Marsberg/Brilon. Pflegekräfte in Krankenhäusern und in der Altenpflege sollen einen Coronabonus von bis zu 550 Euro erhalten. Das sorgt allerdings nicht für Jubel

„Es ist enttäuschend und traurig, dass in den vergangenen zwei Jahren so viel passiert ist und sich nichts tut“, sagt Aline Krause. Sie ist Krankenpflegerin im St.-Marien-Hospital in Marsberg und findet, dass für ihren Berufsstand mehr getan werden muss von Seiten der Politik. Für dieses Jahr hatte die Ampel-Koalition einen Pflegebonus angekündigt. Der ist noch immer nicht ausgezahlt und steht auch nur bestimmten Gruppen zu. Drei Pflegekräfte erklären, was sie frustriert und was sie sich statt Applaus wirklich wünschen.

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Der angekündigte Pflegebonus soll Pflegekräften in Kliniken und Pflegeeinrichtungen zukommen, da sie sie in der Corona-Krise im Vordergrund gestanden hätten, so Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Laut einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sollen die Zahlungen jeweils zur Hälfte ausgeschüttet werden. Dafür will die Regierung eine Milliarde Euro bereit stellen und die Steuerfreiheit für Bonuszahlungen auf 3.000 Euro anheben.

Wer vom Pflegebonus profitieren soll

Wie dpa zufolge aus einem bekannt gewordenen Eckpunktepapier des Gesundheitsministeriums hervor geht, soll in der Altenpflege ein gestaffelter Corona-Bonus in folgender Höhe ausbezahlt werden:

  • Vollzeitkräfte bis zu 550 Euro,
  • Personal, das mindestens 25 Prozent der Arbeitszeit in der direkten Pflege / Betreuung tätig ist (zum Beispiel in Verwaltung, Haustechnik, Küche) bis zu 370 Euro,
  • Azubis bis zu 330 Euro,
  • Helfer im Freiwilligendienst oder im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) etwa 60 Euro,
  • sonstige Beschäftigte bis zu 190 Euro.

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„Profitieren sollen Beschäftigte von Pflegediensten und Pflegeheimen, die zwischen dem 1. November 2020 und dem 30. Juni 2022 für mindestens drei Monate in der Altenpflege tätig waren und am 30. Juni 2022 noch beschäftigt sind“, heißt es. Janis Hecker arbeitet als Altenpfleger im Seniorenzentrum St. Engelbert in Brilon und sagt: „Ich sehe das positiv für uns und durch die Belastungen der vergangenen zwei Jahre finde ich das auch gerechtfertigt. Allerdings ist es nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.“ Er ist der Meinung, dass es keine Unterschiede geben sollte zwischen den Empfängern der Bonuszahlung. „Alle haben Belastungen erfahren. Nicht nur die stationäre Langzeitpflege. Die Zahlungen sollten gleich ausfallen.“ Der 27-Jährige wünscht sich mehr Anerkennung, ein höheres Gehalt und bessere Rahmenbedingungen.

Janis Hecker ist Altenpfleger im Seniorenzentrum St. Engelbert in Brilon.
Janis Hecker ist Altenpfleger im Seniorenzentrum St. Engelbert in Brilon. © Privat

Für Pflegekräfte in Kliniken ist laut dpa ein Bonus für Krankenhäuser geplant, die 2021 mehr als zehn Covid-Fälle mit künstlicher Beatmung behandelt haben. Welche Pflegekräfte einen Corona-Bonus erhalten und in welcher Höhe ist noch unklar – dies sollen Klinikträger und die Beschäftigtenvertretungen gemeinsam entscheiden. „Die Prämien sollen sich in erster Linie an Pflegekräfte in der Pflege am Bett richten. Pflegekräfte im Bereich der Intensivpflege sollten einen höheren Bonus erhalten als Pflegekräfte in anderen Bereichen“, zitiert die dpa aus dem entsprechenden Eckpunktpapier.

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Coronabonus sollte jedem im Gesundheitssystem zustehen

Svenja Ratzlaff arbeitet im St.-Marien-Hospital in Marsberg und hat ebenfalls eine klare Position zum Coronabonus: „Ich bin der Meinung, dass es gerecht wäre, wenn alle Mitarbeiter im Gesundheitssystem berücksichtigt werden würden. Auch auf den Normalstationen gibt es Patienten mit Corona. Mitarbeiter wurden positiv getestet und Ausfälle mussten kompensiert werden“, sagt die 26-Jährige. Sie weiß, dass auf den Intensiv- und Isolierstationen viel Arbeit in den vergangenen zwei Jahren anstand, seit Corona den Alltag bestimmt. Aber nicht nur dort wirkt sich die Pandemie aus. Ein Umstand, der gesehen werden sollte. Pflegeratspräsidentin Christine Vogler warnte jüngst vor der Gefahr einer Spaltung unter den Pflegekräften, wenn es zu einer ungerechten Verteilung der Prämienauszahlung käme. Die Problematik sieht Ratzlaff auch, wenn nur bestimmte Gruppen berücksichtigt werden sollten.

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Eine gewisse Enttäuschung über die Politik macht sich bei ihr breit. Viel würde über Verbesserungen in ihrem Berufsstand gesprochen, aber einen Unterschied merkt sie nicht. Für sie reicht eine Bonuszahlung nicht aus, um zusätzlich die Attraktivität des Berufs zu steigern. „Es ist ein schöner Beruf mit guten Aufstiegsmöglichkeiten, aber die Bezahlung müsste auch generell angepasst werden. Auch in der Altenpflege.“ Die Arbeitsbedingungen müssten sich ändern. Sie sollen laut der Marsbergerin familienfreundlicher sein und auch mehr Angebote für Weiterbildungen vorhalten. Die Möglichkeiten seien rar und durch den Fachkräftemangel auf den Stationen fehle es außerdem an der Zeit, um diese wahrzunehmen. „Es ist frustrierend“, resümiert sie die Situation mit Blick auf die mangelnden Verbesserungen durch die Politik.

Svenja Ratzlaff ist Krankenpflegerin am St.-Marien-Hospital Marsberg und hat ihre Bedenken mit Blick auf den Coronabonus für Pflegekräfte.
Svenja Ratzlaff ist Krankenpflegerin am St.-Marien-Hospital Marsberg und hat ihre Bedenken mit Blick auf den Coronabonus für Pflegekräfte. © Christiane Bernert

Aline Krause ist Krankenpflegerin auf der chirurgischen Station im St.-Marien-Hospital in Marsberg und wünscht sich eine Honorierung der Leistungen auf einem Niveau über alle Bereiche hinweg. Ihrer Ansicht nach sollte das Geld sollte an Leute gehen, die in der Pandemie Leute versorgt haben und immer noch versorgen. „Das würde ich gerne sehen.“ Seit zwei Jahren gibt es Corona und auch Bonuszahlungen sind geflossen, aber das reiche nicht, um die tägliche Arbeit zu honorieren. Früher hätte schon etwas passieren müssen. „Jetzt sind die Stationen wieder nicht so voll und sowas wie ein Licht am Ende des Tunnels ist zu sehen, aber es hätte etwas passieren müssen, als es schlimm und grausam war.“

Erhöhte Ansteckungsgefahr mit Corona im Krankenhaus

Die 26-Jährige kann sich gut vorstellen, dass es zu einer Spaltung unter Pflegekräften kommen kann, wenn die Leistungen unterschiedlich gewürdigt werden sollten. Ihr ist bewusst, dass auf Intensivstationen die größte Arbeit mit Corona bewältigt werden muss, aber auch sie und ihre Kollegen in den anderen Bereichen haben Berührungspunkte mit Patienten, die sich als positiv herausstellen und auch sie arbeiten unter einer erhöhten Ansteckungsgefahr. Krause hatte sich im Krankenhaus mit Corona infiziert. „Wir geben alle täglich unser Bestes und haben wegen der Pandemie einen noch größeren Aufwand. Deswegen sollte auch jeder zeitgleich den gleichen Bonus erhalten.“

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Die Marsbergerin ist enttäuscht von der Politik, die der Meinung sei, dass alles in den Krankenhäusern funktioniert. „Ja, man applaudierte für uns, aber davon haben wir nicht mehr Freizeit. Dadurch haben wir nicht weniger Überstunden, weniger Personalmangel. Irgendwann ist man verzweifelt und fragt sich wirklich, was noch passieren muss, damit die Politik reagiert.“

Aline Krause mag ihren Beruf. Übt ihn mit Leib und Seele aus. Ihr liegt das Wohl der Patienten am Herzen. Sie hofft auf bessere Bedingungen in ihrem Beruf, der die Attraktivität steigert und so Kündigungen verhindert und den Nachwuchs überzeugt, sich für das Feld zu entscheiden, um Personalmangel künftig eindämmen zu können. „Die Politiker sollten in die Krankenhäuser gehen und hinter die Kulissen schauen. Und das nicht nur auf den Intensivstationen.“