Marsberg. Keine Betreuung in der Ausbildung: Für eine alleinerziehende Mutter aus Marsberg wird der Lockdown zum Balanceakt. Sie erzählt entwaffnend offen:

Als es zum ersten Mal heißt, dass sich ein Hausstand nur noch mit einer Person treffen darf, ist Marlene Beckers erster Gedanke: "Ach du Scheiße". Sie ist alleinerziehend mit einem Kleinkind, zweieinhalb Jahre alt. Steckt in der Ausbildung. Und der Lockdown macht alles nicht einfacher.

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Marlene Becker, die ihren Namen lieber nicht öffentlich nennen will, ist 25 Jahre alt und von Bayern nach Marsberg gezogen. In Bayern hat sie in der Gastronomie gearbeitet. Fünf-Sterne-Hotels. Dann wird sie schwanger, der Vater des Kindes trennt sich. Sie zieht zurück nach Marsberg, in ein kleines Häuschen nicht weit von den Eltern und Großeltern entfernt. "Ich habe überlegt, dass ein Job in der Gastronomie mit einem Kind schwierig ist. Also habe ich mir einen Job gesucht, in dem ich im Büro sitze und geregelte Arbeitszeiten habe", erzähl sie. Sie bekommt sehr schnell die Zusage zur Ausbildung. "Mein Arbeitgeber weiß, dass ich alleinerziehend bin."

Vollzeit in der Ausbildung - Kleinkind daheim

Ihr Alltag ist stressig. Marlene Becker arbeitet Vollzeit. Sie muss das Haus pflegen, Essen einkaufen, kochen. Wo immer möglich versucht sie, ihren Sohn einzubinden. Ihre Eltern arbeiten beide noch - Vollzeit. "Ich kann meinen Sohn also nicht immer zu ihnen geben. Und ich möchte das auch nicht, denn meine Eltern haben auch ein eigenes Leben." Die Großeltern müssen vor dem Virus geschützt werden, können auch nicht aufpassen. Marlene Becker muss den Alltag zwischen Pandemie-Lockdown, Kleinkind und Ausbildung selbst organisieren.

Krankentage nützen ihr kaum etwas

Drei Wochen ist ihr Sohn schon nicht mehr in der Betreuung. Mal kann sie Urlaub nehmen, mal Überstunden abbauen. Auch Homeoffice wird ihr regelmäßig ermöglicht, obwohl Azubis keinen rechtlichen Anspruch darauf haben. Von Woche zu Woche hangelt sie sich durch. Ein Balanceakt, wie sie sagt. Bald muss sie jeden Freitag im Homeschooling Unterrichtseinheiten für die Ausbildung mitmachen. Stundenlang vor dem Bildschirm sitzen, gleichzeitig den Sohn beaufsichtigen. "Mal sehen, wie das klappt", sagt sie. Die zusätzlichen 40 Krankentage, die der Bund Alleinerziehenden ermöglichen will, kann sie kaum nutzen. "Ich kann doch nicht im ersten Ausbildungsjahr ständig fehlen", sagt sie. Sie hat Angst, dass ihr Arbeitgeber irgendwann sagt, dass es jetzt reicht. Angst davor, dass er sagt: So kann's nicht weitergehen.

Stress und Sorgen gehen nicht spurlos vorbei

Der Stress und die Sorgen gehen nicht spurlos an ihr vorbei. "Man funktioniert, weil man funktionieren muss." Sie sei schneller gereizt. Habe keine Zeit mehr für sich. Wenn der Kleine schläft, muss sie Wäsche machen oder Aufräumen. Jeden Abend Mittagessen vorkochen. "Ich verzichte auf die Zeit für mich, um sie meinem Sohn zu schenken. Die Hausarbeit erledige ich wenn er schläft, manchmal hilft er mir aber auch dabei, was ja grundsätzlich nicht verkehrt ist."

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Marlene Becker findet die Maßnahmen vom Bund sinnvoll. Manchmal kann sie nicht alles nachvollziehen. Wie die Idee, Kindern keine Ausnahmeregelung mehr zu gewähren. Sie ist froh, dass diese Maßnahme wieder verworfen wurde. "Mein Partner hat selbst Kinder. Wir hätten uns nicht mehr sehen dürfen, wenn diese Regelung noch bestehen würde."

Das Kind merkt, das etwas nicht stimmt

Manchmal macht sie der Gedanke traurig, dass ihr Kind in einer Pandemie aufwächst. "Für ihn ist es schwer zu verstehen. Er wächst unter Corona-Umständen auf. Hat kaum Kontakte zu anderen Kindern. Wichtige Kontakte fehlen ihm und auch er merkt, das etwas nicht stimmt. Manchmal fängt er an, mich anzuschreien." Sie sagt, man müsse da jetzt durch. Durch diese Zeit. Marlene Becker sagt aber auch: "Wenn das so weitergeht, weiß ich auch nicht mehr weiter."