Dortmund/Fröndenberg. Ein 51-Jähriger, der mit dem Handel seinen eigenen Heroin-Konsum finanzierte, muss fünf Jahre und drei Monate hinter Gitter. Die Hintergründe.

Tag der Entscheidung für einen 51 Jahre alten Fröndenberger am Landgericht Dortmund. Der Mann, der im großen Stil in der Ruhrstadt mit Drogen gehandelt haben soll, steht vor einem weiteren Kapitel in Haft. Vor Gericht geht es einzig und alleine darum, wie lange. Während sich Verteidigung und Staatsanwaltschaft unterschiedlich in Sachen minderschwerer Fall positionieren, wiederholt der Angeklagte seine Absicht, endlich „clean“ zu werden.

Die Waffe wird zum Zünglein an der Waage

Dass der 51-Jährige im großen Stil mit Drogen gehandelt hat, das hatte er bereits am zweiten Prozesstag am Landgericht Dortmund umfassend eingeräumt. Aber – und das betonten Beamte wie auch Angeklagter selbst – nicht aus seinem Kiosk am Fröndenberger Schulzentrum heraus. Vielmehr sollte der Handel der Finanzierung seiner eigenen Heroinsucht dienen. Gleichwohl: Bei diesem Vorhaben hatte sich der Fröndenberger wohl mit zwielichtigen Personen aus dem Milieu eingelassen. Um sich und seine Familie vor Übergriffen zu schützen, legte sich der Angeklagte zudem eine Waffe zu. Abgefeuert oder durchgeladen hatte er die jedoch nie – und genau das könnte ihm nun zugute kommen, wie die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung zeigen.

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Die Frage ist, ob hier auch ein minderschwerer Fall angenommen werden kann“, führt Oberstaatsanwalt Dirk Stickeln dazu aus. Und dabei geht es vor allem um die Begleitumstände der Tat. Geständnis und der Suchtdruck, der für den Drogenhandel verantwortlich war, seien „die einzigen Punkte, die für einen minderschweren Fall sprechen“. Das Problem: Der Fröndenberger dealte unterm Strich nicht mit ein paar Gramm Marihuana, sondern im Kilobereich; noch dazu mit harten Drogen wie Amphetaminen und Kokain. Einschlägige Vorstrafen – unter anderem ein Überfall auf eine Spielothek, um seine Sucht zu finanzieren – trügen ihr Übriges zur Einschätzung der Staatsanwaltschaft bei: sechs Jahre und sechs Monate Haft, inklusive Unterbringung in einer Entziehungsanstalt; zudem ein Vorwegvollzug von zwei Jahren und vier Monaten.

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Der Pflichtverteidiger des Fröndenbergers sieht das erwartungsgemäß etwas anders. Denn für ihn könne man trotz Waffenfunden und kiloweise Drogen unterm Strich von einem minderschweren Fall ausgehen. Was das bedeutet, wird angesichts des Strafmaßes schnell klar: Statt fünf bis 15 Jahre Haft sind es lediglich ein bis zehn Jahre, die dann drohten. „Wir haben von vornherein ganz klar Stellung bezogen. Das Kerngeschehen trifft zu, die Begleitumstände sind andere“, erklärt der Verteidiger. Schließlich sei es mitnichten wie im Film: „Man hat hier eben nicht den ganz großen und gefährlichen Fisch dingfest gemacht.“

Man hat hier eben nicht den ganz großen und gefährlichen Fisch dingfest gemacht.
Verteidiger - über seinen Mandanten und den Prozess am Landgericht

Ein bis an die Zähne bewaffneter Drogendealer, der mit einer geladenen Waffe neben dem Kopfkissen schläft, sei sein Mandant mitnichten. Zumal der 51-Jährige die Waffen auf Druck seiner Ehefrau sogar loswerden wollte. Ohnehin habe er die nur besessen, um sich nach einem Überfall und Drohungen aus dem Milieu gegen seine Familie zu schützen.

Fröndenberger zeigt sich einsichtig

Die Taten seien vielmehr aus dem Suchtdruck heraus entstanden. „Sein Leben ist ein stetiger Kampf gegen die Sucht, die er versucht in den Griff zu kriegen“, erklärt der Verteidiger des Fröndenbergers. So hätten persönliche Rückschläge – etwa der Tod zweier guter Freunde – immer wieder dafür gesorgt, dass er rückfällig geworden sei. Trotz Substitutionsprogramms. Ohnehin hätten die ständigen Rückfälle mittlerweile auch für körperliche Einschränkungen gesorgt. Die Forderung des Verteidigers: Vier Jahre und sechs Monate Haft inklusive Unterbringung in einer Entzugsklinik. „Ich bereue meine Taten. Die Waffe war sicher eine dumme Idee, aber ich habe nur versucht, meine Familie zu schützen. Ich möchte meine verbleibende Lebenszeit nutzen, um für meine Frau und Familie da zu sein“, erklärt der Angeklagte abschließend.

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Mit ihrem Urteil bleibt die vorsitzende Richterin Kerstin Paschke am Ende genau zwischen beiden Anträgen: fünf Jahre und drei Monate Haft; zusätzlich eine 18-monatige Unterbringung in einer Entzugsanstalt. In Anbetracht der Vorwürfe und des Geständnisses „wissen wir alle, wovon wir hier reden“. Von einem minderschweren Fall könne man nicht ausgehen; vor allem da die Mengen an Amphetamin und Kokain in den Garagen des Angeklagten die zulässige Menge für eine solche Entscheidung um das 165- und 125-fache überstiegen. Noch dazu sei der Bundesgerichtshof klar, was die Auslegung von bewaffnetem Handeltreiben angeht. Demnach reiche es bereits aus, wenn sich eine Waffe Zuhause befindet, aber der Drogendeal anderswo vonstatten geht. „Die Rechtssprechung ist in dieser Hinsicht sehr hart“, gibt Paschke zu. Gleichwohl wolle man dem Fröndenberger entgegenkommen. Nicht zuletzt sein Geständnis hat den Prozess erheblich verkürzt. „Zudem ist ihr unbedingter Therapiewille beeindruckend.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.