Winterberg. Nur Geimpfte und Genesene dürfen in NRW Shoppen gehen. Die Kritik vieler Händler im Sauerland ist groß. Doch es gibt auch Ausnahmen:

Die 2G-Regelung im Einzelhandel erhitzt bei Handelsverbänden und Händlern die Gemüter. Immer mehr Bundesländer schaffen sie ab. Seit Montag ist sie in der direkten Nachbarschaft zum Sauerland, in Hessen, gefallen: Auch in Winterberg wird über das Thema diskutiert. Und im Urlaubsort stellen einige die Sinnfrage nach der Regelung. Es gibt aber auch Ladenbesitzer, die diese Beschränkungen richtig und wichtig finden.

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Keine Lust auf Vorzeigen des Impfnachweises

Janette Reuvers ist Filialleiterin von Quick Schuh Winterberg. Für sie hat sich seit Dezember vieles verändert. Ohne Impfnachweis und Personalausweis darf sich keiner in ihrem Laden nach neuen Schuhen umsehen. „Das Ordnungsamt kontrolliert schon streng“, sagt sie. Zum Glück seien die Mehrzahl der Kunden aber sehr nett und würde die Vorgaben akzeptieren. Trotzdem: Besonders beim Umsatz hätten sich die Verschärfungen der Vorgaben deutlich bemerkbar gemacht, sagt Filialleiterin Reuvers. So gebe es auch immer wieder mal Kunden, die, nachdem sie auf die Nachweise angesprochen worden seien, direkt auf dem Absatz kehrt gemacht hätten. Zumeist mit der Begründung, dass man darauf keine Lust habe.

Tatjana Schnurbusch vom Spielzeugladen Pfiffikus bangte während des Lockdowns um die Existenz ihres Ladens.
Tatjana Schnurbusch vom Spielzeugladen Pfiffikus bangte während des Lockdowns um die Existenz ihres Ladens. © WP | Benedikt Schülter

Mitarbeiterin im Schuhladen wird schwer beleidigt

Insgesamt würden sie und ihre Mitarbeiterinnen schon eine gewisse Grundgereiztheit bei vielen Kunden spüren. Es seien dabei auch schon mal extreme Ausreißer dabei. „Eine Kollegin von mir ist von ein paar Jugendlichen als Schlampe bezeichnet worden. Das geht natürlich gar nicht“, sagt Reuvers. Insgesamt sei es ihrer Meinung nach an der Zeit die 2G-Regelung fallen zu lassen. Schließlich sei es aus ihrer Sicht nicht mehr nachvollziehbar, dass die Vorgaben von Bundesland zu Bundesland so unterschiedlich seien. „Ich finde, dass Nordrhein-Westfalen da unbedingt nachziehen muss“, so die Schuhverkäuferin.

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Snowboardverkäuferin befürwortet 2G

Das sieht die Besitzerin der Liftstation, einem Snowboard & Skateshop, ganz anders. In ihrem Geschäft geht es lässig zu - modische, stylishe Kleidung und beispielsweise ein rosa Snowboard mit einem aufgedruckten Lama stehen zum Verkauf. Aus den Musikboxen erklingt Reggae-Musik. Doch Lässigkeit bei den 2G-Vorgaben gibt es hier nicht, betont die 40-jährige Alexandra Brenne: „Ich finde die Regelung genau richtig. Denn sie schützt besonders mich. Ich kann es mir wirklich nicht leisten, zwei Wochen in Quarantäne zu gehen. Das Tolle ist aber auch, dass meine Kunden mitziehen“, sagt sie. Sie habe keinerlei finanzielle Einbußen hinnehmen müssen.

Janette Reuvers ist Filialleiterin von Quick Schuh Winterberg.
Janette Reuvers ist Filialleiterin von Quick Schuh Winterberg. © WP | Benedikt Schülter

Umsatzstärkster Monat trotz 2G-Regelung

Ganz im Gegenteil: Der Monat Januar sei der umsatzstärksten Monat gewesen, seit sie mit ihrem Geschäft 2014 von Brilon nach Winterberg gezogen sei. Zwischen 50 und 200 Ladenbesucher habe sie pro Tag. Sie habe bisher „nie“ Probleme bei der Umsetzung der Corona-Vorgaben gehabt, berichtet sie. 80 Prozent würden schon von sich aus alles bereitwillig vorzeigen. Die anderen 20 Prozent müsse man nur höflich darauf hinweisen. „Ich bin bislang nur auf Verständnis gestoßen. Bisher hat sich noch niemand bei mir deswegen beschwert“, sagt Brenne. Woran das liege, wisse sie nicht so genau. Vielleicht aber am jungen Durchschnittsalter ihrer Kundschaft.

2G treibt Kunden zum Online-Handel

Von der gleichen guten Stimmung wie bei Brenne kann bei Tatjana Schnurbusch keine Rede sein. Sie betreibt das Spielwarengeschäft Pfiffikus in Winterberg. Sie ärgert sich unter anderem darüber, dass in Bayern die Spielwarengeschäfte ohne 2G betrieben werden dürfen. Denn dort hatte das Verwaltungsgericht in München entschieden, dass Spielzeugläden zur Deckung des täglichen Bedarfs dienen. Sprich: Hier dürfen Kunden ohne Nachweis shoppen gehen. „In Bayern ist das möglich und bei uns ändern sich alle zwei Tage die Vorgaben. Das versteht doch keiner mehr“, sagt sie. Einerseits sei sie natürlich froh, dass ihr Geschäft überhaupt wieder geöffnet sein dürfe, andererseits treibe 2G die Kunden nun immer weiter in die Hände des Online-Handels.

Stephan Britten von der IHK Arnsberg fordert eine Gleichbehandlung der Händler.
Stephan Britten von der IHK Arnsberg fordert eine Gleichbehandlung der Händler. © IHK

Kampf um die geschäftliche Existenz

Auch von einem anderen Gesichtspunkt aus verstehe sie den Gesetzgeber nicht. „Ich habe hier 300 Quadratmeter Verkaufsfläche. Die Kunden können so ausreichend Abstand halten, im Lebensmittelhandel stehen die Menschen dann oft dicht gedrängt an der Kasse“, sagt sie. Corona und besonders der Lockdown habe ihr fast die geschäftliche Existenz genommen, sagt sie. Nun sei es an der Zeit, endlich weiter zu lockern. Zumindest finde sie die Regelung mit dem Winterberger 2G-Armband super. Diese werden in einigen Geschäften ausgeben und gelten dann als Nachweis für eine Immunisierung. So entfällt das zeitraubende Vorzeigen und Kontrollieren der Nachweise und Personalausweise. „Das ist echt eine gute Idee und spart Zeit“, sagt Schnurbusch.

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„Wegen Corona einfach platt“

Etwas weiter die Winterberger Hauptstraße hinunter, liegt das Schreibwarengeschäft Galeriedel. Besitzerin Gisela Riedel seufzt. Die 66-Jährige betreibt mit viel Liebe ihren Laden. Service sei ihr besonder wichtig. So könne hier jedes Schulkind den ersten Füller erst einmal selbst ausprobieren, sagt sie. Das koste Zeit. Und die sei besonders mit Einführung von 2G noch viel begrenzter. „Ich bin alleine im Laden. Das kann dann schon ganz schön anstrengend sein“, so Riedel. Zum Glück würde sich auch der Großteil der Kunden sehr positiv gegenüber ihr verhalten. Doch auch sie erlebe hin und wieder unangenehme Reaktionen der Kunden. „Die Stimmung ist schlecht. Die Leute sind wegen Corona einfach platt. Und wenn dann noch das Wetter so mies ist, wie in den vergangenen Tagen, ist das für uns alle nicht gut“, sagt sie.

IHK kritisiert aktuelle Regelungen scharf

Dass die Situation besonders beim Einzelhandel gerade im Keller ist, bestätigt Stephan Britten von der Industrie und Handelskammer Arnsberg (IHK). Als Referent für Tourismus und Handel hat er eine klare Forderung an die NRW-Landesregierung: „Auf die verbesserte Situation muss man auch reagieren“, sagt er. Die Inzidenz steige zwar, aber die Hospitalisierungsrate sei schließlich weiterhin niedrig. Der Einzelhandel besonders in Grenzregionen sei darüber „frustriert“, wenn beispielsweise jetzt in Hessen die 2G-Regelung dort im Einzelhandel nicht mehr gelte. Hier müsse der Gesetzgeber hinsichtlich einer Gleichbehandlung agieren, so Britten. Die aktuelle Coronaschutzverordnung laufe am Mittwoch, 9. Februar, aus. Jetzt sei man gespannt, ob die Politik auf die aktuelle Situation angemessen reagiere. „Im Lebensmittelhandel funktioniert es auch ganz gut ohne 2G. Warum soll das im Einzelhandel anders sein?“, so Britten.