Berlin. Die Diagnose Endometriose hat für Lena und ihren Partner viel verändert. Wie das Paar mit den Herausforderungen in ihrer Beziehung umgeht.

  • Jede zehnte Frau leidet unter Endometriose
  • Bei der Krankheit bildet sich außerhalb der Gebärmutterhöhle Gebärmutterschleimhaut-ähnliches Gewebe
  • Ein Paar berichtet, wie es mit den Folgen der Krankheit umgeht und was geholfen hat

Bauchkrämpfe, Durchfall, Ohnmacht: Endometriose kann sehr schmerzhaft sein, wird aber oft als normale Regelschmerzen abgetan. Für Lena Düsterhus sind solche schlimmen Unterleibsschmerzen nichts Neues. Diese hat sie schon lange, vor allem während ihrer Periode. Immer wieder bekam sie gesagt, dass das normal sei, dass sie das aushalten müsse. Doch im Herbst 2019 geht es der damals 25-Jährigen körperlich immer schlechter.

Gemeinsam mit ihrem neuen Partner Christoph, mit dem sie mittlerweile verheiratet ist, entscheidet Lena sich damals dazu, die Pille abzusetzen. Dahinter steckt die Hoffnung, dass es ihr ohne die Hormone besser geht. Das Paar verhütet auch ansonsten nicht mehr, beide haben einen starken Kinderwunsch.

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Doch Lena geht es nicht besser, sondern immer schlechter. Über den Jahreswechsel verbringt sie mehrere Wochen in einer Klinik. Eine Freundin von ihr hat schließlich einen Verdacht, nachdem sie einen TV-Beitrag über eine Endometriose-Betroffene gesehen hat. Könnte Lena ebenfalls die Krankheit haben? Lena erzählt das den Ärzten in der Klinik. Diese werden hellhörig und empfehlen schließlich eine entsprechende Fachklinik.

Bis zur endgültigen Diagnose vergehen jedoch einige Monate. Im Mai 2020 bekommt sie schließlich eine Ultraschalluntersuchung in einer Frauenklinik. „Der Gynäkologe hat mir gesagt: ‚Ich gehe zu 99 Prozent davon aus, dass Sie Endometriose haben und das bedeutet für Sie chronisch, unheilbar und höchstwahrscheinlich auch unfruchtbar.‘“

Krankheit: Jede zehnte Frau hat Endometriose

Schätzungen zufolge sind zwischen acht und 15 Prozent aller Menschen mit Gebärmutter, also primär Frauen, von der chronischen Krankheit betroffen. In seltenen Ausnahmefällen kann Endometriose sogar bei Personen ohne Uterus ausbrechen, wenn es gewisse Veranlagungen im Gewebe gibt. Bei Endometriose bildet sich außerhalb der Gebärmutterhöhle Gebärmutterschleimhaut-ähnliches Gewebe. Dieses kann sich entzünden, was wiederum sehr schmerzhaft sein kann. Die Symptome treten vor allem während der Periode auf, aber auch davor und danach.

Was ist Endometriose?

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    Lena weiß, dass sich Christoph nichts mehr wünscht, als zusammen mit ihr eine Familie zu gründen. „Ich war 25, wir waren noch frisch zusammen und ich hatte direkt Verlustängste“, erinnert sie sich. „Ich dachte, dass er sich jetzt eine gesunde Frau sucht, mit der er eine Familie gründen kann.“ 

    Doch Christoph ist für seine Partnerin da, auch wenn ihm das nicht immer leicht fällt. „Es war mein größter Wunsch, dass ich von Lena ein Kind geschenkt bekomme und mir mit ihr zusammen eine Familie aufbaue“, sagt er. „Das war und ist immer noch schwierig. Aber wir gehen gemeinsam diesen Weg und versuchen, das irgendwie hinzubekommen.“

    Endometriose sorgt häufig für Problemen beim Sex

    Johanna Netzl ist Psychologin an der Freien Universität Berlin in Kooperation mit dem Endometriosezentrum der Charité sowie psychologische Beraterin in eigener Praxis. Sie sagt, dass es als Paar wichtig ist, wie man sich gemeinsam der Endometriose gegenüber verhält. „Die Betroffene hat zwar Endometriose, aber sie ist nicht nur die Endometriose“, so Netzl. „Es ist wichtig, sich gemeinsam klarzumachen, warum man zusammen ist, dass man ein Team ist und dass die Beziehung aus ganz vielen anderen schönen Sachen besteht.“

    Doch genau das war für Lena und Christoph lange Zeit schwierig. Denn Lena wurde innerhalb von neun Monaten vier Mal wegen ihrer Endometriose operiert, wucherndes Gewebe wurde aus dem Unterleib entfernt, der durch die Krankheit in Mitleidenschaft gezogene Darm gerichtet. In dieser Zeit hatten sie keinen Sex. Über ein Jahr lang ging das so.

    Die Gründe dafür waren vielfältig: Zum einen war Lena körperlich geschwächt, durch Narben eingeschränkt. Zum anderen waren da psychische Faktoren. „Durch die vielen negativen Erlebnisse fällt es mir bis heute schwer, mit meinem Partner zu schlafen“, sagt Lena. „Manchmal finde ich mich selbst gar nicht mehr attraktiv und weiblich.“

    Endometriose
    Lena Düsterhus berichtet in den Sozialen Netzwerken über ihr Leben mit Endometriose und wie sich die Krankheit auf die Beziehung mit ihrem Partner Christoph auswirkt. © bennet media | bennet media

    Doch das ist nicht alles. Denn seit den OPs spürt Lena einen Anstoßschmerz, wenn sie mit Christoph schläft. Und: „Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich nicht am Bauch und im Intimbereich angefasst werden will, weil ich genau weiß, dass ich gleich Schmerzen haben werde“, sagt Lena. „Dann breche ich häufig einfach ab und das ist für den Partner auch nicht so schön. Zum Glück gibt es da ein paar Tools und Stellungen, die helfen. Trotzdem ist es immer schwierig, wenn man vor dem Geschlechtsverkehr eine Checkliste im Kopf abarbeiten muss, damit es losgehen kann.“

    Tipps von Betroffenen: Sex genießen trotz Endometriose

    Lena hilft es beispielsweise, wenn Christoph beim Geschlechtsverkehr einen Buffer-Ring trägt. Dieser verkürzt das Glied und sie spürt den Anstoßschmerz nicht mehr so intensiv. Auch Gleitgel kann helfen. Aber auch die richtige Atmosphäre hat bei dem Paar einen viel höheren Stellenwert als vor der Diagnose. „Ich überlege schon jedes Mal, wenn ich Lust habe, ob ich es überhaupt versuchen kann“, sagt Christoph über die Checkliste in seinem Kopf.

    „Ich will Lena keine Schmerzen zufügen und habe natürlich Angst, dass sie, während wir miteinander schlafen, Schmerzen hat.“ Um das zu vermeiden, achtet er genau darauf, an welchem Punkt im Zyklus Lena gerade ist und wie es ihr mit ihrer Endometriose gerade geht und versucht einen für sie möglichst entspannenden Rahmen zu schaffen, - beispielsweise, indem er ihr ein Bad einlässt, das ihren Unterleib entspannt. Und ihm hilft es, wenn Lena seine Hand an die Stellen ihres Körpers führt, an denen sie gerade berührt werden möchte.

    Am Anfang sprachen Lena und Christoph nicht über ihre Probleme im Bett. „Irgendwann kam der Punkt, an dem ich gemerkt habe, dass wir miteinander sprechen müssen, wenn wir uns nicht verlieren wollen“, sagt Lena. Sie führen Dates ein, bei denen sie miteinander kuscheln und sich auch durch Küssen wieder näherkommen, Sex haben sie dabei bewusst nicht.

    Tipps von Expertin: So findet man wieder zu einem erfüllten Sexleben

    „Es ist wichtig, gemeinsam und ganz aktiv den Druck rauszunehmen“, sagt die Psychologin Johanna Netzl. „Das heißt, anzusprechen, dass es okay ist, wenn sich während des Geschlechtsverkehrs die Stimmung und die Lust ändert, jederzeit abzubrechen oder die Praktik zu verändern.“

    Endometriose
    Psychologin Johanna Netzl begleitet und berät Frauen mit Endometriose und hilft ihnen, einen Umgang mit der Krankheit zu finden – auch in Beziehungen. © Enno Pfeiffenberger | Enno Pfeiffenberger

    „Es geht darum, den Fokus mehr auf die Beziehungsdimension der Sexualität zu lenken“, rät Netzl Betroffenen. „Sexualität ist mehr als nur Penetration. Sexualität ist beispielsweise auch Streicheln, Küssen, Oralverkehr. Es geht darum, all diese Facetten und mehr der Sexualität gemeinsam zu ergründen und kreativ zu werden.“

    Wichtig sei es auch, so die psychologische Beraterin, dass sich die Betroffenen mit der „anderen Realität der Erkrankung versöhnen“. „Es ist wichtig, sich bei Bedarf Hilfe von Expertinnen und Experten, wie beispielsweise dem Netzwerk Endometriose, Sexualität und Partnerschaft oder der Endometriose-Vereinigung Deutschland zu holen“, so Netzl.

    Lena und Christoph haben ihren Weg gefunden, trotz Endometriose ihre Sexualität leben zu können. „Wir haben immer wieder Zeiten, in denen es schwieriger ist, zueinander zu finden“, sagt Christoph. „Aber es gibt auch Zeiten, in denen es einfacher ist und auch sexuell mehr läuft.“ Lena ist sich mit Blick auf ihre Endometriose sicher: „Es ist eine Dauerbelastung für unsere Beziehung. Ich glaube, es wird unsere ewige Aufgabe sein, da einen guten Weg zu finden.“