Lüdenscheid. In drei Jahren soll der Verkehr wieder rollen über die neue Rahmedetalbrücke in Lüdenscheid. Warum Anwohner nicht jubeln.
Es ist eine gute Nachricht für die Menschen in Lüdenscheid, die Tag für Tag unter der Sperrung der Sauerlandlinie leiden. Mitte 2026 soll nach der Ankündigung aus dem Bundesverkehrsministerium von Dienstag der A 45-Verkehr wieder über die dann neugebaute Rahmedetalbrücke führen.
Besuch im Wiesental: Direkt neben der Baustelle der Talbrücke Rahnmede
Die vorige marode Brücke war am 7. Mai gesprengt worden, ihre Sperrung und ausschweifende Umleitungen plagen die Menschen in Lüdenscheid nun seit anderthalb Jahren. Direkt neben dem Wiesental liegt das Meer aus Schutt und Staub nun. Kaum ein Anwohner ist an diesem Mittag, an dem die guten Neuigkeiten öffentlich geworden sind, vor seiner Türe unterwegs. Sanft plätschert der Eggenscheider Bach durch die Gärten der liebevoll gepflegten Häuser, Blumen sprießen, Bäume vervollständigen die Kulisse. Ein Nachbar genießt den Schatten seiner Pflanzen in einer Hängematte und entspannt.
Doch direkt an seinem Zaun vorbei führt befestigter Asphalt in Richtung Altenaer Straße – die Fahrbahn trennt das Wohngebiet von der Baustelle rund um die abgerissene Talbrücke Rahmede wie eine andere Welt. Auf der einen Seite die sauerländische Idylle, Steinwüste auf der anderen. Harmonische Stille hier – und dort der zuweilen ohrenbetäubende Lärm, der den Frieden im Wiesental lahmlegt.
Verkehr in Lüdenscheid soll ab 2026 rollen
Aber das soll nicht mehr lange so sein, zumindest keine Jahrzehnte. Schenken wir den Plänen des Bundesverkehrsministeriums Glauben, soll ab Mitte 2026 der Verkehr in Lüdenscheid endlich wieder rollen. Also in knapp drei Jahren. Hier gibt es alle Infos dazu.
Anwohner, die ihr Haus ganz in der Nähe der Baustelle haben, sind skeptisch – ob das realistisch ist?
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Verkehrssituation besser geworden
Frank Schliewinski grinst auf die Frage, ob es realistisch ist, dass Mitte 2026 die Umleitung durch Lüdenscheid ein Ende hat. Er schnaubt leicht. „Ach“, sagt er und winkt ab. So reagieren die meisten hier im Wiesental. „Schön wäre es, wenn’s was wird“, sagt er, während er seinen Garten Am Ostenhagen herrichtet.
Mit seinen orientalischen Figuren, dem bunten Bett und einem weißen Tischlein mit zwei Stühlen fällt das gute Stück Land direkt ins Auge. „Die Verkehrssituation ist zum Glück schon besser geworden“, sagt er. Zu Beginn der Sperrung sei es viel schlimmer gewesen.
Nicht so schlimm wie in der unterhalb liegenden Siedlungsstraße, in der es wegen des ohrenbetäubenden Lärms sogar neue Fenster gab. Aber trotzdem: schlimm.
Ein Auto nach dem anderen sei in die abgelegene Straße gefahren, um zurück auf die Autobahn zu kommen. Und hätte dann in der Sackgasse gestanden: „Wir hatten sogar einen Siebentonner hier oben. Die schweren Fahrzeuge haben unseren Garten kaputtgemacht“, schildert Schliewinski seine Erlebnisse von den Anfängen.
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Er ist dankbar, dass das nicht mehr so ist. Und auch wenn er nicht glaubt, dass sich der 2026-Plan halten lässt, hat er eine klare Meinung zu dem ganzen Thema: „Sich aufzuregen nützt nichts. Entweder es klappt, oder es klappt nicht. Ändern tun wir daran nichts.“
30er- und Lkw-freie Zonen
Ähnlich locker sieht auch Margit Wagener das Vorhaben. Gemeinsam mit ihrem Mann lebt sie am Ulmenweg. Der Lärm der Maschinen an der ehemaligen Brücke kommt auch hier an, selbst wenn die Wohngegend etwas weiter entfernt ist. „Wir sind beide bereits in Pension“, erklärt sie.
Natürlich würden auch sie immer wieder in den Stau geraten, der sich zeitweise durch die gesamte Stadt zieht. Doch auch sie begrüßt die 30er- und Lkw-freien Zonen. Beim angepeilten Fertigstellungsdatum für die Talbrücke muss auch sie schmunzeln.
Sprengung auch verzögert
„Das werden wir sehen“, sagt sie und fügt hinzu: „Es handelt sich dann ja auch erstmal nur um die Ersatzbrücke, wahrscheinlich einspurig.“ Einen Baustellen- und Lärmstopp würde das nicht bedeuten – Margit Wagener rechnet mit einer längeren Wartezeit, bis wirklich wieder alles „im Grünen“ ist.
Doch auch die Lüdenscheiderin möchte sich nicht ärgern. Obwohl es Gründe gäbe. „Zuletzt haben wir noch einen Spaziergang gemacht und die Baustelle gesehen. Warum sie noch nicht mit den ersten Pfeilern angefangen haben, weiß ich nicht“, so Wagener. „Aber die Sprengung hat sich ja auch schon verzögert.“
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Teile der Altenaer Straße werden bereits erneuert
Dass es aber immerhin vorwärts geht an der A 45, davon überzeugen sich die Anwohner auch selbst, wenn sie „unter“ der ehemaligen Brücke hergehen. Zahlreiche Bagger schaffen letzte Reste des Bauwerks weg, häufen Stahlträger und andere Bauteile mitten in der Steinwüste zu Bergen auf, die jedes Mal dumpf ächzen, wenn ein Teil fällt.
Eine Rentnerinnentruppe beobachtet das Spektakel, ein Mann fotografiert und filmt durch die Absperrungen. Auf der Straße nebenan stehen die Autos, mal in langen Schlangen, dann fließt der Verkehr wieder. Bis die nächste Ampel kommt, denn Teile der Altenaer Straße müssen bereits erneuert werden.
Schlaglöcher in der ganzen Stadt
Und nicht nur hier machen die abertausenden Pkw und Lkw dem Asphalt zu schaffen. „Wir haben in dieser Stadt teils Schlaglöcher, da können Kinder drin spielen“, sagt Elijahs Strung, gebürtiger Siegener, der mittlerweile auch in Lüdenscheid wohnt.
Seine Forderung an die Stadt ist klar: Es muss etwas getan werden, und zwar schnell. „Ich habe mir deswegen schon zweimal mein Auto fast kaputtgemacht, das kann doch nicht sein!“ An der Brunscheider Straße, die als Umleitung dient, zum Beispiel, würde die Straße mit jedem Tag katastrophaler.
Schneller Neubau wäre Segen
Ein schneller Neubau wäre ein Segen. Für das Unternehmen. Und erst recht für die Menschen in Lüdenscheid.
Die vertritt Heiko Schürfeld von der Bürgerinitiative A 45. „Es ist schön, dass es weitergeht“, sagt er. „Euphorisch sind wir aber nicht. Bis Mitte 2026, das sind immer noch drei Jahre.“ Für die Initiative seien zwei Faktoren wichtig: Zum einen der zeitliche, dass die Baufirma garantiere, dass der Termin auch gehalten werde. „Das zweite Kriterium, und das ist für mich noch wichtiger, ist, dass die Baufirma vernünftige Arbeit leistet. Nicht, dass man wie bei der Rheinbrücke in Leverkusen nach der Hälfte der Bauzeit feststellt, dass minderwertiges Material verbaut wurde. Das würde alles verzögern. Das wäre der Gau.“
Landrat vergibt nur die Schulnote 4
Und was ist aus Politik und Verbänden zu hören? Unter dem Strich sind die Reaktionen auf die Auftragsvergabe und die Termin-Nennung positiv. Bei Nezahat Baradari zum Beispiel. Für die SPD-Bundestagsabgeordnete bedeutet die Nachricht, dass für die Bürgerinnen und Bürger in der Region „ein Licht am Ende des Tunnels zu erkennen ist“. Weil aber bis zur Freigabe des Verkehrs noch ein paar Jahre vergehen werden, „muss auch weiterhin mit aller Kraft die Aufmerksamkeit auf unsere Region gerichtet werden“, fordert sie.
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„Jeder Tag ohne Brücke ist für uns im Sauerland natürlich einer zu viel“, sagt Johannes Vogel, Vize FDP-Chef und Bundestagsabgeordneter für den Märkischen Kreis und Olpe. „Aber klar ist auch: Das ist in Deutschland rekordverdächtig für so ein großes Infrastrukturprojekt und ein Anwendungsfall für das endlich angestoßene höhere Tempo für Infrastrukturprojekte.“
Marco Voge (CDU), Landrat des Märkischen Kreises, begrüßt die Nachricht, gibt dem Bund aber nur die Schulnote 4. Mit dem Neubau bis 2026 sei nur eine von vielen Hausaufgaben erledigt. Weitere dringende Investitionen in die Region müssten folgen. „Leider liegt nach wie vor kein konkreter Zeitplan für die komplette Fertigstellung vor. Das passt ins Bild. Der Bundesverkehrsminister tritt zu diesem Thema nur dann an die Öffentlichkeit, wenn es gute Nachrichten zu verkünden gibt. Ansonsten sind die Antworten schmallippig.“
Sein Parteifreund Florian Müller, CDU-Bundestagsabgeordneter für den Märkischen Kreis und Olpe, sagt: „Das ist ein wichtiger Meilenstein für die Region. Nun sind alle gehalten, dafür zu sorgen, dass die Bauwirtschaft den Termin auch einhalten kann.“
Und Gordan Dudas, SPD-Landtagsabgeordneter für Lüdenscheid freut sich: „Jeder Monat, den die Autobahn eher freigegeben wird, ist eine Erlösung für die Region. Ich freu mich wirklich, dass wir nun nach vorne blicken können.“
Bürgermeister von Lüdenscheid zeigt sich extrem positiv und hoffnungsvoll
Grundsätzlich wird Ralf Geruschkat, Hauptgeschäftsführer der SIHK. „Mindestens viereinhalb Jahre Vollsperrung der A 45 zeigen deutlich: Wir müssen in Deutschland endlich echte Fortschritte bei der grundsätzlichen Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren erzielen – über den Einzelfall Rahmedetalbrücke hinaus“, erklärt er.
Und was sagt der Bürgermeister aus der Mitte des Sturms? Auch Sebastian Wagemeyer (SPD), Lüdenscheider Stadtoberhaupt, spricht von einem Meilenstein. „Sicher werden jetzt wieder einige sagen, dass es besser wäre, wenn es schneller gehen würde. Klar ist, es kann nicht schnell genug gehen. Doch die Vergabe stimmt mich extrem positiv und hoffnungsvoll. Sie zeigt, dass mit dem Abbruch ein Aufbruch verbunden ist und wir mit neuer Energie und positiv nach vorne blicken können.“