Berlin. Konserven enthalten oft die Chemikalie BPA, deckt eine Untersuchung auf. Ein Toxikologe erklärt, was das für Verbraucher bedeutet.
- BPA in Konservendosen: Stiftung Warentest deckt hohe Belastung auf
- Die Chemikalie gelangt beim Essen in den Körper
- Toxikologe ordnet Risiko durch BPA ein und gibt Empfehlungen
Ob Kartoffel-Eintopf, Thunfisch, Bio-Kokosmilch oder Ravioli aus der Dose. In vielen Konserven steckt Bisphenol A, kurz BPA – die enthaltenen Lebensmittel sind stark belastet. Das hat eine Untersuchung der Stiftung Warentest ergeben. In 51 der 58 untersuchten Produkte war die als „besonders besorgniserregend“ geltende Chemikalie demnach enthalten, teils mit „starker Belastung“. Was das für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet, erklärt Toxikologe Jan Hengstler vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) im Gespräch mit unserer Redaktion.
Das Wichtigste vorab: Was genau ist BPA?
Jan Hengstler: BPA ist eine Chemikalie, mit der man Kunststoffe herstellt oder auch Beschichtungen für Oberflächen, die zum Beispiel für Lebensmittelverpackungen genutzt werden. Und sie wird im Maßstab von Millionen Tonnen im Jahr produziert. Über die Verpackung, etwa die Dosenbeschichtung, aber auch durch den Kontakt mit BPA-haltigen Materialien während der Herstellung kann die Chemikalie in Lebensmittel oder auch Getränke übergehen – insbesondere, wenn diese erhitzt werden.
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Wir können also als Verbraucherinnen und Verbraucher gar nicht vermeiden, BPA aufzunehmen?
Hengstler: Nein, davon bin ich überzeugt. Und das ist auch zunächst einmal gar nicht schlimm. In unseren Körper gelangen täglich Chemikalien – teils deutlich bedenklichere Substanzen als BPA. Ich denke da beispielsweise an Cadmium, Blei, Arsen, Aluminium oder Methylquecksilber, die ebenfalls mit Lebensmitteln aufgenommen werden.
Schadstoff BPA: Grenzwerte schwer zu bestimmen
Was macht konkret BPA mit unserem Körper?
Hengstler: Aus Tierversuchen ist bekannt, dass BPA bei hoher Dosierung ähnlich wirkt wie das Hormon Östrogen und vergleichbare Effekte auslösen kann, wie das weibliche Sexualhormon – es könnte also unter Umständen zu Unfruchtbarkeit führen. Steigt die Dosierung weiter, werden auch andere Rezeptoren in den Zellen aktiviert, die etwa für den Stoffwechsel oder die Arbeit der Schilddrüse wichtig sind. Doch schädliche Effekte in Menschen wären erst bei viel höheren Dosen zu erwarten, als bei den Werten, denen wir aktuell ausgesetzt sind.
Kann man sagen, ab welcher Menge BPA für den Menschen schädlich ist?
Hengstler: Das ist genau das Problem. Aus naheliegenden Gründen kann man keine Versuche an Menschen durchführen. Daher ist man auf Tierversuche angewiesen, in denen man viel höhere Dosen einsetzt, als die, welche Menschen üblicherweise zum Beispiel über Lebensmittel aufnehmen. Für das Festlegen von Grenzwerten muss man im Tierversuch die niedrigste Dosis ermitteln, die einen schädlichen Effekt verursacht. Für diese niedrigste schädliche Dosis gibt es erhebliche Unterschiede zwischen verschiedenen Tierversuchen. Das ist der Grund, warum unterschiedliche Behörden unterschiedliche Grenzwerte abgeleitet haben. Daher hat auch Stiftung Warentest in seiner Untersuchung zwei Grenzwerte zum Vergleich herangezogen.
Gemeint sind die aktuellen BPA-Grenzwerte der Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) und des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). Wie schätzen Sie diese ein?
Hengstler: Die Efsa hat die Menge an BPA, die bei lebenslanger täglicher Aufnahme noch tolerabel ist – man spricht hier vom TDI-Wert –, auf aktuell 0,2 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag festgelegt. Das ist 250.000-mal weniger als ein vorheriger Grenzwert der Efsa von 50 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag, der über viele Jahre gültig war. Ich halte die Studie, auf die sich die neue EFSA-Einschätzung beruft, nicht für belastbar, weil der zugrunde liegende Tierversuch grundlegende Qualitätskriterien nicht erfüllt.
Wie schaut es mit dem Wert des BfR aus?
Hengstler: Das BfR hat einen TDI-Wert von 200 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag abgeleitet. Er liegt also um das Tausendfache höher als der entsprechende Wert der EFSA. Dieser Grenzwert bezieht sich auf Erkenntnisse, die aus anderen Tierstudien gemacht wurden. Es ist nicht abschließend sicher, wie gut man diese Ergebnisse auf den Menschen übertragen kann. Die großen Diskrepanzen zwischen Behörden und die starken Änderungen der TDIs in den letzten Jahren zeigen, dass die aktuellen Grenzwerte mit Vorsicht interpretiert werden sollten. Wenn man die Relevanz für den Menschen eingehender untersucht, ist es durchaus möglich, dass in Zukunft höhere Grenzwerte abgeleitet werden.
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BPA in vielen Konserven – was das für uns bedeutet
Was bedeuten die aktuellen Testergebnisse zu BPA in Konserven dann aus Ihrer Sicht für Verbraucherinnen und Verbraucher konkret?
Hengstler: Auch wenn es hier bei sehr intensivem Konsum der Lebensmittelkonserven mit den höchsten BPA-Werten prinzipiell zu einer Überschreitung des BfR-Grenzwerts kommen kann, sehe ich keine alarmierende Situation. Für Verbraucher ist es auch nicht sinnvoll, mit Blick auf die eigene Ernährung, nur auf BPA zu achten, sondern insgesamt auf eine abwechslungsreiche und frische Kost – gerne auch unverpackt oder aus dem Glas.
Im Urlaub beim Campen dürfen also eine Woche ohne Bedenken Dosenravioli genossen werden?
Hengstler: Absolut. Etwas mehr Abwechslung wäre sicher attraktiver und auf Dauer anzuraten, doch eine Woche Dosenravioli wird zu keiner Vergiftung durch BPA oder anderen unerwünschte Stoffe führen.
Essen Sie selbst Konserven?
Hengstler: Das kommt hin und wieder vor und aus meiner Sicht spricht nichts dagegen. Denn ebenfalls hilfreich zu wissen: BPA reichert sich nicht im Körper an, sondern wird verstoffwechselt und rasch ausgeschieden.