Berlin. Darmparasiten-Kuren liegen im Trend. Ein Arzt klärt auf, was teure Kräutermischungen anrichten können – und wie man es richtig macht.

Ob Bauchkrämpfe, Allergien, Müdigkeit – oft heißt es, Darmparasiten seien schuld daran, dass wir uns schlecht fühlen. Die Lösung: Der Darm müsse einfach mal ordentlich gesäubert werden, so zumindest die Vorstellung. Auch im Internet werden deshalb reichlich „Darmparasiten“-Programme angeboten, eine schnelle Darm-Reinigung für zu Hause. Doch der Trend birgt Gefahren für die Gesundheit, sagt Dr. Thomas Rampp, Oberarzt der Klinik für Naturheilkunde und integrative Medizin der evangelischen Kliniken Essen-Mitte.

Was ist von diesen Fertigprodukten zu halten, mit denen man per Heilkräuter-Mix – etwa aus Papaya-Kernen, Oregano oder Kokosöl – den Darmparasiten in Eigentherapie den Kampf ansagt?

Dr. Thomas Rampp: Es geht ja bei Problemen durch Darmparasiten oft um diffuse Beschwerden. Die Betroffenen haben Probleme mit Magen oder Darm. Oder fühlen sich allgemein schlapp. Da macht es Sinn, dass man sich nicht einfach selbst therapiert, sondern erst einmal therapeutischen Rat sucht. Ob beim Hausarzt oder einem guten Heilpraktiker. 

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Und wenn nach ärztlichem Check keine Krankheiten vorliegen, man sich aber einfach besser fühlen will?

Rampp: Danach kann man zu natürlichen Mitteln greifen.

Welche natürliche Alternative gibt es zum Beispiel abseits meist teurer Fertigprodukte? Man hat ja schon mal von Knoblauch gehört, das keimtötend wirken soll, ohne die nützlichen Darmbakterien anzugreifen.

Rampp: Ja, dazu müssen Sie drei Wochen lang jeden Abend drei Knoblauchzehen zerdrücken und in ein Glas Milch, falls verträglich, geben. Diese Knoblauchmilch trinken Sie dann am darauffolgenden Morgen auf nüchternen Magen.

Und gibt es sonst noch etwas, das man zu sich nehmen kann und das natürlich darmreinigend wirkt?

Rampp: Auch Thymian, Oregano, Enzian, Weißkohlsaft, Kürbiskerne, Ingwer, Gewürznelken, Apfelessig und vieles mehr einzeln oder in Kombination, am besten aus der Region, sind zu empfehlen.

Dr. Thomas Rampp
Dr. Thomas Rampp, Oberarzt der Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin der Evang. Kliniken Essen-Mitte. © privat | Privat

Arzt nimmt Angst vor Parasiten: Aushungern lassen ist nicht nötig

Wie sieht es mit Klistieren aus? Auch so ein Trend, sozusagen der kleine Einlauf für Zuhause.

Rampp: Da habe ich eigentlich nichts dagegen, wenn es nicht zur Passion wird. Viele leiden ja unter Verstopfung, wenn man dadurch dann die Darmperistaltik (Darmbewegung) anregt, sicher und gut durchführt, ist das besser, als wenn die Leute massenweise Abführmittel schlucken. Interessant ist: Es gibt Untersuchungen bei drohendem Migränefall, dass ein Klistier helfen und die Migräne unterbrechen kann.

Die Darmreinigung hat also insgesamt positive Folgen?

Rampp: Wenn sie kontrolliert gemacht wird, keine Frage. Wir an unserer Naturheilkundeklinik sind ja große Fans des Buchinger Heilfastens mit einem Abführtag mittels Glauber-Salz. Dabei wird der Darm richtig entleert. Viele Kulturen, auch die indische Panchakarma-Kur, setzen auf eine Reinigungsprozedur. Das macht schon Sinn. Aber nicht mit dem Ziel, Parasiten auszuhungern. Das ist nämlich im Normalfall gar nicht nötig.

Aber im Darm sind jede Menge Parasiten. Die will man doch loswerden.

Rampp: Das wäre extrem gefährlich. Denn mit einem sterilen Darm sind wir nicht überlebensfähig, nicht einmal eine Woche. Die Gesamtheit der Mikroorganismen im Darm, Bakterien, Viren, Pilze und deren Stoffwechselprodukte –  das sogenannte Mikrobiom – ist ein Trainingspartner unseres Immunsystems. Diese Mikroorganismen helfen uns bei der Aufspaltung von Nahrungsbestandteilen und sind an der Bildung von ganz wichtigen Hormonen beteiligt.

90 Prozent des körpereigenen Serotonins, das ja auch Glückshormon genannt wird, wird im Darm produziert. Diese Mikroorganismen bilden zudem kurzkettige Fettsäuren, diese wirken entzündungshemmend, stabilisieren die Darmschleimhaut und stärken das Immunsystem. Im Darm befindet sich der größte Teil des Immunsystems in unserem Körper.

Wie oft sollte man die Reinigung durchführen?

Rampp: Beim Heilfasten etwa zweimal im Jahr. Ganz wichtig: Diese Darmreinigung ist eingebettet in ein Konzept. Das vermisse ich bei diesen Sachen im Internet.

Experte über Gefahren der Darmreinigung – sogar Entzündungen möglich

Was kann passieren, wenn man das Prozedere zu oft durchführt?

Rampp: Man kann die Schleimhaut reizen und im schlimmsten Fall Entzündung des Darms auslösen.

Und wie sieht es bei häufiger Darmreinigung mit dem Elektrolythaushalt – wie Natrium oder Kalium – aus? Sie müssen ja im Normalbereich sein, damit der Körper funktionieren kann.

Rampp: Wenn es zu viel ist, ist es auch gefährlich für den Elektrolythaushalt, der durcheinandergeraten kann.

Arzt nennt Tipps und Tricks zur Darmgesundheit

Die große Angst bei Parasiten im Darm hängt häufig mit Wurmbefall zusammen. Hilft dabei auch eine Kräutermischung oder ein Klistier?

Rampp: Nein, da muss man in den meisten Fällen mit Chemie ran. Also Anti-Wurmmitteln, die durchaus aggressiv sind.

Wie lässt sich denn abseits von Darmreinigung der Darm gesund halten?

Rampp: Das können wir ganz locker mit einer ballaststoffreichen, pflanzenbasierten Ernährung schaffen. Dadurch wird sichergestellt, dass eine Vielfalt von Mikroorganismen vorhanden sind, also eine bunte aber ausgewogene Mikrobiota. Je mehr Vielfalt, desto robuster sind wir. Ich habe mal von den Ernährungsdocs der BBC gehört, man soll sich eine Strichliste machen und am Ende einer Woche sollte man 30 verschiedene pflanzliche Nahrungsmittel verzehrt haben.

Gar nicht so leicht, 30 Kräuter zusammenzubekommen.

Rampp: Absolut nicht. Aber es zählt auch schon der Schnittlauch über dem Rührei.

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Leinsamen bringen den Darm auf Trab und sind reich an Omega-3-Fettsäuren. © iStock | panco971

Wichtiger Rat: Leinsamen schützt Darm und stärkt so die Abwehr

Was hilft noch?

Rampp: Leinsamen. Die sind wirklich Spitze! Sie enthalten viele Omega-3-Fettsäuren, die entzündungshemmend wirken, stärken die Darmschleimhaut und damit wieder unser Immunsystem. Außerdem helfen Leinsamen zusammen mit ausreichend Flüssigkeit, die Verdauung anzukurbeln.

Vollkorn muss sein?

Rampp: Unbedingt, ganz wichtig. Da kann man auch manche Tricks nutzen. Zum Beispiel bei Nudeln, die ja eigentlich wenig Ballaststoffe enthalten. Damit sich aber resistente Stärke, also Ballast, bildet, sollte man die Nudeln nicht ganz fertig kochen. Und sie dann stehen lassen, bis sich so ein weißer Belag auf den Nudeln gebildet hat. Dann das Ganze einfach kurz aufwärmen. Das geht auch bei Kartoffeln: abkühlen lassen, dann bildet sich eine Art Haut, ebenfalls Stärke. Und dann zu Kartoffelpüree oder Bratkartoffeln verarbeiten.

Salate sollen ja gesund sein, Gemüse und Rohkost auch. Aber manche klagen nach dem Essen über Bauchschmerzen.

Rampp: Wir erleben es tatsächlich auch mit unseren Patienten. Wenn sie es nicht gewohnt sind, kann die mediterrane Vollwerternährung dazu führen, dass sie in der ersten Woche wegen der Blähungen unter der Decke schweben. Aber der Darm kann sich umgewöhnen. Und auch das Mikrobiom verändert sich. Nach einer Woche vertragen die Patienten die Kost in der Regel.

Vegetable Crudite with Carrots Broccoli and Peas
Rohkost ist gesund, doch Vorsicht: Am Abend ist sie schwer verdaulich. . © Getty Images | Adventure_Photo

Wie sieht es mit Salatessen am Abend aus? Manche klagen, dass sie danach nicht gut schlafen können.

Rampp: Das sollte man nur machen, wenn man kein Verdauungsschwächling ist. Denn es ist schon gefährlich. In der Nacht wird der Stoffwechsel ja heruntergefahren und damit auch die Verdauung. Da liegt einem der Salat oder auch andere Rohkost schon mal wie Steine im Magen. Und in manchen Fällen kann es sogar zum sogenannten Brewery-Syndrom kommen, also Brauerei-Syndrom. Dabei entstehen kleine Alkohole. Man wundert sich dann, was diese Patienten für Leberwerte haben, obwohl sie keinen Alkohol trinken. So etwas kommt vor allem bei Menschen mit einer Fehlbesiedlung von Bakterien im Darm vor.

Und sind diese Menschen dann auch beschwipst?

Rampp: Nein, das nicht, eher abgeschlagen und müde. Sie können es sich nicht erklären, dass sie sich angeblich gesund ernähren und trotzdem so schwach fühlen. Der Schmerz der Leber ist die Müdigkeit, mit dem Symptom kommen diese Leute meistens zu uns.