Brilon/Hochsauerlandkreis. Sauerländer sind genervt vom Motorradlärm und rücksichtslosen Rasern. Eine Bikerin aus Brilon verteidigt ihre Leidenschaft.
Die Motorradsaison im Hochsauerlandkreis sorgt jedes Jahr für hitzige Debatten. Während viele - vornehmlich gar nicht aus dem Sauerland - Biker sich schon auf die kurvenreichen Strecken im Sauerland freuen, ächzen die Anwohner wegen des Motorenlärms regelrecht unter der Belastung. Manche weisen sogar daraufhin, dass echte Gefahren entstehen. Das sieht auch die Polizei so, die zwar sinkende Unfallzahlen vermelden kann, allerdings weiterhin Unfall-Hotspots im Blick behält und die Motorradfahrer größtenteils als Verursacher der Unfälle mit beteiligten Bikes im Verkehrsbericht auflistet. Veronika Neumann ist selbst Bikerin, setzt sich im Vorstand der Motorradfreunde Sauerland e.V. ein. Sie bezieht Stellung zu den Lärm- und Gefahren-Vorwürfen, die den Bikern im Sauerland gemacht werden.
Vorwurf: Biker sind extrem laut
„Es sind – wie eigentlich auch in der Vergangenheit – immer wieder einzelne Motorradfahrer, die durch unnötigen Lärm auffallen. Sei es durch wiederholtes Befahren einer kurvenreichen Strecke oder halt durch Hochdrehen des Motors oder unzulässige oder gar manipulierte Auspuffanlagen“, so Veronika Neumann, die selbst oft nicht begeistert von solchem Verhalten ist. Allerdings erklärt sie, dass nicht immer nur den Motorradfahrern ein Vorwurf gemacht werden solle, sondern auch den Herstellern, die vermeintlich Kundenwünsche erfüllen würden. „Kürzlich habe ich mich mit einem Fahrer unterhalten, der seit vielen Jahren die gleiche Motorradmarke fährt. Nun wollte er sich das neueste Modell kaufen, war aber nach der Probefahrt maßlos enttäuscht: das Motorrad war allein durch die „normalen“ Motor- und Fahrgeräusche deutlich lauter als die Vorgängermodelle. Die Frage beim Händler nach einem leiseren Auspuff wurde verneint mit der Begründung „die Fahrer verlangten halt danach“ und ein leiserer Auspuff sei nur im Zubehörhandel mit einem hohen Aufpreis erhältlich“, erzählt Neumann. Zudem gebe es Motorradhersteller, die einen sogenannten „Klappenauspuff“ montieren. Diese Klappe lässt sich mittels Schalter „öffnen“ oder „schließen“ und kann quasi „von Hand“ laut oder leise geschaltet werden. Solche Auspuffanlagen mit manuell betätigtem Klappensystem sind nach Euro 3 legal nur in geschlossenem Zustand auf öffentlicher Straße zu bewegen. Der Schalter zur Betätigung darf nicht am Lenker sitzen. Nach Euro 4 sind solche Systeme ganz verboten. „Diese Regelung wird im realen Verkehr allerdings nur unzureichend kontrolliert“, bemängelt Neumann. Dies kritisiert sich auch im Hinblick auf eventuelle Manipulationen an den Bikes. So können db-Killer; ein Einsatz, der Lautstärke von Abgasanlagen reduzieren soll; noch immer leicht entfernt werden, die Polizei drücke oft ein Auge zu, wenn man den Einsatz schlicht dabei habe und vorzeigen könne erklärt Neumann. „Bedauerlicherweise meinen zudem auch einige Fahrer, nicht nur mit „lautem“ Auspuff unterwegs sein zu müssen, sondern auch die Umgebung daran teilhaben lassen zu wollen und „drehen“ mehr auf als notwendig ist, weil sie meinen „laut sein ist toll“.
Streckensperrungen führen Biker in Ortschaften
Einige Streckensperrungen, die nur an Wochenenden und Feiertagen gelten, führen laut Neumann zudem zu einer Verlagerung der bevorzugten Fahrstrecken. Sie nennt ein Beispiel: „Am Wochenende ist die Bergauffahrt von Oberkirchen Richtung Albrechtsplatz für Motorradfahrer untersagt. Also weichen diese aus und befahren die Strecke Neuastenberg-Langewiese – und fahren somit durch die Ortschaften, deren Anwohner sich dann gestört fühlen. Die langgezogenen Ortsausfahrten hier verleiten oftmals zu hochtourigen Beschleunigungsmanövern.“ Gleichzeitig sorgt auch manche Bauweise dafür, dass Motorräder nur im zweiten Gang durch Ortschaften fahren können, weil sie andernfalls untertourig fahren würden. Die Folge: Anwohner nehmen mehr Lärm wahr. Neumann dazu: „Es sind nicht mehr oder weniger „laute“ Motorräder unterwegs als in der Vergangenheit, aber die Wahrnehmung scheint anders.“
Verein versucht mit Trainings Miteinander zu schaffen
Der „MF Sauerland e.V.“ sucht zu den Anwohnern stets Kontakt, um sachliche Gespräche auf Augenhöhe zu führen. „Es ist uns wichtig, uns – stellvertretend für „die Motorradfahrer“ – nicht pauschal als notorische Raser, Unruhestifter oder Lärmverursacher wahrgenommen zu werden. Und in diesen direkten Gesprächen stellen die Anwohner dann fest, dass auch wir Familienväter, Mütter, Söhne, Töchter, und auch Großeltern sind. Also normale Menschen und nicht der Lederrowdy, über deren Lärm man sich manchmal ärgert.“ Weiterhin sind die Motorradfreunde in ständigem Dialog mit den zuständigen Behörden, wie z.B. Ordnungsamt und Polizei. Doch auch weitere Maßnahmen sollen für ein besseres Miteinander sorgen.
Sauerland für Biker immer beliebter
„So haben wir zum Saisonbeginn unser „WarmUp“ in Neuenrade mit einem Sicherheitsfahrparcour, um die Fahrer/innen nach der Winterpause wieder „locker“ zu machen und ihnen das „sichere Gefühl“ für das Motorrad wieder zu geben. Bei diesem Event bieten wir auch Lärmpegelmessungen an – so kann jeder interessierte Motorradfahrer den tatsächlichen Geräuschpegel seines Fahrzeugs (kostenfrei und einfach) von uns prüfen lassen.“ Auch SafetyTouren werden angeboten, um Motorradfahrer auf besonders gefährliche Streckenabschnitte oder Unfallschwerpunkte aufmerksam zu machen. „Hier werden auch regelmäßige Stopps eingelegt, um im Dialog auf diese Gefahrenpunkte hinzuweisen und so für die Besonderheiten der Sauerländer Straßen zu sensibilisieren“, erläutert Neumann. Die Vorstandsmitglieder sind zertifizierte Motorradcoaches und oftmals als Tourguides unterwegs, sie bieten geführte Touren und Trainings an, um hier auf Einzelproblematiken wie die korrekte Wahl der sicheren Kurvenlinlie gezielt eingehen zu können und so Sicherheit beim Fahren zu vermitteln.
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PKW übersehen Motorradfahrer oft
Veronika Neumann sieht die Probleme, allerdings will sie die Motorradfahrer nicht vollends verteufeln und übt zudem Kritik an dem Verkehrsbericht und den Daten die zeigen, dass Motorradfahrer oftmals Unfallverursacher sind, wenn Bikes beteiligt sind. „Ich bin ja nun viel mit dem Motorrad unterwegs und trotz meiner vorausschauenden und defensiven Fahrweise erlebe ich es selbst häufiger, dass ich scheinbar übersehen werde bzw. falsch eingeschätzt werde“, sagt Neumann. „Schon häufiger wurde mir im Kreisverkehr die Vorfahrt genommen.“ Sie schildert Situationen, in denen ein einfahrender PKW im Kreisverkehr ihre Vorfahrt missachtet. „Je nach Witterung oder Tageszeit „verschwindet“ rein optisch ein Motorradfahrer aufgrund seiner schmalen Silhouette. Durch tiefstehende Sonne oder wechselnde Lichtverhältnisse in Waldgebieten wird er nahezu „unsichtbar“ und schon deswegen häufig übersehen“, warnt sie. Und weiter: „Auch sind mir mehrere Fälle bekannt, in denen ein PKW einem Motorradfahrer (an der Ampel stehend) ohne zu bremsen aufgefahren ist. Auch hier wurde anschließend angegeben, er habe den Motorradfahrer schlichtweg nicht gesehen.“ Sie beobachte oft, dass Autofahrer durch ihr Handy in der Hand abgelenkt seien und gar nicht auf die Straße schauen würden. „Dies sollte deutlich mehr kontrolliert und mit höheren Strafen geahndet werden.“
Fahre mit Verstand durch das Sauerland
Sie sagt: „Natürlich gibt es auch die schwarzen Schafe, die durch überhöhte Geschwindigkeit negativ auffallen. Durch die bereits angeführten Events unseres Vereins, enge Kontakte innerhalb der Motorradszene und immer wieder stattfindende Gespräche appellieren wir oft an die Vernunft des Einzelnen. Wir als Motorradfahrer haben es in der rechten Hand, wie wir von anderen wahrgenommen werden. Nicht umsonst heißt unser Motto „Fahre mit Verstand durch das Sauerland“.