Hagen. Als erster Nationaltrainer der Geschichte ist Gordon Herbert nach Hagen gezogen. Die Stadt begeistert ihn. Gleich aus mehreren Gründen.
Er kommt gerade vom Schwimmen aus dem Westfalenbad. „Ich brauche das für meinen Rücken und das Bad hier in Hagen ist großartig.“ Wenn er den schon zweimal operierten Rücken nicht im Wasser stärkt, dann macht er Nordic Walking auf dem „Three towers way“, womit er den Drei-Türme-Weg meint. Er kommt zu Fuß dorthin aus seiner Wohnung im Marienviertel. „Ich bin Kanadier. Wenn man in so einer Stadt wohnt, in der es so viele Wälder gibt, dann ist das wie in der Heimat für mich. Wunderschön.“ Als erster Basketball-Bundestrainer der Geschichte ist Gordon Herbert (62) nach Hagen gezogen. „In die vielleicht größte Basketballstadt Deutschlands“, wie er sagt. Ein Gespräch mit einem Mann, der vielen Basketball-Fans in Hagen vertraut vorkommen dürfte. Über Basketball, über Hagen und die Opferbereitschaft.
Ingo Freyer, Bernd Kruel und die „Ische“
Natürlich ist er unter Basketballkennern bekannt. Wer den deutschen Basketball verfolgt, wird wissen, dass Gordon Herbert darin eine Größe darstellt. Er hat hier die ganz großen Clubs gecoacht. Im Ausland dazu Paris, Thessaloniki, Pau-Orthez, das kanadische Nationalteam und als Assistenztrainer die Toronto Raptors in der NBA.
In der Szene ist er das, was Hansi Flick oder Julian Nagelsmann im Fußball sind. Und trotzdem kann er, völlig unbehelligt Frühschwimmen im Westfalenbad machen. Basketball ist groß in der Region, aber eben nichts was Massenhysterien hervorruft, wenn der Nationaltrainer schwimmen geht. Gediegener, nahbarer, dennoch distanziert. Angenehm für Gordon Herbert.
Einzigartiges Publikum
„Ingo Freyer, Bernd Kruel und diese Arena.“ Während Gordon Herbert sagt, was ihm vor seinem Umzug nach Hagen über die Stadt eingefallen ist, macht er große Augen. „Ich war in vielen Hallen. Aber diese hier ist definitiv die lauteste Halle in Deutschland. Das Publikum ist einzigartig und laut. Man hatte immer ein Problem, wenn man es gegen sich hatte.“
Vergleichbar mit Bamberg
Dann sagt er: „Vielleicht kann man die Stadt von der Basketball-Kultur her noch mit Bamberg vergleichen. Danach kommt aber keine andere Stadt mehr.“ Es ist nicht einer dieser Reflexe à la „wonderful“ oder „ridiciolous“ oder „huge“, die Amerikaner gern verwenden, wenn sie die Dinge manchmal unangemessen überhöhen. Herbert muss nichts Nettes über Hagen sagen. Es ist der Sitz des DBB, nicht seines Clubs. Ob Hagen nett, lebenswert oder furchtbar ist, kann ihm eigentlich egal sein.
Eine Erinnerung: die „Alba-Killer“
Sein Verweis auf die laute Ischelandhalle ist eine Erinnerung, die vielen Basketballfans in Hagen heruntergeht wie Öl. Herbert war 2011 Coach von Alba Berlin, als Phoenix Hagen sich mit einer Low-Budget-Truppe und dem bis heute in der Bundesliga unerreichten „Run-and-gun-Stil“ von Coach Ingo Freyer erstmals zu den „Alba-Killern“ aufschwang und in den Folgejahren immer wieder das Star-Ensemble am Ischeland besiegte. Die „Ische“ schien zu zerbersten vor Stolz.
Wie das Hagener Publikum seinen Underdog mit Spielern wie Zygimantas Jonusas und später David Bell und Larry Gordon nach vorne peitschte, hat sich in Herberts Gehörgang eingebrannt. „Das ist in ganz Deutschland unerreicht.“
Er trifft auf gute Menschen
Gordon Herbert weiß, was viele Außenstehende über Hagen sagen. Er kennt das Gerede. Hässlich, grau, nichtssagend, klamm. Und kann man einem Gast, der vom Hauptbahnhof zum DBB-Gebäude in der Schwanenstraße läuft, widersprechen? „That’s not all“, sagt Herbert. „Ich treffe hier auf gute Menschen, gute Kollegen und einen guten Wohnort. Ich habe mich bewusst für Hagen entschieden. Und ich hätte wirklich überall in Deutschland wohnen können.“
Zufälliger Nachbar von Harris
Als er im vergangenen Oktober in der Goldberg-Residenz im ehemaligen Marienkrankenhaus seine Wohnung bezieht, wird er ungeplant Nachbar von Phoenix-Coach Chris Harris. Zwei Männer aus Kanada – Harris aus Calgary, Herbert aus Penticton – im gleichen Haus in Hagen. Eine lange Basketballreise um die Welt.
„Chris und ich kennen uns. Wir sind uns schon bei seinem Engagement in Bremerhaven begegnet und ich habe ihn auch schon im Training besucht. Wir stehen im Austausch“, sagt Herbert. Die Situation für Phoenix und Harris sei furchtbar durch die ständigen Unterbrechungen durch Corona.
Schon zweimal infiziert
Das Virus ist es übrigens auch, was den Bundestrainer aktuell aus den großen deutschen Arenen fernhält. „Ich bin bereits zweimal infiziert gewesen, obwohl ich mich schütze, wo es geht. Deshalb habe ich Spielbesuche sehr bewusst zurückgefahren. Aktuell sehe ich sehr viele Spiele im TV und im Internet“, sagt Herbert.
Wer spielt gut ohne Ball?
Er hat einen Vertrag für zwei Jahre unterschrieben, der sich bei einer Qualifikation für Olympia 2024 in Paris um ein weiteres Jahr verlängern. Die Ziele sind groß. Bei der Europameisterschaft im Spätsommer will er aufs Podium. Bei der Weltmeisterschaft nächstes Jahr auch, bei Olympia dann auch.
Dass der die richtigen zwölf Spieler dazu finden wird, ist er sicher. Während er in seinem Büro im vierten Stock des DBB-Gebäudes darüber nachdenkt, kommt er basketballtheoretisch ins Philosophieren und bricht den Basketball dabei von höchster internationaler Ebene quasi bis in die Kreisliga herunter. „Wir müssen nicht über Spieler reden, die 20 Punkte machen. Die finden wir in Deutschland. Da haben wir auch starke Jungs in der NBA.“
Der Typ des „Teamplayers“
Dann schlägt er den Bogen zu jedem, der auf dieser Welt einen Basketball in die Hand nimmt oder ein Team coachen möchte: „Was kannst du dem Spiel geben, wenn du den Ball nicht in der Hand hast? Hast du die Leidenschaft zu verteidigen? Für andere zu spielen? Bist du ein loyaler Teamkamerad, der für den Erfolg des Teams zurückstehen kann? Bist du bereit, gut zu passen und für Rebounds zu rennen? Als Bundestrainer bin ich nun auf der Suche nach diesen Puzzleteilen“
Jemand, auf den diese Beschreibung zutrifft, ist der Breckerfelder Fabian Bleck, der seinen eigenen Weg von Phoenix Hagen über Iserlohn, Bremerhaven bis hin zu den Crailsheim Merlins gegangen ist, Im November hatte Hebert Bleck zum WM-Qualifikationsspiel gegen Estland nachnominiert.
„Aktuell ist er ein Reservist. Aber Fabian hat all diese Dinge. Die Leidenschaft und die Opferbereitschaft. Das ist, was ich allen jungen Spielern raten würde: sich nicht nur auf das Talent oder physische Voraussetzungen zu verlassen, sondern bereit zu sein, sich auf vielen Wegen in ein Team einzufügen.“