Hochsauerland. Energiegenossenschaften, Biogasanlagen, Photovoltaik auf Dächern - die Städte im Altkreis Brilon haben verschiedene Ideen für die Energiewende.

Alle sechs Altkreisstädte halten nichts von dem Antrag der SPD im Kreistag, eine Kommunale Energieerzeugungsgesellschaft zu gründen. Schriftlich auf eine Einschätzung zu dem Thema befragt, antworteten alle Kommunen unisono: „Der Antrag war schon zweimal Thema in der Konferenz der Hauptverwaltungsbeamten. Wir sind uns im Kreis aller zwölf Bürgermeister parteiübergreifend einig, dass die Energie, die direkt vor der eigenen Haustür regenerativ selbst erzeugt werden kann, zukünftig noch stärker genutzt werden soll. Jede Stadt möchte ihre Flächen aber auf örtlicher Ebene planen.“ Ein gemeinsames Vorgehen in einer kreisweiten Energieerzeugungsgesellschaft scheint den Städten derzeit wenig praktikabel.

Es geht um Strom- und Energiegewinnung der Zukunft.
Es geht um Strom- und Energiegewinnung der Zukunft. © dpa | Jens Wolf

Wie sieht die Energiewende vor Ort aus? Aktuell gibt es in Winterberg noch keine energie-autarken Stadtteile oder Dörfer. Allerdings plant die Kommune, neue Baugebiete wie z.B. am Dumel als klimaneutrale Quartiere. Sprecherin Rabea Kappen: „Um die Energie, die bei uns regenerativ selbst erzeugt werden kann, zukünftig selber zu nutzen, verfolgen wir unterschiedliche Ansätze: Wir prüfen die Gründung einer Bürger-Energiegenossenschaft, mit der wir gute Erfahrungen gemacht haben. Bereits 2009 hat sich die Bürger-Energiegenossenschaft Kahler Asten in Winterberg gegründet; sie hat eine erste große Freiflächenphotovoltaikanlage gebaut und in weitere Anlagen, auch in Medebach und Hallenberg, investiert.“ Man könne sich vorstellen, mit einer kommunalen Bürgerenergiegenossenschaft weitere Anlagen zu errichten. Die Bürger könnten sich dann über Anteile an der Genossenschaft beteiligen.

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Winterberg setzt u.a. auf Energie-Genossenschaften

Die Stadtwerke Winterberg bearbeiten derzeit die Geschäftsfelder Wasser und Abwasser. Der Verwaltungsrat hat den Vorstand der Stadtwerke mit einer Machbarkeitsprüfung beauftragt. Dabei geht es um die Erweiterung der Geschäftsfelder in Sachen regenerative Energie. Die Stadtwerke sollen in alle Richtung prüfen, vom Anbieten des Stroms für Bürgerinnen und Bürger bis zur Eigenstromproduktion, um diesen zum Beispiel für die Pumpen in den Hochbehältern einzusetzen. Das würde direkt Einfluss auf die Höhe der Gebühren haben, da der Strom im Bereich Wasser ein erheblicher Kostenfaktor ist. Deswegen beschäftigen sich die Stadtwerke auch intensiv mit dem Thema Photovoltaik. Hier gibt es die konkreten Überlegungen, dass die Stadtwerke auf ihre Anlagen im Bereich Wasser und Abwasser Photovoltaik setzen und den produzierten Strom dann für ihre Anlagen einsetzen.

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Biogasanlage macht zwei Dörfer energieautark

In Medebach sieht die Situation so aus: Titmaringhausen und Referinghausen sind energieautark. Sie werden über eine Nahwärmeleitung der Biogasanlage Frese versorgt. Zudem gibt es punktuelle Nahwärmeversorgungen in Deifeld und Medebach. Darüber hinaus gibt es aktuell Überlegungen in Oberschledorn. Bürgermeister Thomas Grosche zu weiteren Möglichkeiten: „Aufgrund der flächendeckenden hochkarätigen Schutzgebiete in der Hansestadt Medebach sind Flächen für regenerative Energien sehr begrenzt. Hier gilt es, den neuen Landesentwicklungsplan abzuwarten, der für das Frühjahr 2023 angekündigt ist. Danach wird sich zeigen, ob es z.B. Öffnungen für Flächen in Natura-2000-Gebieten gibt.“ Im Rahmen des Klimaschutzkonzeptes lasse man z.B. die Möglichkeit einer Energiegenossenschaft näher prüfen. Auch diesbezüglich sei es natürlich wichtig, Flächen zu generieren. Für Neubaugebiete sollen Wärmeverbünde geprüft werden.

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Photovoltaik auf Industriegebäuden in Marsberg

In Marsberg gibt es bislang eine Energiegenossenschaft der Volksbank, die u.a. auf städtischen Dachflächen Photovoltaikanlagen installiert hat. Ansonsten habe Marsberg noch keine energie-autarken Stadtteile oder Dörfer, so Bürgermeister Thomas Schröder. „Allerdings beziehen Teile von Meerhof bereits ihren Strom aus der Direktvermarktung der Windkraft. Canstein und Udorf profitieren von einer privaten Biogasanlage in Canstein. Perspektivisch betrachtet, so der Bürgermeister, seien noch viele Dachflächen im Stadtgebiet ungenutzt, vor allem auch Dachflächen von Industriegebäuden. Darüber hinaus betont der Bürgermeister, sollen Energieverbräuche in kommunalen Einrichtungen durch Verhaltensanpassungen der Nutzer dauerhaft reduziert werden. Energetische Sanierungsmaßnahmen in und an Gebäuden sind schon und werden weiter durchgeführt.

Olsberg fördert Balkonkraftwerke

Energieautarke Dörfer gebe es im Stadtgebiet nicht, falls aber aus den Kommunen Anträge oder Ideen kämen, würde man sich damit beschäftigen, so die Sprecherin der Stadt Olsberg, Angelika Beuter-Sielemann. Die Kommune unterstütze ihre Bürgerinnen und Bürger bei der Anschaffung von Balkonkraftwerken und Photovoltaikanlagen finanziell. Der Bauhof werde schon heute komplett mit Pellets beheizt. Von der Pelletheizung in der ehemaligen Realschule werde bereits die Sekundarschule, die Kardinal-von-Galen-Grundschule und die Turnhalle des Berufskollegs versorgt. Alle städtischen Gebäude würden derzeit von einem externen Büro auf Energiesparmöglichkeiten hin untersucht.

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Schon 140 Prozent Strombedarf gedeckt

Die Stadt Brilon antwortet: „Über das gesamte Stadtgebiet Brilon (Stadt und Dörfer) betrachtet werden dort schon jetzt etwa 140 Prozent des Strombedarfs erneuerbar erzeugt. Stadtteil-und/oder dorfbezogene Erhebungen dazu liegen nicht vor. „Die für die Errichtung von Windenergieanlagen geeigneten Flächen sind im Flächennutzungsplan als Konzentrationszonen ausgewiesen. Für die Flächenphotovoltaik gibt es bislang noch kein gesamtgemeindliches Planungskonzept. Aufgrund der Nichtprivilegierung der Freiflächenphotovoltaik ist hier eine Positivplanung vorgesehen. Geeignete Flächen sind sicher vorhanden, allerdings muss politisch entschieden werden, ob sie auch der Installation von Photovoltaik zugeführt werden sollen. Der Hauptfokus liegt in Brilon in der Nutzung von Gebäuden zur Erzeugung von Solarenergie.“

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Eine Unabhängigkeit vom Energieträger Erdgas, so die Stadt weiter, sei aus heutiger Sicht noch in weiter Ferne. Eine Kommune oder ein Stadtwerke allein könne dies auch nicht realisieren, da eine Vielzahl an Gebäuden für alternative Energieträger derzeit und in absehbarer Zukunft nicht geeignet seien – zumindest mit der zur Zeit zur Verfügung stehenden Anlagentechnik und dem altersbedingt hohen Energiebedarf vieler Gebäude. Die Stadt und die Stadtwerke wollen dennoch die Umsetzung alternativer Energieerzeugungskonzepte prüfen.

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„Als Ziel der hundertprozentigen Energie-Autarkie sollten wir Zwischenziele setzen und alle Potenziale der erneuerbaren Energien bewerten und nach Möglichkeit umsetzen“, sagt Hallenbergs Bürgermeister Enrico Eppner. Neben kommunalen Bestrebungen sei auch jede Art von privat oder gewerblich erzeugter Energie ein wichtiger Teil dieser Gesamtlösung. Für die aktuelle Heizsaison könne man lediglich reagieren. „So haben wir beispielsweise Maßnahmen zur Energie- und Gaseinsparung umgesetzt. Auch haben wir für Neu- bzw. Umbauten den Einsatz von Wärmepumpen eingeplant, neben deren Einsatz beschäftigen wir uns sukzessive mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien, beispielsweise durch die Beplanung aller kommunalen Liegenschaften mit Photovoltaik. Aufgrund der kommenden Gesetzeslage in NRW durch das „Wind an Land Gesetz“ werden wir uns auch in Hallenberg zukünftig mit dem Thema Windenergie auseinandersetzen müssen.“