Sundern. Petra Lehmann hat die neue Landarztpraxis Sorpetal mit den Standorten Hachen und Allendorf eröffnet. Pläne für Notdienst am Samstag

Das Bild vom Landarzt ist in Deutschland sehr stark durch die gleichnamige Vorabendserie geprägt, die 26 Jahre im ZDF lief: Ein bisschen behandeln hier, ein Schwätzchen mit den Patienten dort und zwischendurch wunderschöne Landschaftsbilder und romantische Liebesgeschichten.

Alles zum Wegfall der Notfallpraxis in Sundern

„Nein, damit hat mein Alltag wahrlich nicht so viel zu tun. Hier geht es nicht um Romantik. Die Arbeit steht im Vordergrund und das bedeutet, dass ich fast jeden Tag zehn bis zwölf Stunden im Dienst bin. Das ist eine strenge Taktung“, erklärt Petra Lehmann. Die 59-Jährige hat es in einem Alter, in dem andere sich so langsam geistig auf die Rente vorbereiten, gewagt, eine Landarztpraxis mit den Standorten Hachen und Allendorf ganz neu zu eröffnen.

Gleich mehrere Gründe haben sie zu diesem Schritt veranlasst, wie Petra Lehmann berichtet. Vor allem gehe es ihr aber um die Sicherstellung der medizinischen Versorgung in Sundern. „Man muss sich nur einmal die Situation anschauen. Aktuell ist man in Sundern ärztetechnisch noch recht gut aufgestellt, aber der Schein trügt. In den nächsten Jahren werden Praxen schließen, weil Ärzte in den Ruhestand gehen. Dazu kommt noch die Schließung der Notfallambulanz Ende des Monats. Das beunruhigt die Menschen.“

Die medizinische Versorgung in Sundern im Überblick

Mit dem Wegfall der Notfallpraxis Ende Januar ist in der Bevölkerung Sunderns auch eine Diskussion über die allgemeine medizinische Versorgung in der Stadt mit seinen 16 Ortschaften entbrannt. Doch wie ernst ist die Lage wirklich?

Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) befinden sich in Sundern derzeit 18 Hausärzte und -ärztinnen in zwölf Praxen, wobei nicht alle davon Vollzeit tätig sind. Hinzu kommen 21 Fachärzte und Psychotherapeuten in insgesamt 13 Praxen. Auch hierbei ist zwischen Vollzeit und Teilzeit zu unterscheiden.

Hans-Heiner Decker, Leiter der Bezirksstelle Arnsberg der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, erklärt: „Rein rechnerisch ist Sundern mit allen Fachrichtungen gut versorgt. Niederlassungsmöglichkeiten bestehen derzeit noch bei den Hausärzten. Bei den Fachärzten ist die Bedarfsprüfung nicht auf einen Mittelbereich begrenzt (wie bei Hausärzten, hier: MB Sundern), sondern je nach Fachbereich auf den Kreis, eine Raumordnungsregion oder gar KVWL-weit berechnet. Ich denke aber, dass Sundern ein großes fachärztliches Spektrum zu bieten hat und fachärztlich gut aufgestellt ist.“

Decker weist allerdings darauf hin, dass etwa ein Viertel der Ärzte und Therapeuten älter als 65 Jahren ist. Es ist also absehbar, dass diese Medizinerinnen und Mediziner in absehbarer Zeit aus der praktizierenden Tätigkeit ausscheiden werden. Allgemein gebe es nach Angaben der KVWL zur „Landarztgewinnung“ Förderprogramme, die aber erst ab einem geringen Versorgungsgrad greifen und für Sundern derzeit nicht infrage kommen würden. Zu den Fördermaßnahmen gehören beispielsweise Qualifizierungsmaßnahmen, Quereinstiege und Famulaturförderung. Bei der Famulatur lernen Medizinstudentinnen und -studenten über einen begrenzten Zeitraum praktische Erfahrung in einem Krankenhaus oder einer Praxis.

Hans-Heiner Decker betont aber: „Die finanzielle Förderung zur Nachwuchsgewinnung ist das Eine. Das Andere ist die permanente Abschreckung durch überbordende Bürokratieanforderungen seitens des Gesetzgebers und ständige Regressforderungen und Androhungen durch die Krankenkassen (auf gesetzlicher Grundlage). Das schreckt den ärztlichen Nachwuchs ab. Dies muss als zunehmendes Ärgernis sofort abgestellt werden.“

Wie die Stimmung in der Bevölkerung ist, hat sie durch ihre bisherige Arbeit ganz gut mitbekommen. Die Diplom-Medizinerin, geboren in Ostdeutschland, hat nach 15 Jahren als Ärztin bei der Bundeswehr 18 Jahre lang in einer Gemeinschaftspraxis in Hachen ihren Dienst verrichtet. Sie habe in den täglichen Gesprächen mit den Patientinnen und Patienten gemerkt, wie groß die Sorge sei, dass man in Sundern von der medizinischen Versorgung abgeschnitten werde.

Unterschiedliche Auffassungen über die künftige Ausrichtung der Gemeinschaftspraxis führten dazu, dass Petra Lehmann sich zum Ausstieg aus ebenjener entschied. „Ich habe den Praxisstandort Hachen abgekauft und um einen zweiten Standort in Allendorf ergänzt“, sagt die 59-Jährige. „Mir war auch wichtig, dass das Team aus Hachen eine berufliche Perspektive hat. Wir haben so lange so gut zusammengearbeitet und jetzt freue ich mich einfach, dass alle im Boot bleiben“, sagt Lehmann, die in Stemel wohnt.

Ärztin Petra Lehmann (hinten links) mit ihrem Team der Landarztpraxis Sorpetal
Ärztin Petra Lehmann (hinten links) mit ihrem Team der Landarztpraxis Sorpetal © Eric Claßen | Eric Claßen

Die vier medizinischen Fachangestellten Karin Schulte, Sonja Jedrysiak, Uta Hense und Sarah Hiby arbeiten Petra Lehmann zu. Bald wird mit Simbilje Alisani noch eine Raumpflegerin hinzukommen. „Wir kommen fast alle aus der Kernstadt Sundern, sodass die Fahrten nach Hachen oder Allendorf für uns gut zu schultern sind“, sagt Sonja Jedrysiak.

In Allendorf ist die Praxis seit dem 2. Januar geöffnet. Das bedeutet für die örtliche Bevölkerung einen Glücksfall, da die bisher dort praktizierende Allgemeinmedizinerin derzeit krank ist und viele Allendorfer nach Sundern fahren müssten, wenn es die neue Landarztpraxis Sorpetal nicht geben würde. „Die Menschen sind sehr dankbar, dass sie hier weiterhin behandelt werden“, so Jedrysiak.

Was sind Diplom-Mediziner?

Im Haupttext steht drin, dass Petra Lehmann Diplom-Medizinerin ist. Dieser Begriff ist vielen Menschen hierzulande nicht bekannt. Wir erklären, was sich dahinter verbirgt.

Der „Doktor“ ist ein Akademischer Titel. Einen Doktortitel erwirbt man durch wissenschaftliche Arbeiten in der Medizin, aber auch in anderen Wissenschaftsbereichen wie Wirtschaftswissenschaften, Rechtswissenschaften, usw. In Deutschland gibt es aus historischen Gründen unterschiedliche medizinische akademische Grade. Der Titel Diplom-Mediziner stammt aus der ehemaligen DDR und ist kongruent zum Titel Dr. med.

Abseits von diesen Titeln, die nichts über die Fachkompetenz des Arztes aussagen, ist Arzt, wer das 12-semestrige Medizin-Studium erfolgreich absolviert und im Anschluss daran die Approbation durch die Bezirksregierung erhalten hat. Danach beginnt eine in der Regel fünf- bis sechsjährige Facharztausbildung mit dem Ziel und der Berufsbezeichnung „Facharzt“ für zum Beispiel Allgemeinmedizin, für Innere Medizin, für Augenheilkunde, etc.

Wer zusätzlich eine wissenschaftliche Arbeit ablegt, kann einen akademischen Titel erhalten (Promotion). Innerhalb ihrer Fachbereiche sind aber ÄrztInnen mit dem Titeln „Dr. med.“ oder „Dipl.-Med.“ gleich

Apropos Dankbarkeit. Diese wird auch mal in Naturalien ausgedrückt, wie Petra Lehmann schon erfahren hat. „Ich habe schon Landwirte erlebt, die Eier oder ein Stück Fleisch vorbeigebracht haben.“ Eine solche Szene würde wohl auch gut in das Drehbuch einer Fernsehserie passen.

Bevor Petra Lehmann mit der neu gegründeten Landarztpraxis Sorpetal an den Start gehen konnte, musste eine bürokratische Hürde genommen werden. „Ich musste bei der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) einen Antrag stellen, dass hier überhaupt eine Praxis eröffnen durfte. Als die Zusage im November letzten Jahres eintraf, war ich schon mitten in den Umbauarbeiten hier in Allendorf.“

Aktuelles aus Arnsberg und Sundern

Derzeit switcht die erfahrene Allgemeinmedizinerin zwischen den Standorten. Montags ist sie den ganzen Tag in Allendorf. Dienstags und donnerstags bleibt die Praxis dafür vormittags geschlossen, mittwochs und freitags umgekehrt nachmittags. In Hachen wiederum ist die Sprechstunde derzeit nur dienstags, donnerstags und samstags vormittags. Zwischendurch werden von Petra Lehmann noch Hausbesuche abgeklappert. „Wir bieten die Sprechstunde am Samstag in Hachen auch deshalb an, weil die Notfallambulanz bald wegfällt und wir in Hachen derzeit nicht mehr Kapazitäten haben“, so Lehmann.

Weitere Zukunftsplanungen

Dies soll sich aber in naher Zukunft ändern. Eine weitere Ärztin aus Neheim soll zur Landarztpraxis dazustoßen. Außerdem könnte noch ein junger Kollege aus Dortmund das Ärzteteam ergänzen. Mittelfristig schwebt Petra Lehmann die Zusammenarbeit mit einer Sunderner Praxis vor. „Vielleicht können wir dann dauerhaft einen Notdienst am Samstag gewährleisten. Damit könnte der Wegfall der Notfallambulanz aufgefangen werden“, gibt sich die Stemelerin vorsichtig optimistisch.

Über sich selbst sagt Petra Lehmann, „dass ich gar nicht in einer Großstadt arbeiten könnte.“ Sie würde den persönlichen Kontakt mit den Menschen mögen. „Als Landärztin begleitet man oft eine komplette Familie. Nicht selten behandelt man Kinder, Eltern und Großeltern. Dadurch ist die Verbindung zu den Menschen enger als in der anonymen Großstadt.“