Berlin. Viele Beziehungen scheitern, wenn ein Partner fremdgeht. Das muss nicht sein, sagt ein Experte und erklärt, warum Menschen betrügen.
- Bei vielen Paaren ist die Sorge vor einer Affäre groß
- Ein Paartherapeut erklärt, warum mit Fremdgehen in Beziehungen häufig nicht gut umgegangen wird
- Denn ein Seitensprung muss nicht das Ende einer Beziehung sein. Im Gegenteil
In einer Beziehung gilt Fremdgehen oft als der ultimative Vertrauensbruch. Und eine Beziehung mit dem „Betrüger“ ist für viele danach nur schwer vorstellbar. Laut dem Paartherapeuten Eric Hegmann ist eine lange und glückliche Beziehung möglich – wenn man die Vorstellung von Treue neu definiert.
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Fremdgehen in der Beziehung: Wie oft gehen Männer und Frauen fremd?
Laut einer Studie von ElitePartner, die der Paartherapeut und Mitbegründer der „Modern Love School“, Eric Hegmann, begleitet hat, gaben zwei Drittel der Befragten an, schon einmal in ihrem Leben einen Beziehungspartner betrogen zu haben. Die Frage ist also weniger, ob jemand fremdgeht, sondern wann.
Der Unterschied zu früher, bevor die Liebesheirat zum romantischen Ideal wurde: „Die Partner kamen nicht aus der Beziehung heraus“, erklärt Hegmann. „Heute ist der Druck, eine Beziehung zu beenden, wenn ein Partner fremdgeht, viel größer.“ Dieser Druck kann etwa durch die Angst entstehen, nach einer Trennung alles aufgeben zu müssen, was man als Paar gemeinsam aufgebaut hat, aber auch durch Einflüsse von außen. In der Paartherapie erlebt Eric Hegmann viele Betroffene, die sagen: „Ich will mich eigentlich nicht trennen, aber alle meine Freundinnen sagen, ich muss!“
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Gründe für Seitensprung müssen nicht immer negativ sein
Eine weitverbreitete Annahme ist, dass Untreue entsteht, wenn die Beziehung nicht mehr funktioniert oder die Liebe verflogen ist. Dabei geht es bei Affären oft nur darum, sich selbst neu zu erleben, sagt der Paartherapeut Eric Hegmann. „Meine Erfahrung ist, dass Menschen, die fremdgehen, in ihrer Beziehung zu einer Person geworden sind, die sie nicht mehr lieben. Und in der Begegnung mit der Affäre erleben sie sich als jemanden, den sie lange vermisst oder vielleicht gar nicht vermutet haben.“ Der Seitensprung befriedigt Bedürfnisse nach Intensität und Lebendigkeit. Worum es fast nie geht: den Partner zu verletzen oder die Beziehung zu gefährden.
Der Paartherapeut sieht in Affären auch den versteckten Versuch, eine Verbindung aufrechtzuerhalten – sei es sexuell oder emotional –, die zu kurz kommt oder nicht mehr da ist. „Kann man also sagen, dass derjenige, der die körperliche Nähe eines anderen gesucht hat, ein größeres Problem hat als derjenige, der sie abgelehnt hat?“, fragt Hegmann. „Oder schützt der untreue Partner vielleicht sogar die Beziehung, weil er bleibt und sich von außen nur das holt, was er unbedingt braucht?“
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Monogamie schließt Fremdgehen nicht aus
Die „ewige Liebe“ gibt es nach Ansicht des Paartherapeuten Eric Hegmann nicht. Sie sei vielmehr eine Folge der „Disneyfizierung der Liebe“ durch Filme, Serien und Bücher, die eine überromantisierte und unrealistische Beziehungsdramaturgie vermittelten. Nicht umsonst heiraten die Menschen heute zwei- bis dreimal, gehen mehr Beziehungen ein als die Generationen vor ihnen zusammen. Doch in all diesen Beziehungen bleibe der Wunsch nach Monogamie bestehen, beobachtet Hegmann.
„Wir leben im Zeitalter der seriellen Monogamie. Immer mehr Menschen wollen Wünsche und Bedürfnisse außerhalb der Beziehung aushandeln, bevor es zum Seitensprung kommt“, sagt der Experte. So werden auch Möglichkeiten wie offene Beziehungen diskutiert. Gemeinsam fragt sich das Paar: Wie wollen wir mit körperlicher oder emotionaler Treue umgehen? Was ist für uns Treue, was Untreue? Wo fängt was an? „Das sind keine einfachen Gespräche, aber solche, die Paare führen sollten. Nicht jeder Partner für sich, sondern gemeinsam“, sagt Hegmann.
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Vorteile einer Affäre: Die Beziehung geht gestärkt daraus hervor
Damit Paare nach einer Affäre wieder Vertrauen aufbauen können, müssen laut Hegmann drei Phasen durchlaufen werden, wie sie die Therapeutin Esther Perel beschrieben hat: In der ersten Phase, der Krisenphase, muss zunächst Sicherheit hergestellt werden. Hier setzt die Paartherapie an, die stabilisierend wirkt und für Ausgleich, Klarheit und Struktur sorgt. „Es ist wichtig, die Affäre als zwei sehr differenzierte Erfahrungen zu betrachten, um nicht in die Dynamik von Schuld, Verrat oder Opfer zu geraten“, erklärt Hegmann. Für den einen Partner war der Seitensprung vielleicht eine Erfahrung von Liebe, Sehnsucht und Erregung, für den anderen eine Erfahrung von Verrat, Vertrauensbruch und Grenzverletzung.
In der zweiten Phase geht es darum, den Sinn hinter dem Fremdgehen zu verstehen. Hier unterscheidet der Paartherapeut zwischen „detektivischen Fragen“, die für den betrogenen Partner traumatisierend sein können, wie „Wo hattet ihr Sex und wie oft?“, und „investigativen Fragen“, die den Partner ermutigen und ihm helfen zu verstehen, was die Affäre für den anderen bedeutet hat.
Beispielhafte investigative Fragen wären:
- Was hat es für dich bedeutet?
- Warum ist es passiert?
- Was war der Auslöser?
- Warum gerade jetzt?
- Hast du danach gesucht?
- Was hast du dort erlebt, was du bei mir nicht mehr spüren konntest?
In der letzten Phase geht es darum, sich als Liebende zu fragen: „Was für ein Paar werden wir sein, wenn wir zusammen bleiben? Wie wollen wir mit dem Geschehenen umgehen?“ Nach dem Paartherapeuten Eric Hegmann lassen sich drei Ausgänge einer Affäre unterscheiden:
- Das Paar bleibt zusammen, die Partner überleben sozusagen, aber es ändert sich nicht viel.
- Die Partner schätzen ihre Beziehung aus vielen Gründen und geben sie deshalb nicht auf.
- Das Paar will an der Untreue wachsen, um die Beziehung neu zu definieren und zu verändern.
Im letzteren Fall ist das Paar in der Lage zu heilen und die Beziehung zu reparieren, meint der Experte. Die Erzählung verschiebt sich von „was DU mir angetan hast“ zu „als WIR diese Krise durchlebt haben“. „Sie wird zu einer Wir-Erfahrung, die das Paar gemeinsam durchlebt hat“, sagt Hegmann.
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