Winterberg/Arnsberg. Nach dem Hungertod eines Kleinkinds in Winterberg hat das Landgericht Arnsberg das Urteil gegen eine Sozialarbeiterin im HSK gefällt.
Die 31-jährige Sozialarbeiterin trifft demnach eine Mitschuld am Tod eines Kleinkindes. Das Gericht geht von einer fahrlässige Tötung durch Unterlassen aus – allerdings nicht von einer groben sondern von einer einfachen Fahrlässigkeit. Die Frau wurde zu 50 Tagessätze zu 70 Euro verurteilt.
Ihr Rechtsanwalt kündigte unmittelbar nach dem Urteilsspruch an, dass er und seine Mandantin in Revision gehen. „: Das Urteil ist zwar eine klare Abkehr von Medebach, aber es besteht mit Blick auf grundsätzliche Fragen weiter noch erheblicher Klärungs und Diskussionsbedarf.“ In erster Instanz war die Frau 2017 wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten zur Bewährung verurteilt worden.
Das Plädoyer der Verteidiger
Die Verteidiger der Sozialarbeiterin hatten am Dienstagvormittag in ihren Plädoyers Freispruch gefordert. Ein Jugendamt sei keine Ermittlungsbehörde, sagten Rechtsanwältin Astrid Aengenheister und Verteidiger Thomas Mörsberger. Die Sozialarbeiterin habe gar keine Handhabe gehabt, da es durch die zuständige Clearing-Stelle des Jugendamtes auch keine Einschätzung auf Kindeswohlgefährdung gegeben habe. In der Familie sei ihre Mandantin gewesen, um Hilfsangebote zu unterbreiten, die die Mutter aber nicht angenommen habe. Die Verteidigerin machte geltend, dass auch Polizei und Staatsanwaltschaft zunächst keine Pflichtverletzung ihrer Mandantin gesehen hätten. Erst bei der Verhandlung in Medebach sei die Frage plötzlich aufgekommen.
Das Plädoyer der Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwältin hatte dagegen durchaus Pflichtverletzungen der Jugendamtsmitarbeiterin. Sie führte aus, dass viele Punkte auf dem Bewertungsbogen der HSK-Behörde nach der ersten Kontaktaufnahme zwar angekreuzt, aber nicht wirklich überprüft worden seien. Die Entscheidung der Clearing-Stelle, nicht von einer Kindswohlgefährdung auszugehen, beruhe auch auf diesen Einschätzungen. Ausführlich ging die Staatsanwältin auch nochmal darauf ein, dass das Jugendamtes aus dem Vogtlandkreis beim Umzug der Familie im Sommer 2013 nach Winterberg, auf die sehr problematischen Familienverhältnisse (Gewalt des Vaters, Verwahrlosung, Ablehnung des Jugendamtes) sehr deutlich hingewiesen habe.
Auch als ein älterer Sohn einige Monate später bei einem Gespräch wegen massiver Schulprobleme deutliche Hinweise auf die häusliche Situation gegeben habe, sei die Angeklagte nicht aktiv geworden. Deshalb sei im vorliegenden Fall von einer Strafbarkeit auszugehen. Sie forderte eine Geldstrafe in Höhe von 150 Tagessätzen zu 70 Euro.
Das sagte die Nebenklage
Auch der Verteidiger der mehrfachen Mutter, deren Kind verhungert war, kam bei der Verhandlung nochmal zu Wort. Seine selbst inzwischen verurteilte Mandantin tritt in dem Verfahren als Nebenklägerin auf. In seinem Plädoyer warf er der Jugendamtsmitarbeiterin „Nichtverhalten“ vor und sagte, sie habe den Tod des Jungen verhindern können. Mit Blick auf das Strafmaß schloss er sich der Forderung der Staatsanwaltschaft an.
Seit Anfang Oktober musste sich eine 31-jährige Mitarbeiterin des HSK-Jugendamtes vor dem Landgericht Arnsberg verantworten. Ihr wird fahrlässige Tötung vorgeworfen. In dem Verfahren ging es um die Frage, ob die Sozialarbeitern mitverantwortlich am Tod eines zweijährigen Jungen ist. Dessen jüngere Schwester konnte nur in letzter Sekunde gerettet werden.
Sozialarbeiterin will vollständige Rehabilitation
Die Mitarbeiterin des Jugendamtes war im Mai 2017 durch das Amtsgericht Medebach zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft ging in Berufung, weil sie das Urteil für zu milde erachtete. Sie hatte neun Monate auf Bewährung gefordert.
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Die Angeklagte legte ebenfalls Berufung ein, so dass der Fall schließlich vor dem Landgericht in Arnsberg komplett neu aufgerollt wurde.
Bereits während des Verfahrens war deutlich geworden, dass es der Jugendamtsmitarbeiterin um eine vollständige Rehabilitation und einen Freispruch am Ende des Verfahrens ging – eine mögliche Verfahrens-Einstellung hatte sie deshalb abgelehnt.
Die Mutter des verhungerten Jungen war im Juni 2018 vom Landgericht Arnsberg zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Seit Februar 2019 ist das Urteil rechtskräftig. Der Fall des kleinen Anakin hatte große Bestürzung ausgelöst.