Bad Berleburg. Es gibt wieder Hoffnung für die wilden Wisente im Rothaargebirge in NRW. Seit 20 Jahre erregt das Thema die Gemüter. Eine bewegte Geschichte.

Seit 20 Jahren, seit dem Jahr 2003 gibt es die Idee von freilebenden Wisenten am Rothaarsteig. Der 2017 verstorbene Richard Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg, dem riesige Waldgebiete am Rothaarkamm gehören, hatte das Projekt angestoßen.

In der Folge wird jahrelang diskutiert und immer deutlicher: Es gibt zwar Zustimmung im Wittgensteiner Land, aber große Vorbehalte im Sauerland. Letztlich stimmen die Waldbauern und der Landwirtschaftliche Kreisverband Hochsauerlandkreis dem Projekt nicht zu. Kritik kommt auf, dass der damalige Landrat des Kreises Siegen-Wittgenstein, Paul Breuer, und Bad Berleburg Bürgermeister Bernd Fuhrmann das Projekt trotzdem voran treiben.

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Im Jahr 2007 beschließt schließlich der Umweltausschuss des Kreises das Projekt. Später mündet das Ganze in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen dem Kreis-Siegen-Wittgenstein, der Bezirksregierung Arnsberg, dem Landesbetrieb Wald und Holz, dem Trägerverein Wisent-Welt-Wittgenstein e.V. und dem Fürstenhaus in Bad Berleburg.

Im März 2010 kommen die ersten Wisente in Wittgenstein an. Zunächst leben sie in einem etwa 80 Hektar großen, umzäunten Auswilderungsgehege bei Bad Berleburg. Der Wisentbulle Egnar sorgt bereits bei der Einweihung für Aufsehen, weil er ausbüxt und wieder eingefangen werden muss.

Im September 2012 wird in einem Waldstück in Bad Berleburg-Wingeshausen das Wisent-Schaugehege eröffnet. Hier lebt eine Herde in einem umzäunten Areal. Drei Jahre später zählt das Areal schon mehr als 100.000 Besucher.

Im April 2013 startet das eigentliche Projekt „freilebende Wisente im Rothaargebirge“. Zu diesem Zeitpunkt wird die Herde rund um Leitbulle Egnar und Leitkuh Araneta in die Freiheit entlassen. Schon bald werden erste Schälschäden sichtbar.

Im Jahr 2014 beginnen die gerichtlichen Auseinandersetzungen um die Wisente. Waldbauern aus dem Sauerland klagen gegen die Auswilderung. Der Rechtsstreit zieht sich über das Amtsgericht Schmallenberg und das Oberlandesgericht (OLG) Hamm bis hoch zum Bundesgerichtshof, der im Juli 2019 den Waldbauern zwar auferlegt , dass sie die Tiere in ihren Wäldern dulden müssen – aber nicht auf unbestimmte Zeit und nur in einem zumutbaren Maße.

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Was zumutbar ist, so der BGH, müsse das OLG Hamm entscheiden. Dort verurteilt man im Juli 2021 den Trägerverein, geeignete Maßnahmen zu treffen, um zu verhindern, dass die Bäume der Waldbauern geschädigt werden. Die Kläger müssten die Tiere nicht länger dulden.

Im Juli 2022 zieht der Wisentverein seine Revision gegen das OLG-Urteil zurück, leitet aber keine Maßnahmen ein, um die Tiere von den Waldbauern-Arealen fernzuhalten, sondern erklärt die Tiere im Oktober 2022 für herrenlos - und damit den Verein für nicht mehr zuständig. Die Kreisverwaltung Siegen-Wittgenstein und das Land NRW missbilligen den Schritt deutlich, die Waldbauern ohnehin. Der Landrat erklärt das Projekt für gescheitert. Der Kreistag Siegen-Wittgenstein will aber die Chance auf eine Weiterführung ausloten, der Runde Tisch wird ins Leben gerufen.

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Im August 2023 stellte der Trägerverein Wisentwelt Wittgenstein einen Insolvenzantrag. Grund sei die Forderung der Waldbauern aus dem Urteil: Die hatten angekündigt selbst Ranger zu engagieren, um die Tiere abzuhalten – und diese dem Verein in Rechnung zu stellen.