Dortmund. Das Spiel gegen Donezk wird beim BVB von anderen Themen überlagert. Zum großen Knall kommt es noch nicht, viele Fragen sind aber offen.

Der erste Doppelpass des abschließenden Champions-League-Spieltags ist gelungen. Mike Tullberg schaute hinüber zu Gregor Kobel, sagte nichts, erteilte aber trotzdem seinem Torwart das Wort. Dieser verstand, Tullberg lächelte zufrieden. „In erster Linie geht es darum, ein erfolgreiches Spiel zu machen, drei Punkte zu holen“, stellte der 27 Jahre alte Profi von Borussia Dortmund auf der Pressekonferenz klar. „Dass wir rechnen, dafür ist gerade nicht die Phase. Wir müssen uns auf unsere Leistung konzentrieren.“ Nun schaltete sich auch Interimstrainer Tullberg ein: „Greg hat super zugehört und die Frage top beantwortet.“

An diesem Mittwoch (21 Uhr/DAZN) steht eine richtungsweisende Partie in der Königsklasse an. Um alle Eventualitäten zu berücksichtigen, hilft ein Doktortitel der Mathematik. Der BVB braucht einen hohen Sieg im Heimspiel gegen Schachtar Donezk, um unter die ersten Acht zu springen, um nicht den Umweg über die kräftezehrende neue Play-off-Runde gehen zu müssen. Gleichzeitig sind die Dortmunder auf externe Schützenhilfe angewiesen, sie belegen Platz 14. Wahrscheinlicher ist, dass man in die Zwischenrunde geht. Das würde den Verantwortlichen überhaupt nicht schmecken. Zwei freie Wochen im Februar, die könnte die fragile Mannschaft sehr gut gebrauchen. Die würden einem neuen Trainer die Zeit ermöglichen, sein Team kennenzulernen, dicke Stellschrauben zumindest ein wenig zu drehen.

BVB und der Kampf gegen „Nebenkriegsschauplätze“

So wichtig das Spiel gegen Donezk ist: Überlagert wird es in diesen Tagen von den Ereignissen, die nicht auf dem grünen Rasen, sondern auf den Fluren der Geschäftsstellen in Brackel und an der B1 stattfinden – von denen die Mannschaft laut Kobel „nicht wirklich viel“ mitbekommt. Aber soll man das glauben? Viel zu prominent wird der Machtkampf zwischen Sportdirektor Sebastian Kehl und Kaderplaner Sven Mislintat ausgetragen. Nach der Transferphase, die am Montag endet, stehen die Zeichen nach Informationen dieser Redaktion auf Trennung von Mislintat. Das Zerwürfnis ist einer der „Nebenkriegsschauplätze“, die der entlassene Trainer Nuri Sahin auf seiner letzten Pressekonferenz in Bologna angesprochen hat.

Sven Mislintat
Sven Mislintat und der BVB: Die Zeichen stehen auf Trennung. © DPA Images | David Inderlied

Es macht sich schließlich auch in der aktuellen Transferarbeit bemerkbar. Zugänge sind weit und breit nicht in Sicht – mit Ausnahme von Salih Özcan (27), dessen wenig berauschende Leihe zum VfL Wolfsburg vorzeitig abgebrochen wurde, da Felix Nmecha (24) mit einer Bänderverletzung wochenlang fehlen wird. Gefunden ist weder ein Nachfolger für Flügelstürmer Donyell Malen (25), noch ein weiterer Außenverteidiger. Ein Kandidat ist der Ukrainer Oleksandr Zinchenko vom FC Arsenal (28), von dem die Bosse aufgrund seiner Defensivschwäche nicht vollends überzeugt sind.

Diskutiert wird darüber hinaus über die nicht trennscharfe Rolle von Matthias Sammer, der einerseits den Klub extern berät, andererseits über die Leistung der Mannschaft als TV-Experte bei Prime urteilt. Eine Doppelfunktion, die im Verein, so hört man selbstkritisch, unterschätzt wurde – und die damit enden könnte, dass Sammer zumindest keine BVB-Spiele vor dem Mikrofon analysiert.

BVB und Niko Kovac: Eine Frage der Perspektive

Und dann ist da die längst nicht geklärte Trainer-Frage, die sich auf zwei Kandidaten zuspitzte: Ralf Rangnick, 66, und Niko Kovac, 53. Um Rangnick, Cheftrainer der österreichischen Nationalmannschaft zum BVB zu holen, sind die Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Lars Ricken laut Sky nach Salzburg geflogen, sollen sich aber eine Absage eingehandelt haben. In den Tagen zuvor hat hat es nach Informationen dieser Redaktion Gespräche zwischen den Bossen und Zweitlösung Kovac gegeben. Ein zentraler Punkt in den Verhandlungen ist wohl die Perspektive für Kovac, der nicht nur als Feuerwehrmann bis Saisonende im Ruhrgebiet anheuern möchte. Der BVB hofft auf Klarheit in der kommenden Woche, damit ein paar Tage Zeit bleiben, sich auf das Heimspiel gegen den VfB Stuttgart vorzubereiten.

Niko Kovac
Ein Kandidat beim BVB: Niko Kovac. © DPA Images | Swen Pförtner

Falls es mit Kovac zu keiner Einigung kommt, würde Tullberg bleiben. „Ich finde, er ist vom ersten Tag sehr selbstbewusst, sehr verbal“, lobte Torwart Kobel, dem der Däne die Verantwortung im Spielaufbau entzog und dem Schweizer so damit half, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Es gehe darum, so Kobel, dass „wir jetzt schnell Erfolge einsammeln“. Letztlich sei es „nicht meine Aufgabe“, die Trainer-Entscheidung zu treffen. Nur so viel: „Wir sind seit Tag eins, seit Mike hierhergekommen ist, ein Team. Mike versucht, seine Energie in die Mannschaft einfließen zu lassen.“

BVB: Mike Tullberg beschwört Malochermentalität

Tullberg derweil beschwört in der Krise Malochermentalität. „Wir sind nicht Ajax oder Barcelona. Wir sind der BVB. Es ist kein Zufall, dass wir hier das Sondertrikot Kohle und Stahl hatten“, so Tullberg. Seine eigene Zukunft sieht er entspannt: „Ich kann die Situation sehr gut einschätzen und genieße jeden Tag.“ Sicherlich auch sein erstes Champions-League-Spiel.

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