Berlin. In der Fastenzeit versuchen wir, unserem Körper etwas Gutes zu tun. Doch der Verzicht auf Nahrung wird für manche zur harten Probe.
Die Völlerei und der Alkoholkonsum an den Weihnachtstagen und Fastnacht hängt noch bei so manchem in den Knochen und auf der Waage. Neben religiösen Hintergründen ist das für viele Menschen ein weiterer Grund, die Fastenzeit ernst zu nehmen. Doch bei all den süßen und salzigen Leckereien dieser Welt und dem nicht ausbleibendem Hungergefühl ist es ganz schön schwer, standhaft zu bleiben und zumindest teilweise aufs Essen zu verzichten.
Im Gespräch mit dieser Redaktion erklärt Fastenexperte Dr. Steffen Häfner, Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie und ärztlicher Direktor der Klinik am schönen Moos (Baden-Württemberg), wie man seinen inneren Schweinehund überwinden kann und warum das Fasten positive gesundheitliche Effekte mit sich bringt.
Welche Varianten des Fastens gibt es und welche eignet sich am besten?
Häfner: Eine der beliebtesten und bekanntesten Fasten-Methoden ist das klassische Heilfasten nach Otto Buchinger. Hierbei verzichten Fastende für mindestens fünf Tage bis maximal drei Wochen ganz bewusst auf Speisen, bestimmte Getränke und Genussmittel. Daneben wirken sich Kurzzeit- oder Intervallfasten mit Säften, Haferschleim oder Leinsamen ebenfalls positiv auf den Stoffwechsel aus. Allerdings haben diese Fastenkonzepte nicht den gleichen, nachhaltigen Effekt wie das klassische Heilfasten, das mit einer Darmreinigung beginnt und mit dem Fastenbrechen endet.
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Wie lange sollte man Fasten? Mehrmals oder einmal im Jahr?
Häfner: Klassisches Heilfasten nach Buchinger empfehlen wir ein- bis zweimal im Jahr, wobei individuelle Aspekte wie Alter, Ausgangsgewicht und Gesundheitszustand immer berücksichtigt werden müssen. Gesunde Erwachsene vertragen das Heilfasten in der Regel risikolos – Menschen mit Vorerkrankungen sollten vorher zum Arzt gehen und nur unter ärztlicher Aufsicht fasten, zum Beispiel in einer Fastenklinik. Kinder, Schwangere oder Stillende dürfen ebenso wenig fasten wie Menschen mit schweren Herz- oder Nierenerkrankungen. Gleiches gilt auch für Menschen mit Essstörungen, Untergewicht oder sehr hohem Lebensalter.
Fasten: Diese Rolle spielt die Psyche
Häfner: Fasten erfordert den Verzicht auf gewohnte Nahrungsmittel oder Gewohnheiten, was ohne einen starken Willen schwer umzusetzen ist. Die nötige Entschlossenheit hilft, Versuchungen konsequent zu widerstehen. Darum empfiehlt es sich, das Fasten nicht in einer mentalen Krisensituation anzugehen, beispielsweise bei akuten Stresssituationen, emotionalen Belastungen oder schwierigen Lebensumständen. Seelische Stabilität sollte immer die Voraussetzung sein, um sich selbst nicht zu überfordern.
Wie unterstütze ich meine Psyche während des Prozesses?
Häfner: Ich empfehle das Fasten in einer Gruppe mit Gleichgesinnten durchzuführen, um sich gegenseitig zu unterstützen und zu motivieren. Wer das Fasten zu einer gemeinschaftlichen Erfahrung macht, hat nicht nur mehr Freude, sondern auch größere Chancen durchzuhalten. Ebenso wirkt ein kultureller Rahmen unterstützend. Religiöse Fastenzeiten lassen uns beim Verzichten weniger allein fühlen, auch wenn dabei individuelle Beweggründe im Vordergrund stehen.
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Wie überwindet man sich selbst?
Häfner: Um dem Fastenprozess einen Rahmen zu geben, sind festgelegte Rituale wichtig. Vor allem zu Beginn und am Ende der Fastenperiode kann dies Halt geben und die Umstellung mental bewusst machen. Dafür eignet sich beispielsweise eine achtsame Meditation, das Aufschreiben von Zielen oder gemeinschaftliches Fastenbrechen. Zusätzlich ist es empfehlenswert, während des Fastens bewusst positive Anreize zu setzen. Hierfür kommt beispielsweise der Besuch eines Konzerts infrage oder andere Vorhaben, die Freude und Entspannung bringen.
Ebenso kann das Fasten in Kombination mit Aktivitäten wie Wandern eine Möglichkeit bieten, sich selbst eine Belohnung zu gönnen. Wer sein Fastenvorhaben am Ende wirklich durchhält, stärkt zudem seine Selbstwirksamkeit, also die innere Überzeugung, schwierige oder herausfordernde Situationen meistern zu können. Mit dieser Einstellung lassen sich auch andere Herausforderungen im Leben leichter angehen.
Hilft Fasten beim Abnehmen? Das sagt der Experte
Welche nachweislichen Effekte hat das Fasten?
Häfner: Schon wenige Tage bringen erste Erfolge, denn Fasten entlastet den Darm, senkt den Blutdruck und kräftigt das Immunsystem. Fasten reduziert chronische Entzündungen im Körper. Vor allem gut bei Rheuma, Morbus Bechterew und Gicht sowie bei Krankheiten wie Fettleibigkeit und Arteriosklerose. Wenn der Körper nicht verdauen muss, kann er wichtige Prozesse anregen, wie zum Beispiel Zellreinigungsprozesse, auch Autophagie genannt. Hierbei werden beschädigte Zellbestandteile sowie Krankheitserreger (beispielsweise Viren) abgebaut und wiederverwertet. Ein wichtiger Vorgang des Körpers der Selbstreinigung und essenziell für die Lebenserhaltung und Zellverjüngung.
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Kann man durchs Fasten auch abnehmen?
Wer durch das Fasten abnehmen will, den muss ich enttäuschen. Allerdings kann die intensive Beschäftigung mit der Nahrungskarenz (Verzicht auf Essen, Anm. d. Red.) einen zu einem bewussteren Umgang mit den eigenen Essgewohnheiten führen und letztendlich zu einer Gewichtsreduktion verhelfen. Etwa an Tag drei geht das Hungergefühl zurück, der Serotoninspiegel steigt und löst eine Harmonisierung der Hirnaktivitäten aus. Viele berichten dann von einem absoluten Hochgefühl, auch das Fasten-High genannt.
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Was sollte man während des Fastens auf keinen Fall tun?
Häfner: Der Verzehr von Alkohol oder tierischen Produkten ist in der Fastenzeit tabu. Wer fastet, sollte darauf achten, ausreichend Flüssigkeit in Form von Wasser, Kräutertees oder Brühen zu sich zu nehmen. Achtung: Nach etwa vier Tagen greift der Körper zur Energiegewinnung nicht nur auf seinen Fettspeicher zurück, sondern auch auf wichtige Proteine. Vor allem für Menschen mit Stoffwechselerkrankungen oder chronischen Krankheiten kann das gefährlich werden. Daher ist es ratsam, immer etwas Kohlenhydrate in Form von Honig oder Obstsäften und Eiweiß in Form von Quark zu sich zu nehmen.