Medebach. . Ein zweijähriger Junge starb an massiver Unterversorgung. In Medebach wurde das Urteil gegen eine angeklagte Jugendamtsmitarbeiterin gesprochen.

Vor dem Amtsgericht Medebach ging heute der Prozess gegen eine 29-jährige Jugendamtsmitarbeiterin zu Ende. Die Sozialarbeiterin war angeklagt, bei einer alleinerziehenden Mutter mit damals neun Kindern im Raum Winterberg nicht genau genug hingeschaut zu haben. Ein zweijähriger Junge starb an massiver Unterversorgung, die jüngere Schwester wurde in letzter Sekunde in der Kinderklinik in Hüsten gerettet.

Gegen 15 Uhr wurde das Urteil durch Richter Fischer verkündet: sechs Monate auf Bewährung und 4000 Euro Geldbuße an ein westfälisches Kinderdorf.

Heute Morgen wurden noch zwei Zeugen gehört. Eine 54-jährige Pflegemutter des kleinen Mädchens sagte aus, dass sie beim Wickeln des Mädchens "vom zarten Zustand des Kindes" überrascht gewesen sei. Im Gegensatz zu den Behauptungen der Mutter im ersten Prozess hat das Kind aber offenbar durchaus einen gesegneten Appetit gehabt. "Sie,kannte keinen Löffel."

Offenbar altersgemäß entwickelt

Das Mädchen hat sich offenbar altersgemäß entwickelt, besucht einen Kindergarten und zeigt keinerlei Auffälligkeiten. Der heutige Vormund des Mädchens bemängelte, dass während des öffentlichen Prozesses und auch in den Medien die Namen der Kinder genannt worden seien. Dies habe zu einer Stigmatisierung der Kinder geführt.

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Für Staatsanwalt Klaus Neulken steht fest, dass die Sozialarbeiterin durch Unterlassung eine Mitschuld am Tod des Jungen und an dem Leiden des Mädchens hat. Er sieht den Vorwurf des fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung bestätigt. Neulken beantragte eine Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung und eine Geldbuße an eine Kinderschutzorganisation.

Mit "Leib und Seele Sozialarbeiterin"

Freispruch forderte Verteidiger Thomas Mörsberger in seinem Plädoyer am Donnerstagvormittag. Seine Mandantin habe keine Rechtspflicht verletzt. Man befinde sich in einem Machbarkeitswahn. Staatsanwaltschaft und offenbar auch die Gesellschaft hätten eine Erwartungshaltung gegenüber der Einrichtung Jugendamt, die fachlich und juristisch nicht haltbar sei.

Vor der Urteilsverkündung hatte die Angeklagte das letzte Wort: Als sie vor drei Jahren vom Tod des kleinen Jungen erfahren habe, sei für sie eine Welt zusammengebrochen. "Ich habe mich in einer Schockphase befunden und habe mir Hilfe geholt, um diesen Prozess der Trauer und des Selbstzweifels zu überstehen." Sie sei mit Leib und Seele Sozialarbeiterin, auch wenn es immer wieder Rückschläge gebe. Sie hätte sich gewünscht, wenn die Mutter in ihrem Verfahren als Zeugin ausgesagt hätte - vielleicht um Sie und ihr Handeln zu verstehen.

Von Hausrecht Gebrauch gemacht

Die Sitzung war unterbrochen worden, weil Richter Fischer von seinem Hausrecht Gebrauch machte. Ein Fernsehmitarbeiter soll durch die geschlossene Sitzungstür Tonaufnahmen gemacht haben. Er wurde vor die Tür gesetzt.