Sundern. Hans-Heiner Decker von der Kassenärztlichen Vereinigung verteidigt die umstrittene Schließung.

„Die Entscheidung ist längst gefallen. Sie ist alternativlos und auch nicht verhandelbar. Die Notfallambulanz in Sundern wird geschlossen!“ Der Arzt Hans-Heiner Decker will gar nicht erst falsche Hoffnungen aufkommen lassen, was einen Weiterbetrieb der Notfallambulanz in Sundern betrifft.

Ein langer Prozess

Der Facharzt für Allgemeinmedizin in Arnsberg ist seit 2005 Leiter der Bezirksstelle Arnsberg der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL). „Der Entscheidung zum Schließen der Notfallambulanz in Sundern liegt ein langer Prozess zugrunde. Aber wir mussten handeln, weil sich die Bedingungen in den letzten Jahren deutlich verändert haben. Es gibt speziell im ländlichen Raum immer weniger Ärzte, die Notdienste übernehmen können und wollen. Das hat zur Folge, dass wir als Träger immer größere Probleme bei der Organisation dieser Notdienste bekommen“, erklärt Decker.

Neben der Organisation übernimmt die KVWL auch die Bezahlung der Kolleginnen und Kollegen, die den Notdienst verrichten. Und bekanntlich gilt auch hier der Leitspruch: „Wer bezahlt, bestimmt welche Musik gespielt wird.“

Notfallzentrum in Hüsten

Hans-Heiner Decker macht keinen Hehl daraus, dass auch der Bau des neuen Notfall- und Intensivzentrums am Klinikum Hochsauerland in Hüsten eine wichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung gespielt hat. „Wir sind damals schon beim gezwungenen Wegzug der Notfallpraxis aus Arnsberg nach Hüsten gewechselt, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Es ist ja zwangsläufig so, dass die Frequentierung des Notfall- und Intensivzentrums in Hüsten zunehmen wird. Doch nicht bei allen der behandelten Fälle ist es sinnvoll, diese im neuen Zentrum zu behandeln. Jemand, der vielleicht eine kleine Schnittwunde hat, ist viel besser in der Notfallpraxis in der Nähe des Notfallzentrums in Hüsten aufgehoben“, erklärt der Allgemeinmediziner.

Dr. Hans-Heiner Decker
Dr. Hans-Heiner Decker © WP

Aktuell befindet sich die Praxis im ehemaligen Schwesternwohnheim in direkter Näher zum Zentrum. Für Oktober steht dann ein Umzug in Räumlichkeiten des Karolinenhospitals an. Durch eine Informationskampagne und eine geeignete Beschilderung wolle man künftige Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige informieren, damit diese vorab die jeweils für sie richtige Anlaufstelle ansteuern. Gleichzeitig soll es aber auch im Notfall- und Intensivzentrum eine entsprechende Priorisierung von leichten und schweren Fällen geben.

Schwierige Personalsituation

„Um den Andrang in der Notfallpraxis schultern zu können, benötigen wir mehr Personal. Daher hat sich der Beirat und Vorstand der KVWL dazu entschlossen, die Parallelstrukturen in Sundern zu streichen, um dann in Hüsten einen dauerhaften Zweischicht-Betrieb zu etablieren.“ Die Notfallambulanz in Sundern soll dann zum 1. Februar 2024 geschlossen werden. „Ohnehin hat sie derzeit nur am Wochenende und an Feiertagen geöffnet. In der übrigen Zeit musste man mit einem Notfall eh nach Hüsten fahren“, macht Decker deutlich. Und mangels ausreichender Mediziner in Sundern selbst, habe man den Notdienst bisher eh homogener mit Kolleginnen und Kollegen aus angrenzenden Gebieten bestücken müssen.

Hier explodieren die Kosten:

„Wenn ein Notfall wie ein Herzinfarkt oder Schlaganfall vorliegt, wird von Sundern aus ein Rettungswagen zum jeweiligen Einsatzort geschickt. Dort entscheiden dann die Mediziner, ob Patient oder Patientin nach Hüsten oder beispielsweise Meschede transportiert werden. Das war aber bislang auch unter den bisherigen Strukturen der Fall. Es ändert sich auf der Ebene künftig im Grunde nicht wirklich etwas.“

Für nichtmobile Personen, die nicht eigenständig zur Notfallambulanz nach Hüsten fahren können, existiere auch ein Fahrdienst, so Hans-Heiner Decker.

Wunsch nach sachlicher Debatte

Der Bezirksstellenleiter der KVWL wünscht sich nach eigenen Angaben in der gesamten Debatte eine Versachlichung. „Der gesamte Gesundheitssektor unterliegt einem Strukturwandel. Wir haben wie in vielen anderen Branchen einen Fachkräftemangel. Gleichzeitig wird vom Gesetzgeber erwartet, dass künftig Notfallpraxen Krankenhäusern zugeordnet sind. Wir müssen lernen, diese Realitäten zu akzeptieren.“

Sowohl diese als auch die vorherige Bundesregierung (vor der Pandemie) habe mit den von ihnen benannten Expertenkommissionen den allgemeinen politischen Willen sehr deutlich bekundet, dass der Weg in diese Richtung (Notfall- und Akutversorgung am Krankenhaus) gehen solle. Somit bestehe auf Bundesebene ein sehr weitgehender politischer Konsens der maßgeblichen Parteien, den es wahrzunehmen gelte, wenn Veränderungen ohnehin auf uns zukämen, so Hans-Heiner Decker. Eine solche Veränderung stehe mit Eröffnung des neuen Notfallzentrums am Klinikum Hochsauerland in Hüsten seit Juli 2023 an.

Strukturen verändern

„Ja, es ist richtig, dass der leicht Erkrankte aus Sundern demnächst etwas weitere Wege zur KVWL-Ambulanz am Krankenhaus in Hüsten wird machen müssen. Der Politiker, der dies tatsächlich für unzumutbar hält, möge einen Moment innehalten und nachdenken: Irgendwann wird jeder älter und früher oder später krank. Dann eine Notfall- und Akutversorgung in der Nähe zu wissen, die eine umfassende Notfallversorgung garantieren kann, ist überlebenswichtig. Mit der bisher nur am Wochenende geöffneten Notfallpraxis in Sundern konnte der wirkliche schwere Notfall ohnehin zu keinem Zeitpunkt endgültig und wohnortnah versorgt werden. Mit dem gemeinsamen neuen Notfallkonzept von KVWL und Klinikum in Verbindung mit einem leistungsfähigen Rettungsdienst wird eine verbesserte Versorgung ermöglicht“, betont der Allgemeinmediziner.

Die KVWL eile weder dem Minister noch dem Gesetzgeber im Gehorsam voraus, sondern treffe vielmehr selbst ihre eigenen autonomen Entscheidungen.