Winterberg. Die Stadt Winterberg verliert 27.000 Euro an Bußgeldern. Der Ärger darüber ist groß. Nun gibt es Attacken gegen den Schuldigen. Die Hintergründe:

Der Südwestfalen IT müssten vergangene Woche die Ohren geklingelt haben. Denn der Rat der Stadt Winterberg ließ kaum ein gutes Haar am Krisenmanagement des kommunalen IT-Dienstleisters, der nach eigenen Angaben fünf Kreise sowie 59 Städte und Gemeinden in einem Verbandsgebiet zu seinen Kunden zählt, das sich über 6.247 Quadratkilometer erstreckt, 1,7 Millionen Einwohnern hat, von denen die IT-Fachleute 20.000 Arbeitsplätze betreut. Seit dem Cyberangriff vor einem halben Jahr und den damit verbundenen einschneidenden Beschränkungen in den heimischen Kommunen geht erst jetzt allmählich alles wieder seinen geregelten Gang.

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Torben Firley, SPD-Fraktionsvorsitzender im Rat, hatte eine ganze Liste von Fragen eingereicht, um u. a. zu erfahren, ob die Schäden auch Auswirkungen auf die Finanzen der Stadt haben und ob alle Systeme wieder ordnungsgemäß laufen. Stadtsprecherin Rabea Kappen gab Antworten: So lässt die Stadt rund 27.000 Euro „im Dampf“, weil vorübergehend keine „Knöllchen“ bearbeitet werden konnten. Kappen: „Ab dem 29. Oktober konnten keine Vergehen im ruhenden Verkehr eingezogen werden. Nach drei Monaten verjähren die Taten und so sind uns aus November und Dezember 2023 und aus Januar 2024 insgesamt 1350 Fälle verfallen.“

Die finanziellen Folgen der Cyberattacke werden für die Kommunen erst nach und nach sichtbar.
Die finanziellen Folgen der Cyberattacke werden für die Kommunen erst nach und nach sichtbar. © dpa | Sina Schuldt

Das eigene IT-System der Stadtverwaltung, so Kappen weiter, sei nicht betroffen gewesen. Die Beschaffung von sechs Notebooks habe die Kommune vorgezogen, für rund 45.000 Euro sei ein Cyberschutz-Programm angeschafft worden – dies aber schon im März 2023. Ansonsten sei keine neue Hardware nötig gewesen. Die Domains (das sind die Adresszeilen im Webbrowser) seien seit vielen Jahren im Besitz der Stadt Winterberg. Die Postfächer habe man daher ohne Zusatzkosten anlegen und nutzen können.

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Foto Brilon © wp | Thomas Winterberg

Seitens der Südwestfalen-IT, so Kappen weiter, seien immer noch nicht alle Programme wieder am Laufen: Die Software für Bauantrags-Verwaltung sei noch außer Betrieb und im Sozialbereich seien Einmalzahlungen momentan nur einmal in der Woche mittwochs möglich – in der Vergangenheit ging das täglich. Kappen: „Es gibt noch keine gesicherte Auskunft, wann das wieder funktionieren soll. Die SIT testet das gerade im Märkischen Kreis.“

Finanzielle Auswirkungen für die Kommunen

Da alle betroffenen Kommunen letztlich auch Mitglied im Zweckverband der Südwestfalen-IT sind, und der Zweckverband für die Schäden haftet, werden die Kommunen wohl unterm Strich auf ihren Kosten sitzen bleiben. Die SPD wollte in dem Zusammenhang auch wissen, ob sich die IT-Schäden, die der HSK mit 1,5 Millionen Euro beziffert, auf die Kreisumlage auswirken werden. Das konnte die Stadtsprecherin derzeit nicht bewerten.

Torben Firley
Torben Firley © SPD Winterberg | SPD Winterberg

Torben Firley (SPD) erklärte, er habe diese Anfragen nicht ohne Grund gestellt: „Ein privater Dienstleister wäre nach so einem Vorfall insolvent, der Geschäftsführer vermutlich auf der Flucht“, formulierte er überspitzt. Seiner Meinung nach solle man andere Lösungen ins Kalkül ziehen und sich mit benachbarten Kreisen wie Paderborn oder Waldeck-Frankenberg über deren Erfahrungen austauschen: „Das Vertrauen in die Südwestfalen IT ist erloschen. Auch einen Zweckverband kann man auflösen.“

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In dieselbe Kerbe schlug auch Sven Lucas Deimel (CDU): „Auf so einen Fall hätte der Dienstleister vorbereitet sein müssen. Schade, dass man niemanden in Regress nehmen kann.“ Er hege erhebliche Zweifel an der langfristigen Sicherheit und an den generellen Strukturen des Systems. Bürgermeister Michael Beckmann erklärte, man befinde sich mitten in einem „Cyber-Krieg“ und man wisse, woher die Bedrohung komme. „Cybersicherheit ist in letzter Konsequenz auch Bevölkerungsschutz.“ Der neue Geschäftsführer der Südwestfalen-IT stehe allerdings vor demselben Problem wie viele Kommunen auch; es sei schwierig, genügend Fachpersonal zu finden.

Aufwand für kleinere Städte nicht leistbar

Auf die Frage der SPD, ob es in Anbetracht des Ausstiegs der Stadt Witten aus dem IT-Verbund ähnliche Überlegungen der betroffenen Kommunen und Kreise gebe, sagte Rabea Kappen: „Der Aufwand ist mit einer so kleinen IT nicht leistbar. Wenn kreisweite Lösungen anstehen sollten, würden diese auf Ebene der Hauptgemeindebeamten-Konferenz besprochen.“

Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung in Nordrhein-Westfalen hat das IT-Systemhaus Bechtle beauftragt, einen Check des IT-Sicherheitstands für die rund 400 Kommunen in NRW durchzuführen. Nach Niedersachsen ist Nordrhein-Westfalen das zweite Bundesland, das auf die von Bechtle entwickelte Security-Analyse „B-Hard“ vertraut. Auch hier wollte die SPD wissen, ob die Stadt das Programm auf dem Schirm hat. Antwort von Rabea Kappen: „Winterberg hat sich als eine der Ersten zur Teilnahme an diesem Programm angemeldet. Der Kontakt ist bestätigt. Aber alle der SIT angeschlossenen Kommunen und Kreise sollen erst im dritten oder vierten Quartal 2024 getestet werden. Zu Anfang muss die IT-Infrastruktur der Südwestfalen-IT aber erst wiederhergestellt sein.“