Winterberg. Das Aus für die Gynäkologie in Winterberg belastet Patientinnen und Frauenärzte im Umkreis. Viele Praxen sind bereits jetzt voll ausgelastet.
Schon seit dem 1. November 2022 werden keine neuen Patientinnen mehr in der Gynäkologie des Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) St. Franziskus in Winterbergaufgenommen. Dr. Joachim Steller beendet zum Jahresende seine Arbeit in der Praxis, in der er auch nur zwei Mal in der Woche eingesprungen war. Die Patientinnen wird das nun vor ein großes Problem stellen, findet auch Gertrudis Hirsch, eine ehemalige Patientin des MVZ in Winterberg. Sie hatte sich schon vor einiger Zeit um Ersatz bemüht: „Ich habe mir bereits eine neue Ärztin gesucht“, sagt sie gegenüber der WP. „Das war hier im Umkreis gar nicht so einfach. Meine Ärztin ist jetzt in Brilon und die hat mich auch nur aufgenommen, weil ich chronisch erkrankt bin.“ Aber sie fragt sich auch: „Wo sollen die ganzen Patientinnen denn hin? Ich weiß gar nicht, wie man sich das hier vorstellt. Wer zum Beispiel nicht mehr Auto fahren kann, hat ein Problem, das man in der Stadt wahrscheinlich nicht hätte.“
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Auch die Stadt Winterberg wurde von der Nachricht der MVZ-Schließung überrascht: Bürgermeister Michael Beckmann hatte mit großer Bestürzung auf die überraschende Ankündigung des MVZ St. Franziskus reagiert, die gynäkologische Praxis zum Jahresende schließen zu wollen, hieß von der Stadt. Die Schließung der gynäkologischen Praxis des MVZ bedeutet aber vor allem, dass viele Patientinnen bald ohne einen Frauenarzt oder eine Frauenärztin dastehen.
Was mit den Patientinnen passiert
Die Bestandspatientinnen werde man sukzessive auf andere Praxen mit gynäkologischem Schwerpunkt umleiten, sagte das MVZ St. Franziskus in der vorigen Woche. Man sei bemüht, für jede Patientin die passende medizinische Versorgung zu finden. Dennis Figlus, Geschäftsführer des St. Franziskus in Winterberg, fügte auf Nachfrage dieser Aussage jedoch noch hinzu: „Es kommt auf die Patientin an. Man muss unterscheiden, ob jemand wegen endokrinologischer Probleme oder einer chronischen Krankheit in Behandlung ist oder ob es um allgemeine Untersuchungen geht. Bei speziell versorgten Patientinnen unterstützen wir natürlich“, betonte er. Eine neue Praxis für allgemeine Untersuchungen, wie etwa die jährliche Krebsvorsorge, müsse sich jede Patientin selbst suchen.
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Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe konnte auf erneute WP-Anfrage keine weiteren Informationen zur Versorgungslage in Winterberg und Umgebung liefern. Wie viele Ärztinnen und Ärzte für eine Stadt, einen Kreis oder eine Region benötigt werden, werde durch die „Bedarfsplanung“ festgelegt, schrieb die KVWL in der vergangenen Woche. Diese Planung soll eine ausreichende und flächendeckende Versorgung mit niedergelassenen Ärzten gewährleisten und zudem eine Fehlversorgung vermeiden. Der Versorgungsgrad im Hochsauerland betrage im Moment 112,9 Prozent, so dass es sich sogar um eine Überversorgung handle.
Viele Ärztinnen bereits ausgelastet
Gynäkologin Dr. Juliane Wunderlich aus Olsberg empfindet die Situation aber so nicht. „Der Blickwinkel der KVWL ist da wohl etwas anders, als die Versorgung vor Ort dann wirklich aussieht“, sagt sie. „Natürlich rechnen wir damit, dass wir demnächst viele Patientinnen dazu bekommen und wir sind auch schon ziemlich ausgelastet.“ Sie weist zudem auf ein weiteres Problem hin: „Es ist ja nur verständlich, dass Patientinnen sich den Arzt oder die Ärztin aussuchen möchten. Diese Auswahl ist hier in der Region aber eigentlich vom Tisch.“
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Auch Frauenärztin Christine Seidel vom MVZ in Korbach ist schockiert von der Schließung der Gynäkologie in Winterberg. „Ich finde das ganz schlimm“, sagt sie. „Ich habe sowieso schon einige Patientinnen aus Winterberg übernommen.“ Dr. Joachim Steller war im MVZ in Winterberg nur für zwei Tage die Woche eingesprungen. „Andere Praxen nehmen schon keinen mehr, ich versuche es aber noch“, sagt Seidel. Generell könne sie Neupatientinnen aber eigentlich erst wieder ab April 2023 aufnehmen. „Schwangere gehen aber natürlich vor und werden hier immer aufgenommen. Das Gleiche gilt auch für akute Fälle“, betont sie.
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Das Kreiskrankenhaus Frankenberg hingegen rechnet nicht mit Auswirkungen auf das eigene Haus. „Eine Schließung der gynäkologischen Praxis im MVZ Winterberg bedeutet den Wegfall einer ambulanten Behandlungsmöglichkeit“, sagt Dr. Volker Aßmann, Chefarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe. Das Krankenhaus Frankenberg betreue in der Regel aber stationäre Patientinnen.