Neheim. Oft wird gesagt: Geflüchtete bleiben Deutschkursen fern. Doch die Nachfrage übersteigt das Angebot. Die VHS spricht Klartext.

Mohammad Ayash hat sich als Physiotherapeut beworben. „Ende des Monats habe ich mein Vorstellungsgespräch“, sagt er, „ich hoffe, dass ich dort arbeiten kann.“ Der Mittzwanziger besucht den Basisberufssprachkurs B2 an der VHS in Neheim. In den letzten fünf Monaten erwarb er Tag für Tag von 8 bis 12 Uhr arbeitsplatzbezogene Sprachkenntnisse im Bereich Deutsch als Zweitsprache. Erweiterte seinen Wortschatz, büffelte Grammatik und lernte zudem, einzelne Schriftwerke aus der Berufswelt zu verstehen.

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Und mit ihm rund 20 weitere Deutschlernende. Die meisten aktuell aus der Ukraine stammend. „Es ist Zufall, dass in diesem Kurs so viele Teilnehmerinnen aus der Ukraine sind“, sagt Sylvia Müller-Dörfler, stellv. Leiterin der VHS Arnsberg/Sundern, „in der Regel sind unsere Kurse dem Sprachniveau angepasst, nicht der Herkunft der Teilnehmenden.“ Der Vorteil liegt darin, dass sich die Teilnehmenden dann auch untereinander auf Deutsch unterhalten müssen, und nicht auf ihre Erstsprache ausweichen können. In diesem aktuellen Kurs ploppt Ukrainisch immer wieder auf.

Spracherwerb nicht nur im Kurs - sondern auch im Alltag

Das bestätigt auch Silvia Steinke von der Moveo gGmbH, die ebenfalls Deutschkurse anbietet. „Eine Herausforderung des Sprachenlernens ist, die Sprache auch im Alltag anzuwenden“, sagt sie, „also auch vor dem Kurs, in dem Kurs und nach dem Kurs.“ In den Pausen bekomme sie oft mit, dass sich die Teilnehmenden auf Ukrainisch bzw. Russisch unterhalten. Silvia Steinke unterrichtet ebenfalls einen Berufssprachkurs B2. „Die Lernenden sind sehr motiviert - und viele von ihnen habe ich auch schon im Integrationskurs unterrichtet.“

Und dennoch falle ihr auf, dass die Ukrainerinnen, die als erstes nach Arnsberg gekommen waren, motivierter und zielstrebiger an den Spracherwerb herangingen als diejenigen, die nun nach und nach in Deutschland ankämen. „Aktuell fielen ja wetterbedingt die Schulen aus“, so Steinke, „Zum aktuellen Integrationskurs erschienen 10 Teilnehmende deshalb nicht, während in meinem B2-Kurs niemand fehlte.“ Hier sei das Engagement ein anderes gewesen, sich darum zu kümmern, die Kinder gut untergebracht zu wissen und trotzdem zu kommen.

Deutschlernende sind grundsätzlich motiviert

Sylvia Müller-Dörfler weiß ebenfalls ganz genau, wie engagiert die meisten Teilnehmer in den Deutschkursen sind. „Es gab einmal einen Teilnehmer, der jeden Tag mit dem Fahrrad aus Wickede hierher kam“, erzählt sie, „er kam aus Afghanistan und hatte nur ein Ziel: Er wollte Deutsch lernen, um dann einen Job zu bekommen und seine Familie nachholen zu können.“

Ende des Monats habe ich mein Vorstellungsgespräch. Ich hoffe, dass ich dann als Physiotherapeut arbeiten kann.“
Mohammad Ayash - Kursteilnehmer

Ein jeder habe seine ganz eigene Motivation, die deutsche Sprache zu erlernen. „Die meisten möchten so schnell wie möglich einen Job finden können.“ Ebenso wie Aliaa Alquadhi, die sich gerne als Zahntechnikerin bewerben möchte. Oder auch die junge Ukrainerin, die sich im Bereich E-Commerce & Marketing selbständig machen möchte. Sie alle haben ein Ziel: Deutsch für den Beruf erlernen.

Die Teilnehmerinnen des Fortgeschrittenen-Kurs in Deutsch als Zweitsprache bereiten sich auf die B2-Prüfung vor.
Die Teilnehmerinnen des Fortgeschrittenen-Kurs in Deutsch als Zweitsprache bereiten sich auf die B2-Prüfung vor. © Thora Meißner

Um Herausforderungen zu meistern, braucht es auch Herz

Ebenso sind aber auch sie alle „gebrandmarkt“. Denn so unterschiedlich die Zukunftspläne auch seien mögen, so ähnlich liest sich ihre Geschichte. Die meisten Teilnehmerinnen in diesem Deutschkurs stammen aus der Ukraine - dem Land, das ihnen seit zwei Jahren keine Sicherheit mehr bieten kann. Auch die anderen Deutschlernenden an der VHS haben eine kriegs- und verfolgungsbehaftete Vergangenheit hinter sich - ob aus Syrien, Afghanistan, dem Irak oder dem Iran.

So sehr sich diese Menschen auch anstrengen, so schwer wiegt doch die Last, die auf ihnen liegt. „Wer lernen möchte, braucht einen freien Kopf“, sagt Sylvia Müller-Dörfler. „Und natürlich spielt auch die Vorbildung eine große Rolle.“ Gemeint ist, dass niemand wirklich lernen kannn, wenn er das Lernen nicht erlernt hat. Daher brauche es, um Geflüchtete zu unterrichten und die Herausforderungen zu meistern, die dieser Beruf mit sich bringe, auch Herz.

Wie das des Hartmut Ziegers, der seit zwölf Jahren als Dozent für die VHS tätig ist und den aktuellen Berufssprachkurs leitet. Mit ruhiger Stimme, organisiert und auf Augenhöhe spricht er mit seinen Kursteilnehmer - und beantwortet ihnen alle Fragen.

Apropos Herz: VHS sucht Deutschlehrer

Doch Menschen wie Hartmut Zieger (VHS) und Silvia Steinke (Moveo) gibt es zu wenige. „Uns fehlen die Lehrkräfte - insbesondere im Bereich Deutsch als Zweitsprache haben wir einen grundlegenden Lehrkräftemangel“, sagt Sylvia Müller-Dörfler. „Daher sind wir immer auf der Suche nach Dozenten.“

Sie sind DaZ-Lehrkraft? Bewerben Sie sich

Für eine Zulassung als Lehrkraft im Integrationskurs müssen Sie nachweisen, dass Sie folgende Voraussetzungen erfüllen:

- Ein erfolgreich abgeschlossenes Studium Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch als Zweitsprache oder eine vom Bundesamt anerkannte gleichwertige fachliche Qualifikation;
- Deutschkenntnisse mindestens auf Sprachniveau C1 des gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen;
- Eine für die Vermittlung der Inhalte und Ziele des Orientierungskurses ausreichende fachliche Qualifikation;
- Die persönliche Eignung für die Vermittlung der Inhalte und Ziele des Orientierungskurses.

Bewerbungen an die VHS können an Sylvia Müller-Dörfler gerichtet werden: s.mueller-doerfler@vhs-arnsberg-sundern.de.

Bewerbungen an die moveo gGmbH per Mail an: info@moveo-bewegt.de.

Elf Deutschkurse werden aktuell von der VHS Arnsberg/Sundern angeboten. „Und zweieinhalb volle Kurse fehlen gerade“, sagt sie, „wir stellen fest ein - zunächst einmal auf ein oder zwei Jahre.“ Aktuell sei es so, dass zwei ihrer festen Lehrkräfte aus persönlichen Gründen an andere Berufsorte gewechselt seien, und sie deshalb akut nach neuen Lehrkräften suche. Gerne erhalte sie auch Bewerbungen von Pensionären, die sich gerne einbringen möchten.

„Wir haben einige Menschen auf der Warteliste, die nur darauf warten, ihren Deutschkurs starten zu können“, sagt Silvia Steinke, „wahrscheinlich nicht so viele wie die VHS, aber auch bei uns ist der Lehrkräftemangel spürbar.“ Auch die Moveo gGmbH würde gerne noch eine Lehrkraft einstellen.