Hamm/Bad Berleburg/Schmallenberg. Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden, dass zwei Waldbauern aus dem Sauerland Wisente auf ihren Grundstücken nicht mehr dulden müssen.
Am Ende schien die Geduld der Richter des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit den Beteiligten des Wisent-Projekts – unter anderem der Wisent-Trägerverein, der Kreis Siegen-Wittgenstein und das NRW-Umweltministerium – aufgebraucht. Wenn man so will, gab es am Donnerstag die rote Karte wegen wiederholten Zeitspiels.
Es hätte sich für die Projektbeteiligten aufdrängen müssen, so heißt es in der Pressemitteilung zu den beiden verkündeten Entscheidungen, „zeitnah nach den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 19.07.2019 die Beratungen zu forcieren und zu einer Entscheidung für oder gegen die Fortsetzung des Projekts zu gelangen“.
Trägerverein zu „geeigneten Maßnahmen“ verpflichtet
Jedenfalls urteilte der OLG-Senat, dass die beiden klagenden Waldbauern aus Schmallenberg-Oberkirchen nicht mehr hinnehmen müssen, dass die Wildtiere die Rinden ihrer Buchenbestände anknabbern und diese nachhaltig schädigen. Mehr noch: Die Sauerländer könnten verlangen, dass der Trägerverein Wisent-Welt-Wittgenstein mit Hilfe „geeigneter Maßnahmen“ verhindert, dass die Wisente ihre Grundstücke betreten.
Nach Auffassung der OLG dauert die sogenannte Freisetzungsphase des Projekts nach dessen Start im Jahr 2013 zu lange an. In dieser Phase, so der Senat, sollten nur über einen „begrenzten Zeitraum“ Erfahrungen über das Verhalten der Tiere in Freiheit gesammelt werden.
Revision zugelassen
Die Richter in Hamm haben eine Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen, die am Donnerstag verkündeten Urteile sind also noch nicht rechtskräftig. Der Wisent-Verein kündigte an, einen erneuten Gang nach Karlsruhe zu prüfen.
„Wir werden das innerhalb von einer Woche entscheiden“, sagte Johannes Röhl von der Wittgenstein-Berleburg’schen Rentkammer. Er sprach davon, dass man in Hamm „unterlegen“ sei und dass man sehr wohl den Hinweis des Senats verstanden habe, die Sache „nicht ewig hinzuziehen“.
Trägerverein hofft auf neuen Vertrag
Aber: „Wir haben das nicht mehr alleine in der Hand, weil über eine Fortführung des Projekts inzwischen politisch entschieden wird.“ Ausdrücklich lobte Röhl die Aussage von NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU), dass noch in diesem Jahr eine Entscheidung fällt. Grundlage soll ein Gutachten der Tierärztlichen Hochschule Hannover sein.
Der Wisent-Verein drückte am Donnerstag seine Hoffnung aus, dass die Politik sich zu einer „dauerhaften Etablierung des Artenschutzprojekts“ entschließe und aus diesem Grund einen „neuen öffentlich-rechtlichen Vertrag unter Federführung des NRW-Umweltministeriums“ schließe: „Dann wären die klagenden Privatwaldeigentümer wieder verpflichtet, die Wisente zu dulden.“
Anwalt des Waldbauern „hochzufrieden“
Derweil bezeichnete der klagende Forstwirt Hubertus Dohle die OLG-Urteile als „richtig für die Waldbauern, aber auch für die Tiere“. Denn die Wisente gehörten aus seiner Sicht dort nicht hin. Nun wartet er die weitere Entwicklung ab, sagt aber: „Ich plädiere dafür, dass nun endlich Schluss ist, dass die Vernunft siegt.“ Es sei inzwischen klar, dass das Projekt in dieser Form keinen Sinn mache, so Dohle.
Sein Anwalt Dieter Schulz zeigte sich „hochzufrieden“ und sprach gleichzeitig seine „Befürchtung“ aus, dass die Gegenseite – der Wisent-Verein – von der Möglichkeit einer Revision vor dem BGH Gebrauch macht: „Dann sehen wir uns in zwei Jahren in Karlsruhe wieder“, so der Jurist aus Schmallenberg. Was allerdings dagegen spreche, sei das, „wie man so hört, relativ vernichtende Urteil über das Projekt“ im Gutachten aus Hannover. „Das macht uns Hoffnung, dass das Projekt aus politischen Gründen beendet wird.“
Lösung bis zum kommenden Herbst
Die „Interessengemeinschaft Pro Wald“ sieht die OLG-Entscheidungen als „deutliche Handlungsaufforderung“ an die Politik, so Sprecher Lucas von Fürstenberg: „Weiteres Nichtstun jedenfalls kann nicht die Folge sein.“
Das NRW-Umweltministerium kündigte am Donnerstag gegenüber dieser Zeitung eine Lösung für die Zukunft des Wisent-Projekts bis zum kommenden Herbst an. „Rückblickend“, so ein Sprecher, „hätten von Beginn an alle Beteiligten an einem Tisch eine gemeinsame Grundlage für das Projekt erarbeiten sollen – bevor die ersten Tiere freigesetzt wurden.“ Dann hätte man sich „eine Vielzahl von gerichtlichen Auseinandersetzungen erspart“.
Konstruktive Zusammenarbeit notwendig
Alle Beteiligten seien gut beraten, weiterhin konstruktiv an einer Lösung zu arbeiten, so der Sprecher. Ziel müsse eine einvernehmliche Lösung sein, „die sowohl den Eigentümerbelangen als auch den Interessen in der Region und dem Tierwohl gerecht wird“. Diese Entscheidung müssten aber am Ende „die Verantwortlichen vor Ort“ treffen.