Sundern. Arbeitsmediziner Thomas Kraus aus Aachen hat ein Gutachten zur Schadstoffbelastung der Realschule Sundern erstellt - mit klarer Empfehlung.

Die Schadstoffbelastung der Realschule Sundern ist seit Monaten Gesprächsstoff in der Stadt. Verwaltung und Politik haben sich nach intensiver Debatte mehrheitlich für den Neubau des Schulgebäudes auf dem Bildungshügel entschieden. Zuletzt hatte das Projekt allerdings einen Rückschlag erlebt, da für den Neubau eine neue Ausschreibung erfolgen muss.

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Dies hat zur Folge, dass momentan unklar ist, wie lange Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler weiterhin in der alten Realschule arbeiten und lernen müssen. Um über die allgemeine Situation zu informieren und um die durch das Ingenieurbüro Stefan Henning ermittelten Werte richtig einschätzen zu können, findet am 22. Mai um 18 Uhr in der Realschule Sundern eine Informationsveranstaltung statt.

An diesem Abend wird auch Universitätsprofessor Dr. med. Thomas Kraus von der Uniklinik Aachen anwesend sein. Der Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin wird in seinem Vortrag die Situation einordnen. Von der Stadt Sundern ist der Mediziner beauftragt worden, eine arbeitsmedizinische Stellungnahme anzufertigen.

Universitätsprofessor und Arzt Thomas Kraus aus Aachen
Universitätsprofessor und Arzt Thomas Kraus aus Aachen © Uniklinik RWTH Aachen | Uniklinik RWTH Aachen

In dem zwölfseitigen Dokument, das der Redaktion vorliegt und das der Öffentlichkeit auch vonseiten der Stadt Sundern zur Verfügung gestellt wird, macht Thomas Kraus deutlich, dass von den Luftkonzentrationsmessungen für gesunde Erwachsene kein erhöhtes gesundheitliches Risiko abgeleitet werden kann. „Für Kinder und das ungeborene Leben kann hingegen aufgrund der Daten keine wissenschaftlich fundierte, valide Aussage getroffen werden“, sagt Kraus.

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Die PCB-Richtlinie NRW sieht vor, dass bei Werten ab 3000 Nanogramm pro Kubikmeter gehandelt werden muss. „Dieser Wert ist ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bundesweit basierter gültiger Grenzwert. Er gilt für gesunde Erwachsene, die sich bei 40-jähriger Tätigkeit jeweils acht Stunden pro Tag in den Räumen aufhalten“, betont Kraus.

Stoßlüften ist besser, als den ganzen Tag über die Fenster auf Kipp zu haben.
Stoßlüften ist besser, als den ganzen Tag über die Fenster auf Kipp zu haben. © WP | Florian Adam

Gleichzeitig gebe es auch einen Grenzwert für die Blutwerte, was wiederum für das ungeborene Leben wichtig sei. Hier betrage der Grenzwert 3,5 Mikrogramm pro ein Liter Blut. Dies sei ebenfalls durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft definiert.

Die Luftkonzentrationsmesswerte, die an acht Stellen in der Schule ermittelt wurden, betragen 1000 Nanogramm pro Kubikmeter. „Das sind keine besorgniserregende Werte. Ich habe schon Gutachten angefertigt, bei denen mir in anderen öffentlichen Gebäuden Werte im Bereich von 6000 Nanogramm pro Kubikmeter vorlagen. Dann muss man sofort tätig werden und den Raum für die Nutzung sperren. In Sundern ist dies an keiner Stelle vorhanden. Daher empfehle ich auch keine Schließungen“, betont der Aachener Mediziner.

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Die Muster der Belastungen in öffentlichen Gebäuden wie Schulen, Universitäten oder Verwaltungseinrichtungen seien dabei vergleichbar. „Zumeist kommt die Schadstoffbelastung durch die eingesetzten Fugen. Belastete und unbelastete Fugen sind mit dem bloßen Auge nicht voneinander zu unterscheiden, weshalb ich mir auch in der Regel gar nicht vor Ort ein Bild machen muss. Mir reichen die gesammelten Werte, um eine Einschätzung treffen zu können“, so Kraus.

Die beste Maßnahme zur Reduzierung der Belastung sei noch immer das Stoßlüften. Dabei legt er allerdings Wert darauf, dass dies zu jeder Jahreszeit und regelmäßig erfolgen solle. „Bitte nicht die Fenster kippen, denn das lässt nur die Oberflächen auskühlen und hat keine hilfreichen Effekte. Stoßlüften bedeutet, die Fenster kurz und richtig zu öffnen.“

Einwände des Experten

Vom Einsatz von Luftreinigungsgeräten hält der Experte im Gespräch mit unserer Zeitung nichts. „Luftreinigungsgeräte sind keine Alternative zum Stoßlüften. Ihre Effizienz ist umstritten und es gibt keine überzeugenden Werte in Studien, die beweisen, dass sie wirklich helfen. Maximal bei staubgebundenen PCB-Partikeln können sie etwas helfen.“ Stattdessen empfehle er einmal im Jahr eine umfangreiche Grundreinigung sämtlicher Räume. Dies sei wesentlich effektiver. „Hierdurch lassen sich die Werte auf ein Drittel des vorherigen Wertes reduzieren.“

Die Fraktion „Bürger für Sundern“ hatte in der Vergangenheit erfolglos einen Antrag im Rat der Stadt Sundern für den Erwerb von sogenannten dezentralen Geräten zur Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung gestellt. Dies seien andere Geräte als die oftmals damit verwechselten Luftreinigungsfilter, deren Effizienz tatsächlich umstritten sei, so die BfS. Die neue Generation von „Be- und Entlüftungsgeräten mit Wärmerückgewinnung“ sei auch als interessante Komponente für eine energetische Sanierung so ausgereift, dass sie keine negativen Auswirkungen auf die Nutzerakzeptanz habe und die Arbeitsleistung und -motivation nicht beeinträchtige, erklären die Bürger für Sundern.

Einschätzungen der Bürger für Sundern

Thomas Kraus hatte sich 2013 in einer veröffentlichten Arbeitsmedizinischen Stellungnahme zur damals PCB-belasteten Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf laut Hermann-Josef Jürgensmeier von der BfS zu den Be- und Entlüftungsgeräten positiv geäußert: „Die Installation kontrollierter Be- und Entlüftungssysteme ist eine technische Option, die grundsätzlich zur Zielerreichung beitragen kann!“

Bei der Informationsveranstaltung am 22. Mai will Kraus auch über die Möglichkeit einer Blutuntersuchung für Schwangere oder Frauen, die beabsichtigen, ein Kind zu bekommen und in der Schule arbeiten, aufklären. Die Frauen könnten somit Sicherheit erlangen, ob eine Gefahr für das Kind bestünde. „Hierbei handelt es sich um eine Spezialuntersuchung, die in der Vergangenheit in Kooperation mit Gesundheitsämtern und Betriebsärzten vorgenommen wurde. Die Blutproben können nicht lange gelagert werden und müssen schnell an unser Labor geschickt werden“, sagt Arbeitsmediziner Thomas Kraus.