Sundern. Damit die Angst „verfliegt“: In Sundern kann man ein expertengeleitetes Seminar mit echten Flugkapitänen und psychologischer Begleitung buchen.

Spätestens wenn Annika (Name von der Redaktion geändert) am Airport eintrifft, bekommt sie schweißnasse Hände und Herzrasen. Sie hat Flugangst und wird dieses beklemmende Gefühl einfach nicht los. „Das war schon immer so“, erklärt die 42-jährige Arnsbergerin. Das erste Mal sei sie mit 18 geflogen. „Es ist dabei nicht Schlimmes passiert, noch nicht einmal Turbulenzen, trotzdem hatte ich schreckliche Angst. Und das hält bis heute an.“

Es ist ein Gefühl des Ausgeliefertseins, totaler Kontrollverlust. „Ich bekomme auch Panikattacken, wenn ich mich in kleinen Räumen aufhalte“, gesteht sie. Schon allein die Vorstellung, dass sie in dieser schmalen Röhre gefangen ist und über den Wolken schwebt, bringt die 42-Jährigen zum Weinen. Mindestens einmal im Jahr müsse sie aus familiären Gründen in ein anderes Land fliegen. Für sie ein Alptraum.

Mit dem Thema Flugangst beschäftigen sich der ehemalige Lufthansa-Pilot Alfred Heidbrink und die psychologische Beraterin Ute Becker. Sie laden ab Juni dieses Jahres zu Seminaren nach Sundern ein.
Mit dem Thema Flugangst beschäftigen sich der ehemalige Lufthansa-Pilot Alfred Heidbrink und die psychologische Beraterin Ute Becker. Sie laden ab Juni dieses Jahres zu Seminaren nach Sundern ein. © Anja Jungvogel | Anja Jungvogel

„Obwohl das Flugzeug als das sicherste Verkehrsmittel der Welt gilt, haben viele Menschen Flugangst. Das trifft auf mehr Menschen zu, als man denkt“, sagt Ute Becker, psychologische Beraterin vom Studio „Gedankenstark“. Aus diesem Grund werden ab Juni in Sundern professionell angeleitete Flugangst-Seminare mit psychologischer Betreuung angeboten. Das Besondere am neuen Angebot „Flugangst-Sauerland“ ist, dass auch zwei erfahrene Kapitäne mit „an Bord“ sind und gemeinsam mit den Teilnehmenden Angstbewältigungsstrategien entwickeln. „Diese können in einem echten Airbus A320-Simulator angewendet werden“, so Becker.

Auch ein Blick ins Cockpit kann Angstpatienten zuweilen helfen, die ungewohnten Geräusche eines Flugzeuges besser zuordnen zu können.
Auch ein Blick ins Cockpit kann Angstpatienten zuweilen helfen, die ungewohnten Geräusche eines Flugzeuges besser zuordnen zu können. © Anja Jungvogel | Anja Jungvogel

Der ehemalige Lufthansa-Pilot Alfred Heidbrink schwebte fast 38 Jahre lang über den Wolken und hat während dieser Zeit jede Menge erlebt und von der Welt gesehen. 31.000 Flugstunden und knapp 24.000 Landungen liegen hinter ihm. Nur eine Gefahrensituation oder gar eine Notlandung gab es nie“, erklärt der 67-Jährige, der nun seinen Ruhestand genießt. In den letzten Jahren seines Berufslebens sei er ausschließlich Langstrecke geflogen und außer ein paar Turbulenzen sei niemals etwas „Aufregendes“ passiert. 

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„Man kann noch nicht einmal sagen, dass dies Glück war. In den seltensten Fällen lauert eine Gefahr über den Wolken“, so der Experte. Wenn ein Gewitter angesagt ist, müsse man halt vorausschauend planen. So einfach ist das. „Flugkatastrophen, wie sie in Actionfilmen gezeigt werden, gibt es nicht in dieser Form“, sagt Heidbrink. Und die seltenen Fälle, die in der Tagesschau gezeigt werden, liefen ganz anders ab.

Die Teilnehmer erhalten Zugang zu einem hochmodernen Flugsimulator, der im Inneren eines ausrangierten Airbusses A320 verbaut ist.
Die Teilnehmer erhalten Zugang zu einem hochmodernen Flugsimulator, der im Inneren eines ausrangierten Airbusses A320 verbaut ist. © Anja Jungvogel | Anja Jungvogel

„Das Wichtigste ist, dass man als Passagier den Piloten, die das Flugzeug steuern, Vertrauen schenkt.“ Es sitzen immer ein Kapitän und ein Co-Pilot im Cockpit und dann gibt es noch die Technik, die nicht nur ausgereift ist, sondern auch einer ständigen Sicherheitskontrolle unterliegt. Die Piloten müssen übrigens alle drei Monate zum Check. „Es sind oft die ungewohnten Geräusche und Bewegungen des Flugzeuges, die bei manchen Passagieren ein mulmiges Gefühl hervorrufen.“ Alfred Heidbrink erinnert sich an einen Mann in Anzug und Krawatte, der die Gangway vor Angst wieder zurücklief. „Ich rannte ihm hinterher und versuchte ihn zu beruhigen.“ 

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Dann nahm der Kapitän ihn mit ins Cockpit und erklärte ihm die technischen Raffinessen eines Jumbos. „Dieser Mann wäre niemals freiwillig in ein Flugzeug gestiegen. Er wurde von seinem Arbeitgeber zu dieser Dienstreise verdonnert. Nach diesem Flug, der von Düsseldorf nach Kopenhagen ging, war der Mann geheilt“, erinnert sich Heidbrink.

Seminar mit Flugkapitänen und psychologischer Begleitung 

Und genau darum geht es den Initiatoren der Sunderner Flugangst-Seminare. „Wir erklären, was im Flugzeug vor sich geht“, so Heidbrink, der sich diese Aufgabe mit seinem Berufskollegen Ralf Medack teilt. Der Eurowings-Kapitän kann sich nichts Schöneres als Fliegen vorstellen. Schon als Kind flog er als Passier mit einer Boeing in die Ferien. „Grenzenlose Faszination“, schwärmt er. Medack bringt allerdings auch Verständnis für Leute wie Annika auf, die höllische Angst vor dem Fliegen haben. Die psychologische Beraterin Ute Becker versucht den Ursachen auf den Grund zu gehen. „Vieles geschieht unterbewusst und wird zum Teil auch imitiert“, sagt sie. „Wenn schon die Mutter Angst vor dem Fliegen hatte, ist es oftmals bei den Kindern ebenso.“

Lufthansa-Pilot Alfred Heidbrink

„Es sind oft die ungewohnten Geräusche und Bewegungen des Flugzeuges, die bei manchen Passagieren ein mulmiges Gefühl hervorrufen.“

Alfred Heidbrink

Bei den Flugangst-Seminaren wird individuell auf jeden einzelnen Teilnehmenden eingegangen und versucht, Blockaden und Ängste zu lösen. „Hier bekommen die Gäste die Möglichkeit, in einer sicheren Umgebung Flugsituationen zu erleben und ihre Ängste schrittweise zu überwinden. Die realistische Simulation ermöglicht es, Vertrauen aufzubauen und sich auf kommende Flüge vorzubereiten“, erklärt Ute Becker abschließend.

Alle Infos zu den zweitägigen Seminaren, die ab nächsten Monat angeboten werden sind auf der Homepage zu finden: https://www.flugangst-sauerland.de/seminar-termine/