Hagen. Der Ort ist jetzt durch die Lenne fast unüberwindbar geteilt: Die Bundesstraßen-Brücke in Nachrodt musste am Freitag gesperrt werden.

Gut zwei Jahre nach der Sperrung der A 45 bei Lüdenscheid ist jetzt die nächste Brücke auf einer Umleitungsstrecke in die Knie gegangen. Die Lennebrücke der Bundesstraße 236 in Nachrodt-Wiblingwerde musste am Freitag komplett gesperrt werden – sogar für Fußgänger. Ursache sind nach Angaben von Straßen-NRW neue Schäden im Fundament- und Pfeilerbereich, die von Tauchern entdeckt wurden.

Andreas Berg, der Sprecher von Straßen-NRW, erläutert im Gespräch mit der WESTFALENPOST, wie binnen weniger Stunde dieser einschneidende Schritt für Nachrodt-Wiblingwerde, aber auch die gesamte Region, beschlossen werden musste: „Nachdem die Taucher am Donnerstag die massiven Schäden entdeckt hatten, haben unsere Experten am Freitagvormittag gerechnet und intensiv beraten“, so Andreas Berg. Schnell sei man zu dem Schluss gekommen, dass man die Brücke trotz ihrer zentralen Bedeutung komplett sperren müsse: „Die Schäden sind so massiv, dass die Brücke einzustürzen droht, wenn weiter Fahrzeuge darüber fahren. Es besteht aber auch die Gefahr, dass sie durch ihr Eigengewicht kollabiert. Daher dürfen auch keine Fußgänger mehr über die Brücke gehen.“

Dramatische Auswirkungen: Die Gemeinde wird geteilt

Die Auswirkungen sind für die rund 6700 Einwohner starke Gemeinde mit dem Doppelnamen dramatisch, denn der Ortsteil Nachrodt wird durch die Lenne quasi komplett vom Ortsteil Wiblingwerde abgetrennt. „Mich hat schon ein Vater aus Nachrodt-Wiblingwerde angerufen, der gefragt hat, wie denn nun in der nächsten Woche sein Kind in die Schule kommen soll“, so der Straßen-NRW-Sprecher Andreas Berg. „Ich hatte darauf keine wirklich gute Antwort.“

Angesichts der aktuellen Dramatik erscheint es da fast verwunderlich, dass Andreas Berg trotzdem Hoffnung machen kann, dass dieser Zustand nicht allzu lange anhalten wird: „Die Baufirma will am Montag mit den Stabilisierungsarbeiten beginnen. Wenn alles gut läuft, könnte die Brücke binnen einer Woche wieder soweit sein, dass sie befahrbar sein wird.“ Doch dazu müssten auch die äußeren Bedingungen stimmen. Sprich: das Lenne-Hochwasser darf nicht weiter steigen. Und es darf nicht entscheidend kälter werden. „Sonst können die Beton-Arbeiten nicht durchgeführt werden“, so Andreas Berg.

Schon lange wird der Neubau der Brücke geplant

Dass die Ende des 19. Jahrhunderts erbaute Brücke erneuert werden muss, sei schon lange klar. Schon vor Jahren wurde eine Ampelanlage installiert, die den Verkehr auf der viel befahrende Bundesstraße 236 zwischen Altena und Iserlohn nur jeweils in eine Richtung über die Brücke lässt - und so die Belastung senkt. „Das Planfeststellungsverfahren für den Neubau der Brücke läuft auch“, so Andreas Berg. Allerdings sei noch nicht absehbar, wann tatsächlich gebaut werden könne. Daher sollten bereits Ende des vergangenen Jahres Arbeiten zur Stabilisierung der Brücke starten. Die seien dann aber wegen des Lenne-Hochwassers vor Weihnachten verschoben worden. Jetzt starteten sie mit Verspätung - und die Taucher der beauftragten Baufirma fanden die massiven Schäden.

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Die Bundesstraße 236 ist im Märkischen Kreis ohnehin schon länger nur eingeschränkt befahrbar. In Altena musste eine Brücke über die Ruhr-Sieg-Bahnstrecke schon vor einigen Monaten für den Schwerlastverkehr gesperrt werden. Noch ist unklar, wann sie saniert werden kann.

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Birgit Tupat, Bürgermeisterin von Nachrodt-Wiblingwerde, nannte die Sperrung eine „Katastrophe“ und machte Straßen-NRW im Gespräch mit der WESTFALENPOST schwere Vorwürfe. Die Entwicklung habe sich schon vor Monaten angedeutet, sie habe deshalb bei der Behörde mehrmals einen Plan B eingefordert, der sei aber nie gekommen. „Nun ist der Ort zweigeteilt“, sagte Tupat. Brandschutz und Rettungsdienst werden in den Gebieten, die für die eigenen Einsatzkräfte nun nicht mehr zu erreichen sind, von der Stadt Iserlohn übernommen.

„Druck vor Ort ist hoch“

Tupat forderte die Landesregierung dringend auf, ihre Gemeinde und die Region unverzüglich zu unterstützen. Düsseldorf müsse verstehen, wie hoch der Druck vor Ort sei. Neben den Bürgerinnen und Bürgern sei auch die gesamte Industrie der Lenneschiene betroffen. „So kann es hier nicht weitergehen“, sagte sie.

Marco Voge (CDU), Landrat des Märkischen Kreises, nannte die Sperrung eine neuerliche Hiobsbotschaft. „Das Maß ist voll. Wir brauchen Unterstützung durch Land und Bund. Dazu gehören auch effektivere Verfahren, weniger Bürokratie und schnelleres Bauen. Seit Jahren seien die Probleme vielerorts bekannt, aber es passiere zu wenig. „Deshalb fordere ich nun einen Infrastruktur-Gipfel für den Märkischen Kreis. Es braucht klare Prioritäten, damit unsere Brücken und Straßen wieder in einen tragbaren Zustand versetzt werden.“

Das Maß ist voll. Wir brauchen Unterstützung durch Land und Bund.
Marco Voge (CDU) - Landrat des Märkischen Kreises

Gordan Dudas, SPD-Landtagsabgeordneter aus der Region, forderte die Landesregierung auf, die offenen Fragen zu beantworten: „Wie werden die Wege für die Rettungsdienste geregelt? Wie kommen die Kinder und Jugendlichen in die Schulen? Was passiert mit dem Lieferverkehr für die heimischen Unternehmen?“, erklärte er. „Ganz davon zu schweigen, dass vollkommen offen ist, wie lange die Sperrung andauern soll.“ Die Sperrung sei für Nachrodt-Wiblingwerde der „Supergau“. Sie zeige deutlich den Domino-Effekt der gesperrten A 45. Dudas: „Die Lennebrücke ist die mittlerweile fünfte Brücke, die seit der Sperrung der Talbrücke Rahmede am 2. Dezember 2021 gesperrt oder abgelastet werden musste. Wir dürfen nicht länger unvorbereitet in solch kritische Situationen schlittern.“

Das Bild der B-236-Brücke über die Lenne in Nachrodt-Wiblingwerde ist  gut zehn Jahre alt: Schon in den vergangenen Jahren war klar, dass die Brücke dringend sanierungsbedürftig ist.
Das Bild der B-236-Brücke über die Lenne in Nachrodt-Wiblingwerde ist gut zehn Jahre alt: Schon in den vergangenen Jahren war klar, dass die Brücke dringend sanierungsbedürftig ist. © WR | Guido Raith

Umleitung über Altena

Straßen-NRW hat Umleitungen eingerichtet. Sie werden zu zusätzlichen Verkehrsbelastungen in der gesamten A-45-Region führen – und die Straßeninfrastruktur dort auf eine weitere Belastungsprobe stellen.

Die Umleitung des gesamten Verkehrs erfolgt in beiden Fahrtrichtungen über die bereits eingerichtete Umleitungsstrecke für den Schwerlastverkehr der abgelasteten Brücke über die Bahn in Altena. Sie führt von Altena über die L698 (Fritz-Berg-Brücke/Bachstraße/Nettestraße/Westiger Str.), die L683 (Ihmerterstr.), die L888 (Westendorferstraße), dann über die L648 (Kesberner Str./In der Läger/Obere Mühle), über „An der Schlacht“ und den Kurt-Schumacher-Ring zur L743 (Hans-Böckler-Str.), die L648 (Dortmunder Str.), die K17 (Hellweg/Im Hütten), die L743 (Untergrüner Str.) bis zur B236.