Berlin. Forscher entdecken, dass Weißbüschelaffen sich beim Namen rufen – ein Verhalten, das bisher nur von Elefanten und Delfinen bekannt war.

Das gezielte Ansprechen von Artgenossen galt bisher als seltenes Verhalten in der Tierwelt. Lediglich bei Elefanten und Delfinen war ein solches Verhalten bekannt. Eine aktuelle Studie, die im Fachmagazin „Science“ veröffentlicht wurde, zeigt nun, dass sich auch Weißbüschelaffen gegenseitig mit Namen ansprechen. 

Studi zeigt: Weißbüschelaffen kommunizieren über Phee-Rufe

Weißbüschelaffen leben in eng verbundenen Familiengruppen hoch oben in den Baumkronen des Regenwaldes. Um sich über große Entfernungen zu verständigen, benutzen sie schrille, hohe Pfiffe, so genannte „Phee-Rufe“. Diese einzigartigen Rufe standen im Mittelpunkt der Untersuchungen eines Teams der Hebräischen Universität in Jerusalem.

Die Wissenschaftler analysierten rund 54.000 Phee-Rufe von zehn verschiedenen Affen. Die Untersuchungen umfassten auch Aufnahmen von Gesprächen, bei denen die Affen durch eine optische Barriere voneinander getrennt waren. Zusätzlich wurde ein Computersystem eingesetzt, mit dem die Tiere interagierten.

Nach der Auswertung der Rufe war sich das Team der Hebräischen Universität sicher: Die Affen stimmen ihre Phee-Rufe exakt auf andere Artgenossen ab.

Affen nutzen „Namen“ zur gezielten Ansprache

Bisher gingen Studien davon aus, dass die Phee-Rufe von Weißbüschelaffen nur Informationen über den Rufer enthalten, wie das Geschlecht oder den Rang in der Gruppe. Die neue Studie zeigt jedoch, dass die Rufe nicht nur den Sender identifizieren, sondern auch den Empfänger ansprechen. Die Forscher stellten fest, dass die Affen anhand von „vokale Etiketten“ erkennen, wenn ein Ruf speziell an sie gerichtet ist, und dass sie eher reagieren, wenn sie mit ihrem „Namen“ angesprochen werden.

„Dies ist das erste Mal, dass wir dieses Verhalten bei nicht-menschlichen Primaten beobachtet haben“, sagt David Omer, Hauptautor der Studie und Assistenzprofessor am Safra Center for Brain Sciences der Hebräischen Universität.

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Forscher sicher: Jede Familie hat ihren eigenen Dialekt

Die Studie zeigte auch, dass die Phee-Rufe innerhalb einer Familie ähnliche stimmliche Bezeichnungen aufwiesen. Die Autoren erklären dies damit, dass die Affen „ähnliche Lautmerkmale verwenden, um verschiedene Namen zu kodieren“. Diese Praxis sei der Verwendung von Dialekten oder Akzenten bei Menschen ähnlich.

Interessanterweise wurde dieses Verhalten auch bei erwachsenen Weißbüschelaffen beobachtet, die nicht miteinander verwandt waren. Die Forscher schließen daraus, dass die Tiere ihre Rufe von anderen Familienmitgliedern lernen, anstatt sie genetisch zu erwerben.

Forscher finden Parallelen zur menschlichen Kommunikation

Für das Leben in der Wildnis scheint diese Fähigkeit eine wichtige Rolle zu spielen. Denn, so vermuten die Forscher, die Rufe könnten sich entwickelt haben, damit die Tiere auch in unübersichtlichem Gelände miteinander in Kontakt bleiben.

Weißbüschelaffen leben in kleinen, monogamen Familien und ziehen ihre Jungen gemeinsam auf, ähnlich wie Menschen“, erklärt Omer. Diese Parallelen deuten darauf hin, dass die Affen in ihrer sozialen Evolution vor ähnlichen Herausforderungen standen wie unsere Vorfahren. Möglicherweise haben sie deshalb vergleichbare Mechanismen im Gehirn entwickelt, die ihnen helfen, sich in ihrem sozialen Umfeld zurechtzufinden – ähnlich den Prozessen, die zur Entstehung der menschlichen Sprache geführt haben.

Die Wissenschaftler hoffen, dass ihre Ergebnisse weitere Forschungen auf diesem Gebiet anregen und das Verständnis von Kommunikation und sozialer Evolution vertiefen werden.

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