Berlin. Drei Sexualtherapeuten erklären, wie es im Bett dauerhaft klappt und wie Paare – auch bei Unlust – sexuell wieder zueinander finden.
Am Anfang einer Beziehung können die meisten Paare kaum die Finger voneinander lassen. Die Liebe ist überwältigend, alles ist neu, spannend und aufregend – und den Rest erledigen die Hormone. Männer schütten in dieser Phase mehr Oxytocin und Frauen mehr Testosteron aus. Das bedeutet: Die Männer kuscheln lieber als sonst und die Frauen haben mehr Lust auf Sex.
Oft lässt die Lust auf Sex mit der Zeit nach
Mit der Zeit werden die Hormone jedoch weniger und statt des anfänglichen Prickelns macht sich der Alltagstrott breit. Kein Wunder also, dass die meisten Langzeitpaare mit der Zeit weniger Sex haben, als noch zu Beginn ihrer Beziehung. Problematisch wird das meist dann, wenn ein Partner deutlich mehr Lust auf Sex hat, als der andere.
Doch wie schafft man es, dass es im Bett dauerhaft läuft? Zwei Sexualtherapeutinnen und ein Sexualtherapeut berichten, was sie (Ehe-)Paaren raten, die zu ihnen kommen:
Arnika Otto, Paar- und Sexualtherapeutin aus Essen
„Erotik ist Anziehung plus Hindernis. Das, was ich habe, kann ich nicht begehren. In der Kennenlernphase haben wir das natürlich gegebene Fremdheits-Hindernis. Dazu kommt der Hormon-Boost, der nach etwa einem Jahr abfällt. Man hat sich jetzt auch versichert, dass der Partner nicht so schnell weg ist.
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Wenn man Pech hat und ein Rechtmacher ist, ist von dem schönen, experimentellen Sex, den man am Anfang hatte, nichts mehr übrig. Man hat sich jetzt eingegroovt, weiß, was der andere mag und was nicht und möchte bloß nichts machen, was er nicht mag – auch nicht, wenn ich es gut finden würde. Kritik wird stark negativ aufgefasst, weshalb solche Paare versuchen, in sicheren Gefilden zu bleiben – zum Beispiel immer bei derselben Stellung.
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Sexualität, die sich nur nach den Wünschen des Partners richtet, ist auf Dauer jedoch nicht so gut für unsere Lust zu verkraften. Guter Sex ist eben ein bisschen egoistisch – das bedeutet, dass ich bei mir und meinen Bedürfnissen sein und in Kommunikation darüber gehen sollte. Ich mache das, was mir entspricht. Ich mache mein Selbstwertgefühl nicht mehr davon abhängig, ob ich meinen Partner ausnahmslos glücklich machen kann. Wenn ich einen guten Zugang zu meiner Lust habe und das mache, was mir gefällt, ist das auch für den Partner erregend.
Wie Paare mit Luststörungen umgehen können
Ein großes Thema in der Sexualtherapie sind aber auch Luststörungen. Der eine Part entwickelt immer mehr Sehnsucht, je größer das Hindernis wird. Der andere Part hingegen hat das Gefühl, sich nicht einmal ankuscheln zu können, ohne, dass der Andere direkt Sex möchte.
Ziel in der Sexualtherapie ist im Grunde, die Möglichkeiten zur Sexualität zu erhöhen, indem ich eine Leichtigkeit reinbringe. Ich muss gar nichts, sondern ich darf mir Zugang zu meiner Lust verschaffen. Außer Schmerzen oder bei Männern Erektionsstörungen schickt ja nichts die Lust so zuverlässig mit einem One Way Ticket auf die Bahamas wie der Gedanke: Ich muss jetzt wollen.
Man kann Sex aber auch zu einer Entscheidung machen. Selbstvalidierte Paare können sich bewusst zum Sex verabreden, ohne dafür Lust haben zu müssen – sie können sich die Lust dabei machen, weil sie wissen, wie. Das ist eine ganz, ganz hohe Kompetenz, die ich versuche, meinen Klienten mitzugeben. Warten Sie nicht darauf, dass Lust aufkommt, stellen Sie sie her!“
Nina Jares, systemische Sexualtherapeutin aus Hilden
„Den anderen glücklich machen zu wollen, ist mit Sicherheit eine sehr gute Voraussetzung. Die andere Person muss allerdings auch empfänglich dafür sein. Mein Partner kann mir noch so viele Avancen machen, wenn mein Körper gerade nicht empfänglich dafür ist oder ich keine Zeit habe, mich um mich selbst oder die Beziehung zu kümmern, nützt es nichts.
Eine offene Kommunikation ist immer hilfreich – gerade was Sexualität betrifft. Ebenso wie eine emotionale Verbindung. Dafür müssen sich Paare Zeit nehmen, die sie gemeinsam verbringen, um Erinnerungen zu schaffen oder Rituale zu formen, die den Alltag bereichern und eine Basis schaffen.
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Für manche Menschen ist es gar nicht so leicht, abends zwischen ihrem Job und ihrer Rolle als liebende Partnerin oder liebender Partner zu switchen. Es ist aber möglich, im Alltag mit dem Partner oder der Partnerin im Kontakt zu stehen und dafür zu sorgen, dass die richtige Stimmung nicht nur da ist, wenn man vorhat, intim miteinander zu sein.
Zeigen Sie, dass Sie sexuelle Wünsche haben
Da gilt es darauf zu achten, wie viele Sachen ich meinem Partner erzähle, die vielleicht gar nicht so wichtig sind. Schreibe ich 30 Nachrichten am Tag, dass wir noch Brot brauchen und daran denken müssen, den Gaszähler abzulesen oder dosiere ich das und zeige, dass ich auch eine Person bin, die sexuelle Wünsche hat?
Wenn ich zu jeder Sekunde alles über meinen Partner weiß, wir synchronisierte Kalender haben und uns den ganzen Tag begleiten, fehlt im Grunde der Raum, um überhaupt wieder Begehren spüren zu können.
Ein konkreter Tipp ist, Neugier zu behalten und eine Freude am Ausprobieren mitzubringen. Aus meiner Praxis kann ich sagen, dass sich Frauen meistens wohl dabei fühlen, zu wissen, was als nächstes kommt. Männer sind da offener für Abwechslung – auch, wenn sie noch nicht genau wissen, ob es ihnen gefällt oder nicht.
Wichtig ist auch eine gewisse Vitalität. Viele Paare verharren beim Sex in einer sehr statischen Position. Es hilft, den ganzen Körper fluid mit einzubringen und überall hin zu spüren.“
Jens Helmig, Paar- und Sexualtherapeut aus Köln
Die meisten Paare, die sich wegen sexuellen Schwierigkeiten an mich wenden, haben sich auch auf vielen anderen Ebenen verloren. Es ist wichtig, sich innerhalb einer Partnerschaft immer wieder neu zu erfinden und den anderen neu von sich zu überzeugen. Das Werbungs-Spiel steht nicht nur am Anfang einer Partnerschaft und endet, wenn man zum Erfolg gekommen ist.
Was dem Partner beim Sex gefällt? Reden Sie darüber
Wenn ich wissen will, wie ich meine Partnerin oder meinen Partner im Bett glücklich mache, ist der erste Schritt, darüber zu sprechen. Die meisten Paare reden interessanterweise nicht über Sex. Angstfrei über Sex zu kommunizieren, Wünsche zu formulieren und Phantasien zu teilen, kann durchaus inspirierend sein.
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Es gibt etwas, das man „das ideale sexuelle Szenario” nennt. Dafür setzt man sich mit einem Stück Papier und einem Stift hin und schreibt seine ideale Sex-Fantasie auf. Im Anschluss tauscht man das Geschriebene miteinander aus. So entsteht Kommunikation. Und Kommunikation ist meines Erachtens der Schlüssel – auch zum partnerschaftlichen Glück.
Wenn wir jetzt anfangen, ganz allgemein zu sagen: Sie müssen mehr Abwechslung ins Schlafzimmer bringen oder sich neue Dessous kaufen, mag es sein, dass es für den ein oder anderen funktioniert, aber da muss ich sagen: Das ist nur die halbe Wahrheit.
Natürlich kann man das alles machen, aber im Großen und Ganzen ist Sexualität ein Ausdruck dessen, wie sicher wir uns in unserem Körper bewegen. Wie selbstsicher sind wir im Umgang mit unserem Körper? Was stellen wir als Menschen dar? Was macht uns neugierig aufeinander? Ich finde es wichtig, den Körper einfach mal zu erkunden und zu schauen, was uns fehlt oder was uns gefällt. Ich halte Tantra-Massagen für sehr sinnvoll.
Äußern Sie Ihre Fantasien – auch wenn sie gar nicht real werden sollen
Ich empfehle außerdem, Fantasien anzusprechen, die vielleicht unorthodox sind. Viele Männer berichten mir zum Beispiel, dass sie die Fantasie haben, dass ihre Frau in ihrer Gegenwart mit mehreren Männern verkehrt. Die meisten von ihnen wollen das gar nicht in die Realität umsetzen. Es soll also Fantasie bleiben – und die kann man durchaus ohne Scheu teilen.
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Wenn ich sage, ich stelle mir vor, dass du dies und jenes tust und das erregt mich, entsteht ein Dialog. Wenn ich damit hingegen hinter dem Berg halte, äußert es sich an anderer Stelle – zum Beispiel durch sexuelle Unlust, dem Gefühl, gelangweilt zu sein oder der Angst, etwas zu verpassen. Das führt gerade bei jüngeren Paaren nicht selten zu Seitensprüngen.