretiert wird und damit auch die gesellschaftliche Akzeptanz des Theater gefährdet wird?

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Hilchenbach: Wir haben alles getan, damit die bürgerschaftliche Solidarität und – was bei einem publikumsabhängigen Unternehmen ja auch nicht unwichtig ist – der Zuspruch der Zuschauer sowie die kritische Anerkennung der Fachpresse trotz der andauernden Sparaufforderungen weiterhin besteht. Um daraus eine Verweigerungshaltung ableiten zu wollen, bedarf es schon einer gehörigen Portion böser Absicht. Wir denken auch nicht nur an das Theater, sondern an die gesamte Entwicklung der Stadt, für die ein gutes Kulturangebot unverzichtbar sein wird.

Fuchs: Nicht das Theater ist der Grund für die aktuelle Diskussion, sondern die finanzielle Situation der Stadt Hagen und auch die strukturelle Unterfinanzierung der Gemeinden allgemein.

Es braucht wohl Fantasie, um noch von einer Einigung zwischen Stadt/Politik und Theater bis zur Verabschiedung des Haushalts 2016/17 auszugehen. Herr Hilchenbach, gibt es am Ende die Lösung in der Literatur: Kennen Sie ein Stück, in dem bis kurz vor Schluss alles auf die große Katastrophe zu läuft und dann doch am Ende alles gut wird?

Hilchenbach: Nein, tut mir leid. Die Pointe kann ich Ihnen leider nicht liefern.