Berlin. Auch offene Beziehungen können sich irgendwann nicht mehr richtig anfühlen. Eine Expertin verrät, was dann zu tun ist.
Die offene Beziehung gewinnt zunehmend an Popularität: Laut einer Umfrage der Dating-App Parship von 2023 können sich mehr als ein Drittel der über 1000 Befragten aus Deutschland vorstellen, ihre Beziehung sexuell zu öffnen. Bei einer offenen Ehe oder Beziehung vereinbaren Paare, dass sie auch außerhalb ihrer Hauptbeziehung Partnerinnen und Partner haben können.
Damit das Modell gelingt, braucht es vor allem Ehrlichkeit und eine gute Kommunikation zwischen den Paaren – so lautet die einstimmige Meinung vieler Paartherapeutinnen und Paartherapeuten. So weit, so gut. Was aber, wenn man nach einiger Zeit dennoch zurück zur Monogamie möchte und sich wieder eine geschlossene Ehe wünscht? Ob eine Rückkehr überhaupt möglich ist und wie man das am besten anstellt, erklärt eine Paartherapeutin.
Offene Ehe: Anzeichen dafür, dass das Modell nicht mehr funktioniert
Zunächst ist es wichtig, sich darüber bewusst zu werden, ob die offene Beziehung wirklich nicht mehr für beide Partner funktioniert. Ein klares Indiz dafür ist laut Psychologin und Paartherapeutin Andrea Buch: „Wenn einer von ihnen dauerhaft darunter leidet und sich nicht mehr wohlfühlt.“ Das könne sich in negativen Gefühlen und Ängsten äußern, die der Partner dann verspürt. Es helfe, sich in solchen Momenten zu fragen, ob das Modell noch die gewünschten Erlebnisse erzielt und der Beziehung guttut oder ob es Zeit sein könnte, es zu überdenken.
„Man muss ehrlich zu sich selbst zu sein: Bin ich noch glücklich damit oder handle ich nur aus Liebe zum Partner so, aber habe selbst schmerzhafte Gefühle?“ rät die Psychologin, die sich auf alternative Beziehungsformen spezialisiert hat. Es könne eine schöne Geste sein, dem Partner so viel Freiraum wie möglich zu geben, wenn man wisse, dass es ihm oder ihr guttut und damit die gemeinsame Beziehung gestärkt wird – solange man selbst damit zufrieden sei. „Doch wenn das Gleichgewicht aus den Fugen gerät und einer ständig die Regeln diktiert, während der andere nur folgt, dann leidet letztlich die Beziehung“, warnt Buch.
Natürlich gebe es auch äußere Faktoren, die eine Schließung notwendig machten. Die Expertin nennt ein Beispiel: „Angenommen, man braucht zu Hause mehr eindeutige Strukturen, weil man Kinder bekommt.“
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Offene Beziehung schließen – wie richtig ansprechen?
Sich selbst zu hinterfragen und ehrlich mit sich zu sein, ist in einer Beziehung wohl immer ratsam – so auch, wenn man einen Schließungswunsch verspürt, wie die Therapeutin erklärt: „Es lohnt sich, genau hinzuschauen, worum es tatsächlich geht.“ Buch zufolge helfen dabei folgende Fragen:
- Wie stelle ich mir die Beziehung vor, was sind meine Wünsche?
- Ist der Wunsch nach Schließen der Beziehung eine Reaktion auf eine Situation, die vielleicht unangenehme Gefühle auslöst?
- Wo kommen die Gefühle her und was sagen sie mir über mich?
- Geht es um ein Thema, dass ich mit mir trage und dass jetzt nur zum Vorschein kommt? Wenn das so ist, bedeutet das nicht, dass die offene Beziehung ‚das Problem‘ ist, sondern nur, dass es dadurch sichtbar wird.
Ist man sich dessen bewusst, könne man ins Gespräch gehen und besser zu seiner Entscheidung und dem Wunsch der Schließung stehen. Es sei wichtig, einfühlsam und offen über die eigenen Gefühle zu sprechen, ohne dem Partner Vorwürfe zu machen. Man sollte erklären, wie man selbst die Situation empfindet, welche Gefühle man verspürt und warum man möglicherweise darüber nachdenkt, dass eine Schließung der Beziehung helfen würde.
Die Therapeutin empfiehlt Paaren – insbesondere in einer offenen Partnerschaft – eine Art ‚Beziehungs-Check-In‘, um regelmäßig in ruhiger Atmosphäre über die eigenen Wünsche und Bedenken zu sprechen: „Das kann ein guter Moment sein, den Schließungswunsch zu äußern.“
Zurück zur Monogamie – „Eine Schließung funktioniert nicht immer“
Eine Schließung sei generell mit den gleichen Problemen behaftet wie eine Öffnung. Denn es werde immer eine Routine, die man sich ja aus gewissen Gründen ausgesucht hat, unterbrochen. Die Psychologin betont: „Daran muss man sich erst einmal wieder schrittweise gewöhnen.“ Man könne nicht erwarten, dass direkt wieder alles ist, wie vor der Öffnung.
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Eine weitere Herausforderung: Häufig sei der Wunsch nach Schließung nur einseitig, so die Expertin. Dabei müssten beide Partner wie beim Öffnen an einem Strang ziehen und sich einig über das Vorhaben sein. „Es ist legitim zu sagen: Ich habe versucht, mich auf diese Beziehungsdynamik einzulassen, aber es entspricht nicht meinen Bedürfnissen“, so Buch. Wenn der andere aber nicht mehr zur Monogamie zurückkehren kann, bringe es nichts, auf alten Absprachen zu beharren: „Ist das Bedürfnis nach mehr Freiheit stark und lässt sich nicht für eine Zeit ablegen, muss man das als Partner akzeptieren.“
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Der Übergang zurück zur Monogamie funktioniere besonders dann, wenn es in der offenen Beziehung darum geht, Abenteuer mit anderen zu erleben und weniger darum, Beziehungen auch zu anderen Partnern aufzubauen. Sonst müsse man für die Schließung auch noch andere Beziehungen beenden, sich also von den anderen Partnern trennen. Und niemand trenne sich gerne, wenn es nicht unbedingt sein muss, glaubt Buch.
Dennoch: Nicht selten sei gerade die offene Beziehung und damit das Erleben von Freiraum für viele ein Punkt ohne Wiederkehr – die Vorstellung, sich wieder zu begrenzen, könne Angst machen. „Eine Schließung funktioniert nicht immer“, warnt Buch. Dessen müsse man sich bewusst sein, wenn man die Ehe oder Beziehung öffnet.