Medebach/Hochsauerlandkreis. Tina Schneider aus Medebach feiert die Einschulung ihres Sohnes. Für sie wird der Meilenstein in der Corona-Pandemie zur verzweifelten Sorge.

Tina Schneider steht ein kleiner Meilenstein bevor. Die Einschulung ihres ersten Kindes. Ihr „Großer“, wie sie liebevoll sagt. Nächste Woche beginnt für ihn sein erster Schultag. Für Tina Schneider aus Medebach sollte die Einschulung ihres Kindes aufregend sein. Ein Grund zur Freude. Aber sie hat Angst. Vor dem Wechselunterricht, vor Homeschooling und Minusstunden bei der Arbeit. Sie ist nicht allein. Viele Eltern schauen mit Nervosität auf den Schulbeginn während überall die Inzidenzen steigen. Werden Schulen wieder geschlossen? Wie sicher ist mein Kind?

Tina Schneider ist alleinerziehend, ihre Söhne sind 5 und 6 Jahre alt. Der Älteste kommt in die Schule. Erst vor wenigen Wochen hat sie eine Einladung zur Einschulung bekommen. In dem Umschlag lag auch eine Liste. Neben Wassermalkästen und Schulheften wurde abgefragt, was die Eltern an Equipment daheim vorhalten. Laptop, Internet, Kamera, Drucker… Tina Schneider denkt sofort: Homeschooling.

Tina Schneider mit ihren beiden Söhnen. Sie selbst hatte im Winter Corona – und keinen leichten Verlauf.
Tina Schneider mit ihren beiden Söhnen. Sie selbst hatte im Winter Corona – und keinen leichten Verlauf. © WP | Privat

Lehrer sind geschult – Eltern nicht

„Ich weiß, er ist ein Erstklässler und ich kann ihm viel beibringen. Ich kann ihm auch gerne zeigen, wie er nicht über die Linie zeichnet. Sowas kriege ich hin. Aber Lehrer sind geschult darin, meinem Kind die essenziellen Dinge beizubringen. Ich nicht.“ Tina Schneider fürchtet, dass ihr Sohn – sollte es zum Homeschooling kommen – sie als Lehrerin nicht ernst nehmen könnte. „Schon bei der Logopädie gab es Schwierigkeiten, er hatte keine Lust. Wenn er keinen Schulalltag erlebt, wie soll er dann lernen, sich zu konzentrieren?“ Die ersten Schultage erst hinter sich, dann ab ins Homeschooling? Für die Kinder eine Herausforderung. Tina Schneider betont: „Meine Söhne sind auch nicht gewohnt, lange vor dem PC zu sitzen. Das stelle ich mir anstrengend für seinen Kopf vor.“

In der Pflege ist kein Homeoffice möglich

Tina Schneider sorgt sich nicht nur um ihr Kind. Sie arbeitet in der Pflege. Ein Job, der nicht im Homeoffice abgearbeitet werden kann. 40 Tage kann sie pro Kind aus Betreuungsgründen im Corona-Jahr 2021 zuhause bleiben und Krankengeld beziehen. „Die sind schneller weg, als man denkt. Meine Kinder sind Krupp-anfällig und über das Jahr hinweg auch schnell dauerkrank.“

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Tina Schneider hat sich schon vor Wochen an ihre Krankenkasse gewandt, die ihr sogar versichert habe, dass die Kinderkrankentage auf 130 für Alleinerziehende aufgestockt worden wären. Trotzdem fürchtet sie Fehltage. „Was ist, wenn ich zu viel fehle und meine Arbeitgeberin mich irgendwann nicht mehr tragen kann?“ Zwar habe ihre Vorgesetzte schon Verständnis ausgedrückt und versichert, man werde Lösungen finden – die Angst vor dem Jobcenter bleibt trotzdem. „Ich könnte nicht in Abhängigkeit vom Jobcenter leben.“

Überstunden abbauen kann Tina Schneider nicht

Überstunden abbauen kann Tina Schneider nicht, sollte es zum Homeschooling kommen. Sie hat während der Notbetreuung in der Kita Minusstunden aufbauen müssen, denn ihre Kinder mussten zu dieser Zeit auf 10 Betreuungsstunden verzichten und teils früher abgeholt werden.

Im Winter hatte Tina Schneider selbst Corona. Es ist kein leichter Verlauf, sie müssen fast vier Wochen Zuhause bleiben. „Auch da waren schnell 20 bis 30 Tage von den Kinderkrankentagen weg.“ Unbezahlten Urlaub kann sich Tina Schneider nicht leisten. „Allein für die Schule musste ich für Wasserfarbkästen und die Ausstattung schon 50 Euro bezahlen – ohne dass dabei schon Schulhefte sind.“ Sie kann zwar einen Zuschuss beantragen, aber unbezahlter Urlaub sei eben nicht finanzierbar.

Sie wünscht sich Notbetreuung

Eine Notbetreuung wünscht sich Tina Schneider von der Schule. Im Fall der Fälle und nur für die Kinder, die sie auch wirklich brauchen. „Dann können wir auch gerne Bescheinigungen und alles was es braucht besorgen“, sagt sie. Hauptsache, sie kann arbeiten. Eltern und Großeltern sind nicht in der Nähe, sie hat keine Hilfe vor Ort. „Wir Alleinerziehenden werden einfach vergessen.“

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Es ist unklar, wie der Schulstart ablaufen wird. Wechselunterricht, Lüftungsanlagen, Regelbetrieb? Die Ungewissheiten belasten Tina Schneider am meisten, ihre Gedanken drehen sich immer um dieselben Ängste. „Ich rede offen mit meinen Kindern darüber, dass ich natürlich Angst habe, dass wir Zuhause bleiben müssen.“ Ihr „Großer“ freut sich auf die Schule, die erste Klasse. Nur die Ungewissheit, die findet er „doof“.