Arnsberg. Dabei ist es doch einer der Lieblingssprüche vom Vorsitzenden Richter Willi Erdmann im Landgericht Arnsberg. „Hier geht es nicht zu wie im Fernsehen, wo kurz vor Ende der Sendung ein Zeuge im Zuschauerraum aufspringt und ruft ‘Ich weiß’ was’“ Aber spätestens der dritte Verhandlungstag im Prozess rund um die Brandstiftung im Autohaus Schulte in Bruchhausen bot den Stoff für Seifenopern aus dem TV-Gericht.
Es ist einer der Lieblingssprüche vom Vorsitzenden Richter Willi Erdmann im Landgericht Arnsberg. „Hier geht es nicht zu wie im Fernsehen, wo kurz vor Ende der Sendung ein Zeuge im Zuschauerraum aufspringt und ruft ‘Ich weiß’ was’“, sagt der Jurist gerne, um auf das komplizierte und doch geordnete Verfahren der Rechtsprechung hinzuweisen. Einspruch, euer Ehren! Spätestens der dritte Verhandlungstag im Prozess rund um die Brandstiftung im Autohaus Schulte in Bruchhausen bot am Freitag den Stoff für Seifenopern aus dem TV-Gericht.
Noch kein Urteilsspruch in Sicht
Das Wichtigste in Kürze: Ein Urteil wurde nicht gesprochen. Und es wird auch noch eine Weile dauern, weil genau das passierte, was Erdmann sonst nur in Fernsehserien vermutet. Nach den Zeugenaussagen einiger Polizisten, die Widersprüche von Zeugenaussagen vom Dienstag zu den Vernehmungsprotokollen aufklären sollten, wurde es zunehmend turbulenter, verwirrender und emotionaler im Gerichtssaal.
Die Mutter des bislang jegliche Tatbeteiligung bestreitenden Arnsbergers H. schritt an ihrem angeklagten Sohn vorbei, trat vor die Kammer und machte von ihrem Recht auf Verweigerung der Zeugenaussage Gebrauch. Und der Zuschauer fragt sich, was wohl im Kopf einer Mutter in so einem Moment vorgehen muss.
Stoff fürs Fernsehen
Stoff fürs Fernsehen bietet dann auch ein gerade beschlagnahmter Brief des Angeklagten V. aus der Untersuchungshaft an seine Freundin. „Mein Schatz“, beginnt er, „er kann mir nicht in die Augen schauen. Ich aber packe aus. Das Lügen von H. regt mich auf“, verliest die Kammer aus dem Brief. Der Angeklagte V. hatte zu Beginn der Verhandlung gestanden, dass er an den Einbrüchen als Komplize von H. beteiligt gewesen sei, doch dass er den Brand nicht gelegt habe. Und so war der Angeklagte H. kaum im Fokus, sondern alles drehte sich um V. und seine Verstrickungen. Bis dann doch im Zuschauerraum zwei später aufgerufene Zeugen aufstanden und mitteilten: „Ich kann was dazu sagen!“
Ein 23-jähriger Enser machte den Anfang und belastete H. schwer. „Er hat mir gesagt, er würde die Bude abfackeln“, berichtete der Spontan-Zeuge vor Gericht. Und ohnehin sei in der Szene der Auto- und Rollerfans in der Tiefgarage bei McDonalds in Neheim längst über den Brand, die Einbrüche und die Täter offen gesprochen worden. Der Zeuge wollte aber „niemanden in die Pfanne hauen“ und habe sich deswegen nicht bei der Polizei gemeldet.
„Sie lügen uns hier die Hucke voll"
Der Angeklagte H. blieb konsequent bei seiner Linie: „Stimmt alles nicht!“, sagte er selbstbewusst. Und sogar der Staatsanwalt traute diesem Zeugen nicht. „Sie lügen uns hier die Hucke voll“, platzte es aus Klaus Neulken heraus. Er kündigte die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Überraschungszeugen an. Und auch der Verteidiger vom Angeklagten H. witterte offen eine abgesprochene und initiierte Anschuldigung gegen seinen Mandanten.
Der Enser aber blieb nicht allein mit seiner Aussage. Auch ein Arnsberger, der ebenfalls zur Neheimer Parkhaus-Szene gehört, meldete sich zu Wort und belastete H. Er habe direkt von H. von den Einbrüchen im Autohaus Schulte gehört und ihm sogar etwas mit auf den Weg gegeben. „Du kannst dann mal Werkzeug mitbringen“, habe er H. gesagt. Nach seinem Urlaub habe er dann von dem Brand und den später eingesetzten Tankkarten gehört und auch mit V. gesprochen, der die Tatbeteiligung beider Angeklagten erwähnte. „Ich kenne die schon länger“, sagte der Zeuge, „die Beiden sind verrückt“. Bei der Polizei verpfeifen aber wollte auch er sie nicht. Zur Zeugenaussage aber sei er nun bereit, weil er „Gerechtigkeit“ wolle und die Schuld nicht allein auf V. abgeladen sehen will. Der Angeklagte H. bestritt wieder alles.
Fortsetzung bis in den November
„So etwas gibt es auch nicht alle Tage“, so Staatsanwalt Klaus Neulken in der letzten Prozesspause des Tages. Anders als bei den plötzlichen Fernsehzeugen, die einem Prozess zu einem Urteil pünktlich zum Beginn der Nachrichten verhelfen, sorgten die unerwarteten Gäste hier für weitere Verzögerung. „Angesichts der überraschenden Aussagen haben wir nicht vor, die Sache jetzt zur Entscheidung zu bringen“, sagte der Vorsitzende Richter Willi Erdmann, „Genauigkeit geht vor Schnelligkeit!“.
Das Verfahren wird am 17. Oktober fortgesetzt und wird sich bis in den November ziehen.