Gevelsberg. Tiergestützte Therapie wird als alternative Heilmethode nicht von Krankenkassen gezahlt. Aber wie funktioniert sie? Eine Hundeführerin erklärt.

Eine demente Frau, die auf einmal wieder helle Momente hat. Körperlich eingeschränkte Menschen, die sich plötzlich ganz anders bewegen als vorher. Es sind Momente wie diese, die Andrea Schröter in ihrer Arbeit bestätigen. Dabei steht sie in diesem Fall gar nicht im Vordergrund. Es sind ihre beiden Therapiebegleithunde Flecki (8) und Abby (7), die für diese Effekte sorgen.

Natürlich unter Schröters Anleitung. Die 59-Jährige ist in der tiergestützten Therapie ausgebildet, hat entsprechende Zusatzqualifikationen – unter anderem für die Arbeit mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) und als Natur- und Wildnistrainerin. Sie hat mit ihren Hunden in Altersheimen, Schulen oder Kindergärten gearbeitet. In Gevelsberg ist sie auch für das Hospiz Emmaus im Einsatz. Mit Flecki hat sie Kindern zum Beispiel dabei geholfen, besser über den Tod von Familienmitgliedern zu sprechen. Das Angebot kam vor allem über Spenden zustande. Eine wesentliche Rolle spielte hier das große Benefizkonzert „Rock for Children“.

Schröters Arbeit deckt ein breites Spektrum ab. Umso wichtiger ist die Ausbildung, die Tier und Mensch dafür absolvieren – eine Ausbildung, die Zeit in Anspruch nimmt. „Wenn Sie einen Welpen haben, wird der mit eineinhalb Jahren zur Prüfung zugelassen. Bei älteren Hunden geht es schneller“, erklärt Andrea Schröter. Ein Jahr sei aber das Mindestmaß. Ihre Aussagen bezieht sie auf das Münsteraner Institut für therapeutische Fortbildungen und tiergestützte Therapie (M.I.T.T.), bei dem auch sie und ihre Tiere lernten.

Ausbildung in Theorie und Praxis

Hier erfahren Hund und Halter, worauf es ankommt. So geht es anfangs um Grundlagen wie die Anatomie, die Physiologie und die Psychologie des Vierbeiners. Der Mensch lernt mehr über Tierschutz und rechtliche Bestimmungen. Später spielen die Grundlagen der Hundeerziehung, die Einführung ins Clickertraining und die Voraussetzungen für den Therapiebegleithundeeinsatz eine Rolle. Im weiteren Verlauf werden Ausbildungsziele festgelegt, bevor schließlich schriftliche und praktische Prüfung folgen. Die fertigen Teams müssen alle zwei Jahre eine Nachprüfung ablegen.

Therapiebegleithund Flecki liegt auf einem Tisch und arbeitet so mit älteren Menschen.
Therapiebegleithund Flecki liegt auf einem Tisch und arbeitet so mit älteren Menschen. © Andrea Schröter | Privat

„Beim M.I.T.T. werden nur Leute ausgebildet, die einen psychologischen oder medizinischen Hintergrund haben“, ergänzt Andrea Schröter. Sie ist zum Beispiel hauptberufliche Krankenschwester und Fachkraft für Gerontopsychiatrie, arbeitet aktuell im Sozialen Dienst eines Seniorenzentrums. Wenn sie mit Flecki oder Abby im Einsatz ist, muss sie als Hundeführerin wissen, mit welchen Krankheiten oder Zuständen von Menschen sie konfrontiert werden. Entsprechend kann sie die Therapie ausrichten.

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Und das ist aus ihrer Sicht ein entscheidender Unterschied zu Tieren, die von ehrenamtlichen Personen oder Angehörigen mitgebracht werden. „Es ist etwas Professionelles, es hat einen therapeutischen Charakter, es werden Ziele verfolgt“, erklärt Andrea Schröter.

Herausforderung auch für Hund

Solche Ziele können sein, dass Kinder in Schulen und Kitas den richtigen Umgang mit Hunden lernen oder die Angst vor ihnen verlieren. Oder dass jemand, der körperlich eingeschränkt ist, eine bessere Motorik entwickelt. „Der Hund wird zur Bewegungsfreude genutzt, als Ruhepol, zur Motivation, zur Entspannung“, zählt Andrea Schröter auf. „Er ist ein Eisbrecher. Die Menschen merken gar nicht, dass sie etwas tun müssen, sondern machen es von selbst. Für den Hund.“

Andrea Schröter (rechts) und ihr Therapiebegleithund Flecki bei einer Kindergruppe im Hospiz Emmaus in Gevelsberg. Links sitzt Birgit Prottung, die die Sitzung geleitet hat.
Andrea Schröter (rechts) und ihr Therapiebegleithund Flecki bei einer Kindergruppe im Hospiz Emmaus in Gevelsberg. Links sitzt Birgit Prottung, die die Sitzung geleitet hat. © WP | Max Kölsch

Für die Tiere ist diese Arbeit auch eine Herausforderung. „Kinder ziehen den Hund auch schon mal an den Haaren oder am Schwanz. Die Tiere müssen das aushalten“, erklärt die Hundeführerin. „Das wird in der Ausbildung geübt.“ Der Hund dürfe in dieser Situation nicht knurren oder etwas Anderes machen. Die 59-Jährige behält über bestimmte Kommandos die Kontrolle. „Deshalb ist es auch wichtig, dass die Hunde auf den Hundeführer vertrauen können, dass er die Situation auflöst, wenn es zu viel wird“, so Schröter weiter.

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In solchen Fällen gebe der Hund Signale, die sie erkennen müsse. Das können ein Blick zur Seite oder auch Veränderungen im Fell sein. Entsprechend wichtig ist, dass die Tiere zwischendurch Pausen haben und Orte, an die sie sich zurückziehen können. Längere Spaziergänge vor und nach einem Einsatz gehören ebenfalls dazu, um Stress vorzubeugen und ihn hinterher wieder abzubauen. Tierschutz spiele bei der Arbeit eine wesentliche Rolle.

Krankenkasse zahlt Kosten nicht

Dass sie Menschen damit helfen kann, ist auch das, was Andrea Schröter überhaupt zur therapeutischen Arbeit mit Hunden gebracht hat. „Ich war 2009 mit meinem nicht ausgebildeten Familienhund in einer Tagespflege für Demenzkranke“, blickt sie zurück. „Eine Frau ist da total aufgegangen. Der Hund hat sie zur Ruhe gebracht und andere Menschen haben plötzlich wieder angefangen, zu reden.“ Für Schröter quasi die Initialzündung. Als der Hund starb, war ihr klar: Der nächste Hund soll ausgebildet werden, mit dem möchte sie arbeiten.

Fünf Jahre lang war sie mit Australian-Shepherd-Labrador-Mischling Flecki und Australian Shepherd Abby selbstständig. Zwei weitere Hunde hat sie angefangen auszubilden, hat sie aber nicht mehr prüfen lassen. Aus privaten Gründen gab sie die Selbstständigkeit auf, bietet Therapien heute bei Bedarf aber sporadisch an.

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Ihr ist wichtig, dass diese Arbeit dem Aufwand gemäß wertgeschätzt wird. „Für einen Einsatz bin ich mindestens zweieinhalb, drei Stunden beschäftigt“, macht Schröter klar. Papierkram noch nicht hinzugerechnet. „Eine gescheite tiergestützte Einheit gibt es nicht für 20 Euro die Stunde“, sagt sie. „Es muss gesehen werden, was die Tiere bewirken und allein die Ausbildung kostet ein paar tausend Euro.“ Krankenkassen tragen die Kosten für die tiergestützte Therapie nicht.

Wer die Arbeit von Andrea Schröter, Flecki und Abby in Anspruch nehmen möchte, kann sich gerne bei ihr melden unter 0157/52426639 und via E-Mail an as1708@online.de