Brilon. Maria Rudolf ist Krankenschwester auf der Intensivstation im Maria-HIlf-Krankenhaus in Brilon. Corona belastet nicht nur sie und die Patienten.
Marion Rudolf ist seit 1992 im Maria-Hilf-Krankenhaus in Brilon tätig. Hegt und betreut jeden Tag Patienten. Aber auf die Situation, die sie seit einem Jahr wegen Corona erlebt, hatte sie und ihre Kollegen niemand vorbereitet. Schon der Beginn der Pandemie war für die 47-Jährige als Krankenschwester auf der Intensivstation voller Ungewissheit: „Wir waren völlig ahnungslos. Niemand von uns hatte je eine Pandemie erlebt. Vieles war zunächst wirr, aber nach einiger Zeit haben wir Arbeitsabläufe optimiert und ein sicherer Umgang mit Corona war plötzlich unser Alltag.“
Die ersten Wochen auf der Intensivstation waren entsprechend sehr hart. Keiner wusste mit Sicherheit, ob die persönliche Schutzausrüstung ausreichen würde, um sich nicht selbst zu infizieren. Genauso unklar war, in welcher akuten Situation sich die Patienten befinden würden. Aspekte, die zunächst noch unklar blieben und Marion Rudolf beschäftigten: „Da ging ich mit einem mulmigen Gefühl zur Arbeit“, sagt sie rückblickend.
Schutzausrüstung beim Umgang mit Patienten
Beim Umgang mit Corona-Patienten muss jeder eine Schutzausrüstung tragen, die nach dem Verlassen des Patientenzimmers entsorgt wird, um eine Verbreitung der Erreger in der Umgebung bestmöglich vermeiden zu können. Das Personal muss darauf achten, dass die Mund-Nasen-Masken eng anliegen, was laut Rudolf dazu führt, dass das atmen schwerer fällt. Die Hygienevorschriften müssen bis ins kleinste Detail eingehalten werden. Das ist nicht nur körperlich belastend, sondern auch zeitaufwendig. Genauso wie die Behandlung der Patienten bei denen sich der stabile Zustand jederzeit in eine Notfallsituation verlagern kann.
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„Es ist keine Seltenheit, dass eine Pflegekraft mehrere Stunden einen Patienten intensiv versorgt und noch durch weitere Pflegekräfte unterstützt werden muss. Das ist ein deutlicher Mehraufwand für alle Kollegen, weil die Arbeitskraft bei den anderen Patienten kompensiert werden muss“, erklärt Marion Rudolf. Auch das belastet mental und körperlich.
Erfahrung mit Corona ändert Behandlungsweise
Die Behandlung der Covid-Erkrankten hat sich im Laufe des vergangenen Jahres und mit zunehmender Erfahrung mit dem Coronavirus ein Stück weit gewandelt. Während es zunächst als ideale Lösung gesehen wurde, schwer Erkrankte möglichst schnell invasiv mit Hilfe einer Beatmungsmaschine mit Sauerstoff zu versorgen, gilt es heute, zunächst eine Maskenbeatmung zu nutzen. Erst wenn eine Sauerstoffzufuhr zur Unterstützung der Atmung nicht mehr ausreicht, wird ein Patient beatmet. Das zehrt natürlich auch entsprechend an den kranken Menschen im Maria-Hilf-Krankenhaus.
Die Motivation der Patienten hoch zu halten ist eine entsprechende Herausforderung. „Sie liegen alleine in einer Isolationskabine, Kontakt nach außen gibt es höchstens über das Handy und Besuche sind durch das Besuchsverbot nur sehr eingeschränkt möglich. Man sieht Angehörige bestenfalls durch eine Scheibe. Das ist eine äußerst belastende Situation für die Patienten“, erklärt die Krankenschwester. Sie merkt, dass sich die Patienten auf der Intensivstation nach Kontakt sehnen. Entsprechend wichtig ist ihrer Auskunft nach eine behutsame Kommunikation und großes Verständnis durch die Pflegenden.
Eine soziale Verbindung entsteht
Aber auch mit den Angehörigen steht Rudolf in einem regen Austausch, weil diese sich gerne informieren möchten und dabei auch über das soziale Umfeld des Erkrankten berichten. Die Pflegekraft nimmt so eine Art Vermittlerrolle ein und Rudolf freut sich, wenn sie etwas Positives berichten kann. Eine soziale Verbindung entsteht so in gewisser Weise, aber dennoch muss die 47-Jährige die Distanz wahren.
„Es ist eine anstrengende Zeit. Die vergangenen Monate waren arbeitsintensive und anstrengende Monate. Sie haben bei uns allen Spuren hinterlassen.“ Oft werden nach Wochen Einzelfälle oder schwere Schicksale erneut im Gespräch unter dem Personal aufgenommen, um sie vielleicht auf diesem Weg verarbeiten zu können. „An dieser Stelle mein besonderer Dank an das gesamte Intensiv-Team für den unermüdlichen Einsatz.“
Schicksale hinterlassen Spuren
Auch wenn schlechte Gesundheitszustände der Patienten zum Alltag auf der Intensivstation dazugehören, Distanz zu wahren ist nicht immer einfach und die Vielzahl an schweren Krankheitsverläufen hinterlassen auch bei der erfahrenen Krankenschwester Spuren. Sie fühlt mit jedem Patienten mit. Längst sind nicht nur ältere Menschen von dem Virus betroffen.
In den vergangenen Monaten konnte Marion Rudolf einen deutlich jüngeren Altersdurchschnitt unter den Patienten wahrnehmen. Es lässt sie ins Grübeln kommen, dass einige Patienten auch in ihrem Alter sind. Denn sie erlebt die Auswirkungen von Corona hautnah, bemerkt die stellenweise rapiden Zustandsverschlechterungen der Erkrankten, die manchmal innerhalb von wenigen Stunden zu sehen sind. Wie sie zunächst noch mit ihnen sprechen kann und eine Stunde später übernimmt eine Maschine die Beatmung eines Patienten. Sie sieht, wie langwierig und schwerverlaufend die Erkrankung ist und dass sie tödlich enden kann. In solchen Fällen fragt sich Marion Rudolf, ob nicht doch noch etwas besser hätte gemacht werden können.
Pflegenotstand wird sichtbar
Durch die Pandemie ist der Pflegenotstand offensichtlicher geworden und sie wünscht sich sehr, dass sich an dieser Stelle etwas deutlich zum Positiven verändert. Dass Pflegepersonal gesehen und gehört wird. Wertschätzung erfährt. Die Art Wertschätzung, die sie auch täglich ihrem Beruf entgegenbringt. ,,Ich übe meinen Beruf gerne aus und kann mir nichts anderes vorstellen. Er ist sehr anspruchsvoll, aber vor allen Dingen auch sehr abwechslungsreich und stellt mich täglich vor neue Herausforderungen.“
Wegen Corona sind viele Menschen auf ihre Hilfe angewiesen und das Gesundheitssystem wird an seine Grenzen gebracht. Dass manche Personen die Krankheit leugnen, ärgert sie daher: „Corona-Leugner sind ein rotes Tuch für mich. Ich nehme sie gerne an die Hand und zeige denen, was Corona mit einem Menschen machen kann.“ Sie hofft, dass diese schwierige Zeit bald vorbei sein wird und ein Stück Normalität gelebt werden kann.